Vorausdenken. Vorangehen. Informieren. Motivieren. Das „Mission Statement“ der GBV-Dekarbonisierungs-Beauftragten
Rund 350.000 Miet- und Eigentumswohnungen im Verwaltungsbestand gemeinnütziger Bauvereinigungen werden derzeit noch durch fossile Energieträger, v.a. Gas beheizt, das entspricht rund einem Drittel des GBV-Verwaltungsbestands. Pro Jahr werden es im Schnitt um rund 9.000 weniger, vorwiegend durch Heizungsumstellungen auf klimafreundliche Energieträger. Doch das Tempo muss sich deutlich erhöhen, wenn der Gebäudebestand bis 2040 klimaneutral werden soll! Genau das hat sich die gemeinnützige Wohnungswirtschaft bereits 2022 in einem Beschluss zum strategischen Ziel gesetzt: die Dekarbonisierung ihres Wohnungsbestands zu leistbaren Konditionen und unabhängig von gesetzlichen Vorgaben bis 2040. Der gemeinnützige Wohnungswirtschaft möchte die Vorreiterrolle innerhalb der Immobilienwirtschaft beibehalten und hat dazu 2024 den Expertenbeirat der GBV-Dekarbonisierungs-Beauftragten ins Leben gerufen. Dieses Gremium ist nun seit über einem Jahr aktiv und trifft sich regelmäßig online und in Präsenzworkshops.
Bei einem zweitägigen Dekarbonisierungs-Workshop im November 2025 in Wien haben die Dekarbonisierungs-Beauftragten nun ihr „Mission Statement“ verabschiedet, welches zuvor in einem intensiven Diskussionsprozess erarbeitet wurde. Verbandsobmann Michael Gehbauer sicherte die tatkräftige Unterstützung der Vorhaben der Dekarbonisierungs-Beauftragten durch den Verband zu. Das Dokument wurde am 18.11. feierlich durch Verbandsobmann Gehbauer, Verbandsobmann-Stellvertreterin Stickler und die Dekarbonisierungs-Beauftragten der Landesgruppen sowie des Verbandsbüros unterzeichnet.
Sieben Handlungsfelder auf dem Weg zur Klimaneutralität
Im Fokus der Dekarbonierungs-Beauftragten steht die Transformation des Gebäudebestands zur Klimaneutralität durch den Ersatz fossiler Energieträger für Raumwärme, Warmwasser und Kühlung durch klimafreundliche, zukunftsfähige Energiesysteme. Die Liegenschaften und Gebäude sollen zu aktiven Erzeugern erneuerbarer Energie werden, deren Nutzung vor Ort erfolgt. Durch innovative Versorgungslösungen soll die Energieautonomie gestärkt und der CO2-Fußabdruck des Bestandes nachhaltig reduziert werden. Ergänzend dazu tragen thermische Sanierungen der Gebäudehülle zur weiteren Steigerung der Energieeffizienz bei.
Die GBV-Dekarbonisierungs-Beauftragten haben ihr Selbstverständnis und ihre Aufgaben in sieben Handlungsfeldern definiert:
1. Gemeinsame Visionen und Ziele
Wir teilen die übergeordnete Vision der Klimaneutralität des Gebäudebestands bis 2040 zu leistbaren Bedingungen. Um diese Vision Realität werden zu lassen, definieren wir gemeinsame Prioritäten, entwickeln strategische Maßnahmen und eine Roadmap zur Klimaneutralität mit regional differenzierten Zwischenzielen.
2. Wissen und Erfahrung austauschen
Wir bringen einen proaktiven Wissens- und Erfahrungsaustausch über die Dekarbonisierung des GBV-Gebäudebestands ins Laufen: zwischen GBV-Verband, Landesgruppen und Mitgliedsunternehmen und unter Berücksichtigung unterschiedlicher regionaler Schwerpunkte.
3. Motivieren
Wir stärken unsere Mitarbeiter:innen und Branchenkolleg:innen, damit diese unsere Botschaft als Multiplikatoren in den Unternehmen, beruflichen Netzwerken und den Bewohnerschaften verbreiten.
4. Lösungsansätze liefern
Wir bauen ein Best-Practice-Portfolio zu gelungenen Beispielen der Dekarbonisierung im GBV-Wohnungsbestand auf, unterstützen die (Weiter-)Entwicklung von Planungstools zur Abschätzung des Investitionsbedarfs und verbreiten diese in der Branche.
5. Entscheidungsgrundlagen unterstützen
Wir treiben die Operationalisierung voran und liefern Grundlagen für Entscheidungen auf Unternehmens-, Verbands- und politischer Ebene.
6. Storytelling, Lobbying, Verständnis herstellen
Wir heben die hohe Bedeutung von Klimaschutzmaßnahmen in der Wohnungswirtschaft hervor und sorgen aufgrund unserer Positionierung für Präsenz in der öffentlichen Wahrnehmung.
7. Rechenschaft geben
In einem jährlichen Bericht, der erstmals 2026 erscheinen wird, geben wir Rechenschaft über die Aktivitäten der Dekarbonisierungsbeauftragten und über quantitative Fortschritte der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Die feierliche Unterzeichnung des Mission Statement war jedoch nur der Auftakt zu einem intensiven Workshopprogramm:
Eine lehrreiche Exkursion führte zu innovativen Dekarbonisierungsprojekten der Sozialbau Gruppe: In einem Wohnhaus in der Miesbachgasse besichtigte man den Prototyp der „Gemeinschaftstherme“, der erfolgreiche Ansatz der zweistufigen Dekarbonisierung des Heizungssystems: Zuerst Zentralisierung des über Kamine an ein gemeinsames Heizhaus im Dachboden, anschließend Tausch von Erdgas auf Wärmepumpe. Dieses Konzept wurde bei der Sozialbau strategisch über den Gesamtbestand ausgerollt, hat u.a. den ÖGUT-Umweltpreis 2022 erhalten und wird nun erweitert um liegenschaftsübergreifende Lösungen (Anergienetze).
Anschließend wurde ein Pilotprojekt der seriellen Sanierung in der Arenberggasse besichtigt. Bei diesem Gebäude wurden vorgefertigte Module mit integrierter Bauteilaktivierung zur Heizung und Kühlung an die Fassade angebracht. Aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades nahmen die Montagearbeiten nur wenige Tage in Anspruch. Die serielle Sanierung gilt aufgrund der kurzen Umsetzungszeit, der Klimafreundlichkeit und Energiekosteneinsparung als zukunftsweisende Sanierungsmethode und genießt daher hohe Aufmerksamkeit. Fast täglich wurde das Projekt im 10-tägigen Montagezeitraum besichtigt, einmal sogar von Vizekanzler und Wohnminister Andreas Babler, Innovationsminister Peter Hanke und Wiens Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál.
Im Programm des Dekarbonisierungs-Workshops folgten Impulsvorträge zu aktuellen Forschungsprojekten, die einen spannenden Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis einleiteten. Vorgestellt wurden das Branchenforschungsprojekt GBV-Deka über Portfoliomanagement im gemeinnützigen Wohnbau (Tobias Weiss), SERENOWOOD über serielle Sanierung mit Holzmodulen (Cornelia Ninaus) sowie der geplante Förderrechner von klimaaktiv Gebäude (Felix Wimmer).
Ein weiteres Highlight des Workshops waren die gegenseitigen Erzählungen der Dekarbonisierungs-Beauftragten über eigene Umsetzungsprojekte im Storytelling-Stil. Nicht nur Erfolgsstories waren willkommen, sondern auch ehrliche Geschichten über schwierige oder gescheiterte Vorhaben, um daraus zu lernen – z.B. wie die Kommunikation mit der Bewohnerschaft verbessert werden könnte.
Der zweite Halbtag des Workshops war der Planung der nächsten Schritte im Sinne des Mission Statements gewidmet sowie der intensiven Arbeit in Kleingruppen zu den Themen Bildung, Kommunikation und Netzunabhängigkeit. Die nächste größere Aufgabe, die von der Dekarbonisierungsgruppe initiiert wurde, ist eine branchenweite Bestandserhebung auf Basis der Energieausweise, die bereits in Angriff genommen wurde. Der nächste Präsenzworkshop der Dekarbonisierungs-Beauftragten wird im Mai 2026 in Oberösterreich, Lenzing stattfinden.
Autorin: Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald
Links:
Das unterzeichnete Mission Statement der GBV-Dekarbonisierungs-Beauftragten im Volltext: Hier
Rathauskorrespondenz vom 12.11.2025 zur Besichtigung von Babler, Hanke, Gaal des Pilotprojekts für serielle Sanierung: https://presse.wien.gv.at/presse/2025/11/12/babler-hanke-gaal-serielle-sanierung-fuer-grossvolumige-gebaeude-hochwertig-rasch-und-leistbar
Neue GBV-Dekarbonisierungs-Beauftragte: https://gbv-aktuell.at/news/neuer-gbv-dekabonisierungsbeauftragter