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Neue GBV-Dekarbonisierungsbeauftragte

Rückläufige Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor – für GBV ein Ansporn auf dem Weg zur Klimaneutralität
Die gute Nachricht zu Beginn: In Österreich sind die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen im Jahr 2023 um 6,5 Prozent oder um 4,8 Millionen Tonnen gesunken, so die erfreulichen Ergebnisse der Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamts. Dies ist in hohem Ausmaß dem Gebäudesektor zu verdanken, der mit einem Minus von 13,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr den prozentuell größten Rückgang der CO2-Emissionen aufweist. Die gesamten Emissionen betragen im Jahr 2023 rund 69 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, 6,3 Millionen Tonnen oder rund neun Prozent entfallen auf den Gebäudesektor. Genauer: auf die Energieversorgung im Gebäudebetrieb. 

Auch im längerfristigen Vergleich zeigt sich, dass der Gebäudesektor jener ist, der die „Hausaufgaben“ in Richtung Klimaschutz früher und schneller in Angriff genommen hat als alle anderen Bereiche. Seit 2005 haben sich die Emissionen im Gebäudesektor halbiert, während sie sich etwa im Verkehr nur um 19 Prozent und in der Industrie um 28 Prozent reduziert haben. Eine Ursache für den Emissionsrückgang im Gebäudesektor ist die verringerte Nachfrage nach Raumwärme, die durch die wärmeren Wintertemperaturen einerseits, im Jahr 2023 aber auch durch zurückhaltendes Heizverhalten aufgrund der hohen Energiepreise erklärbar ist. Noch bedeutender für den Rückgang der Heizemissionen ist jedoch der Umstieg von fossilen auf klimafreundliche Energieträger (Erneuerbare und Fernwärme) im Heizungssystem. 

Einen Boom an Heizungsumstellungen gab es um das Jahr 2010 sowie von 2021 bis 2024. Bundesförderungen spielten dabei einen wichtigen Anreiz. In Spitzenjahren wurden 30.000 – 40.000 Heizungen umgestellt, im gemeinnützigen Bereich bei steigender Tendenz zuletzt ca. 6.000. (Amann et al 2022, GBV-Verbandsstatistik 2024). Dennoch: Für einen vollständigen Abbau der fossilen Heizungen bis 2040 müsste die durchschnittliche Ersatzrate bei rund 105.000 Einheiten p.a. insgesamt und bei rund 21.000 im gemeinnützigen Wohnungsbestand liegen, also bei einem Mehrfachen der aktuellen Rate (Gutheil-Knopp-Kirchwald 2024, 23). Das Aussetzen der Bundesförderungen zu Jahresende 2024 ist aus dieser Perspektive äußerst kritisch zu sehen.

In der langfristigen Betrachtung (seit 1990) hat auch die Erhöhung der Energieeffizienz durch thermische Sanierung und Wärmedämmung eine wichtige Rolle zur CO2-Emissionsreduktion gespielt. Seit etwa 2010 trat hier jedoch ein Sättigungseffekt ein – thermische Sanierungen dienen seither überwiegend der Komforterhöhung oder als vorbereitende Maßnahme für die energetische Sanierung (Einbau eines niedertemperaturfähigen Heizungssystems). Der Gesamtenergieverbrauch pro m2, d.h. die durchschnittliche Energieeffizienz des gesamten Gebäudebestands blieb hingegen seit 2005 annähernd konstant bei etwa 180 kWh/m2 (UBA 2024, S. 185). 

 

Gebäude: Neun Prozent oder über ein Drittel der CO2-Emissionen? 
Weniger als 10 Prozent der CO2-Emissionen Österreichs sind also den Gebäuden anzurechnen? Das mag überraschen, da man oft von weit höheren Anteilen liest. Internationale Untersuchungen beziffern den Anteil des Gebäudesektors an den Gesamtemissionen mit mehr als einem Drittel (37% nach UNEP, 2021,36% nach EU Gebäuderichtlinie EPBD, 2024). Auch für den österreichischen Gebäudebestand wurde in einer Studie (Truger et al., 2022) berechnet, dass dieser, je nach Berechnungsmethode, auf 21,9 bis 30,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen p.a. kommt, was 32 – 44 Prozent der für Österreich (2023) bilanzierten Treibhausgasemissionen entspricht. 

Die Ursache für die Diskrepanz ist die unterschiedliche Definition des Begriffs „Gebäudesektor“. In der Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamts (auf Basis des Klimaschutzgesetzes) wird dem Gebäudesektor „nur“ der Energieverbrauch im Betrieb des Gebäudes (v.a. Raumwärme und Warmwasser) zugerechnet, und dies auch nicht vollständig, da der Bezug von Fernwärme nicht dem Gebäude-, sondern dem Energiesektor zugezählt wird. Die Emissionen bei der Errichtung der Gebäude und der Herstellung von Baumaterialien („graue Emissionen“) bleiben gänzlich außen vor und werden dem Industriesektor zugezählt.

In den anderen genannten Quellen wird hingegen das Gebäude in seinem ganzen Lebenszyklus betrachtet: Von der Errichtung bis zum Rückbau. In dieser umfänglichen Perspektive ist die Dekarbonisierung des Gebäudesektors eine weit größere Aufgabe als die Ertüchtigung der Heiztechnik oder der Gebäudehülle. Im Neubau sind die „grauen Emissionen“ längst von größerer quantitativer Bedeutung als die Betriebsemissionen, mittelfristig wird dies, dank sinkender Betriebsemissionen, für den gesamten Gebäudebestand gelten. 

Die „grauen Emissionen“ von Gebäuden und ganzen Siedlungen zu verringern, bedeutet insbesondere:
•    Kompakt bauen, bestehende Siedlungen nachverdichten
•    Gebäude langlebig und anpassbar gestalten
•    Klimaschonende und kreislauffähige Baumaterialien verwenden

 

GBV-Wohnungen punkten durch Kompaktheit, Energieeffizienz und einen zunehmend klimafreundlichen Energiemix
Wenden wir uns nun wieder dem Gebäudebetrieb zu, und zwar dessen energieintensivsten Bestandteil, der Raumheizung. Berechnungen auf Basis der neuesten Energiestatistik (2021/22) belegen einmal mehr: GBV-Mietwohnungen zeichnen sich durch niedrige heizungsbedingte Treibhausgasemissionen aus. Während der durchschnittliche österreichische Haushalt für die Raumwärme rund 1,8 Tonnen CO2 pro Jahr emittiert, sind es in GBV-Mietwohnungen nur rund ein Drittel, nämlich 0,6 Tonnen. Selbst im Vergleich innerhalb des Geschoßwohnbaus (Ø 1,0 Tonnen CO2 pro Wohnung) schneidet die GBV-Mietwohnung deutlich besser ab. 

Drei Faktoren sind für niedrigen CO2-Emissionen der GBV-Mietwohnung verantwortlich: Erstens: Die v.a. im Vergleich zum Einfamilienhaus geringere Nutzfläche pro Einheit. Zweitens:  die höhere Energieeffizienz, welche wiederum auf die kompakte Gebäudestruktur und die gute thermische Qualität der Gebäudehülle zurückzuführen ist. Drittens:  der klimafreundlichere Energiemix, hier insbesondere der niedrige Anteil fossiler Heizungen im Vergleich zum übrigen Geschoßwohnbau.

Anders ausgedrückt: GBV-Mietwohnungen haben einen Anteil von fast 18 Prozent der Hauptwohnsitzwohnungen, von 12 Prozent der Wohnnutzfläche, von sieben Prozent des Heizenergieverbrauchs und nur von 6,5 Prozent der heizungsbezogenen CO2-Emissionen Österreichs. 

GBV-Dekarbonisierungs-Beauftragte nehmen die Bestandstransformation ins Visier
Die gute Ausgangssituation ist für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Im Gegenteil: Der Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen möchte die Vorreiterrolle der Branche in diesem Bereich beibehalten und hat sich unabhängig von gesetzlichen Vorgaben die Dekarbonisierung des gemeinnützigen Wohnungsbestandes zu leistbaren Bedingungen bis 2040 zum Ziel gesetzt. 

Jede GBV-Landesgruppe nominierte im vergangenen Jahr zwei Dekarbonisierungs-Beauftragte, die die Rolle als Kommunikationsschnittstellen und Impulsgeber haben. Im November 2024 traf sich die Gruppe zu einem zweitägigen Strategieworkshop in Salzburg. Gemeinsam wurden die Grundsteine für eine Dekarbonisierungs-Roadmap entworfen. Ziel ist es, gemeinsame Standards und Meilensteine auf dem Weg zur Klimaneutralität für die Branche zu definieren, welche auf Ebene der Bundesländer und einzelnen Unternehmen ausdifferenziert werden können. So sieht man sich einerseits besser gewappnet für die zahlreichen (Dokumentations-)Anforderungen, die auf die Branche zukommen (Zero-Emission-Standard gemäß EPBD, EU-Taxonomie, OIB-Richtlinien 6 und 7, ESG,…), andererseits wird damit auch kommuniziert, dass gemeinnützige Bauvereinigungen sich in einem umfassenden Sinn der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen: in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Dimension.

Die Dekarbonisierungs-Beauftragten haben sich für die kommenden Monate viel vorgenommen. Bereits in Umsetzung sind regelmäßige Arbeitstreffen (online und in Präsenz), ein strukturierter Wissens- und Erfahrungsaustausch innerhalb der Branche und mit der Wissenschaft sowie die Vorbereitung einer Branchen-Bestandserhebung auf Basis der Energieausweise.

Autorin: Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald, GBV-Wohnwirtschaftliches Referat

Quellen und weiterführende Literatur:
Amann W., E. Bauer, N. Komendantova, A. Oberhuber, E. Springler (2022): Studie zur langfristigen Finanzierung der Wärmewende. Im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie  
GBV-Verbandsstatistik 2024. Downloadlink
Gutheil-Knopp-Kirchwald, G. (2024): Die nächste große Transformation – mit Karl Polanyi zum klimaneutralen Gebäudebestand? In: Der öffentliche Sektor / The Public Sector 1/2 2024. Online: https://oes.tuwien.ac.at/article/id/689/ 
Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamts, Presseaussendung von 20.1.2025: https://www.umweltbundesamt.at/news250115-treibhausgas-bilanz-2023 
Truger, Barbara et al. 2022. Life cycle GHG emissions of the Austrian building stock. A combined bottom-up and top-down approach. In: IOP Conference Series: Earth and Environmental Science, iopscience.iop.org, online unter: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1755-1315/1078/1/012024/pdf
Umweltbundesamt (2024): Klimaschutzbericht 2024. Downloadlink
UNEP (2021). Global Status Report for Buildings and Construction: Towards a Zero-emission, Efficient and Resilient Buildings and Construction Sector. Nairobi: 2021.
Weber, B., Berger, L. (2024): Zukunft Bestand. Ökosoziale Transformation von Wohnhausanlagen. Ruby Press