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Bilanz und Ausblick: „Abschiedsinterview“ von SOZIALBAU AG Generaldirektor Wilhelm Zechner 

GBV-aktuell: Herr Zechner, Sie waren seit 1986 Leiter der Technischen Abteilung und später Technischer Direktor der SOZIALBAU AG. Als solcher haben Sie zahlreiche Neubauprojekte, wie auch umfangreiche Sanierungsvorhaben verantwortet und begleitet. Welche Entwicklungen haben sie in dieser Zeit beobachtet?

Wilhelm Zechner: Natürlich gab es zahlreiche Leuchtturmprojekte in dieser Zeit. Über all diesen Projekten steht aber, dass wir Ende 1985 ca. 28.000 Wohnungen verwaltet haben und heute ca. 51.600 Wohnungen. Das ist schon ein schönes Gefühl, wenn man sich dafür verantwortlich zeigen durfte, dass man 50.000 Wienerinnen und Wiener in 23.600 Wohnungen glücklich machen konnte und ihnen eigene vier Wände verschafft hat.

 

GBV-aktuell: Welche Leuchtturmprojekte waren da dabei?

Wilhelm Zechner: Zunächst natürlich das Wohnmodell „interethnische Nachbarschaft“ im 23. Bezirk. Da wurden im Mai 2000 das Projekt an Menschen aus 22 Nationen übergeben die seitdem friedlich miteinander leben. (mehr Details hier)

Ein anderer Meilenstein waren mit Sicherheit die Massivholzbauten. Da haben wir ein vierstöckiges Haus 2005 in der Spöttlgasse/Floridsdorf fertiggestellt und 2013 noch getoppt mit einem sechsgeschossigen Holzbau in der Wagramer Straße/Donaustadt.  (mehr Details hier)

Und der größte Erfolg, den ich betreuen durfte war natürlich die Seestadt Aspern, wo wir 1.600 Wohnungen gebaut haben und die SOZIALBAU AG als Projektsteuerer mit 9 Bauträgern und 13 Architekten aufgetreten sind. (mehr Details hier)

 

GBV-aktuell: Eines ihrer größten Projekte war die von ihnen gerade angesprochene Seestadt Aspern. Was waren und sind für Sie die größten Herausforderungen bei diesem gigantischen Projekt?

Wilhelm Zechner: Es war insofern eine große Herausforderung, da es anfänglich immer wieder Unkenrufe gab, weil die neuen Modalitäten des Finanzierungssystems in Frage gestellt wurden. Alle die damals gesagt haben, „das werden wir uns genau anschauen“ durften zur Kenntnis nehmen, dass sich Projekte der Wohnbauinitiative qualitativ in keinster Weise hinter jenen des Bauträgerwettbewerbs befanden. Denn das war der große Unterschied: Wir haben die Qualitätssicherung nicht über einen Wettbewerb gemacht, sondern über ein minutiös ausgearbeitetes Kooperationsprogramm. Alle Planer aller Bauträger haben von Beginn genau gewusst, dass sie nicht nur den Bauplan von ihrem eigenen Projekt zu bewältigen, sondern auch Bauplatz-übergreifend zu denken haben. Das war für die Qualität sehr zuträglich und eine tolle Gschicht‘. 

 

GBV-aktuell: Ein Blick in die Zukunft. Wohin glauben Sie werden die Entwicklungen im Wohnbau  in den nächsten zehn Jahren gehen? Was sind die Trends am heimischen Wohnungsmarkt?

Wilhelm Zechner: Was die Zukunft betrifft, stimmen mich zwei Punkte besonders sorgenvoll. Zunächst die Rolle der gewerblichen Wohnbauträger. Eine Stadt mit zwei Millionen Einwohnern wie Wien braucht eine Vielfalt - dafür bin ich immer eingetreten. Aber wenn man einen Vergleich aufstellt, wieviel Anteil der soziale Wohnbau an den Neubauten vor der Wirtschaftskrise in Wien hatte und wieviel heute, dann stellen wir folgendes fest: Vor der Wirtschaftskrise wurden 70 Prozent der Neubauten vom gemeinnützigen und geförderten Wohnbau geleistet. 2016 hatten wir 60 Prozent Neubauleistung von gewerblichen Wohnbauträgern und nur noch einen 40 Prozent Anteil gemeinnützigen/geförderter Wohnbaus. Das ist ein Phänomen was nicht nur auf Wien, sondern auf alle Ballungszentren in Österreich zutrifft. 

 

GBV-aktuell: Und die zweite Sorge? 

Wilhelm Zechner: Das ist die Überhitzung des Marktes und die damit einhergehende Auswirkungen auf die Baupreise. Bei Generalunternehmern gibt es kein Überangebot mehr an sich bewerbenden Firmen. Es gibt nur eine bestimmte Anzahl an Fliesenlegern, Fenster-Firmen, Trockenleger-Firmen etc. Das wird immer schwieriger und das schlägt sich auch bei den Angeboten nieder. Da fehlen uns langsam die Ideen, wie man diese wirklich großen Differenzen „handeln“ kann um auf die Zielwerte zu kommen.

 

GBV-aktuell: Sie haben in diesem Jahr bei einem Pressegespräch den für Aufsehen erregten Satz gesagt: „Wir können die Nachfrage bei weitem nicht bedienen". Wie viele Wohnungen müssten aus ihrer Sicht in Wien gebaut werden, damit die Nachfrage nach leistbaren Wohnungen bedient werden kann?

Wilhelm Zechner: Vor allem müsste man Grundstücke, die in der Zuständigkeit der öffentlichen Hand liegen zur Verfügung stellen. Es gibt viele Personen wie Bauarbeiter oder Handelsangestellte, die sich am freifinanzierten Wohnungsmarkt nicht mehr bedienen können. Sie sind angewiesen auf geförderten Wohnbau. 2012 hat Stadtrat Ludwig den SMART-Wohnungsbau eingeführt. Es gibt klar definierte Obergrenzen von max. EUR 60,-/m² Finanzierungsbeitrag und max. EUR 7,50/m² Kaltmiete. Da gibt es aber viele Menschen die auch das nicht aufbringen können. Wir sind vermehrt in die Rolle des kommunalen Wohnbaus getreten – was jetzt wieder besser werden soll. Aber wenn wir die Quantitäten anschauen, die die Gemeinde momentan plant, dann sehen wir: Sie können bei weitem nicht die Nachfrage bedienen. 

 

GBV-aktuell: Sie waren über viele Jahre auch in der Landesgruppe Wien und in der Delegiertenversammlung des Verbandes der Gemeinnützigen tätig. Was sind für Sie die besonderen Merkmale der Gemeinnützigen? Welche Bedeutung haben die gemeinnützigen Bauträger aus Ihrer Sicht für Österreich?

Wilhelm Zechner: Gemeinnütziger Wohnbau ist leistbarer Wohnbau für Generationen. Die Woh-nungsgemeinnützigkeit ist ein hohes Gut, das auch in der Zukunft unverzichtbar ist. Wenn man sich anschaut, dass jeder Vierte Österreicher in einem gemeinnützigen Wohnbau wohnt, ist das eine tolle Leistung, die gemeinnützige Wohnbauträger über Jahrzehnte sichergestellt haben. Sie sind es, die für Familienwohnungen sorgen. Das war in der Vergangenheit so und das werden auch in der Zukunft eher die Gemeinnützigen sein. Denn wo der Gewerbliche Wohnungsmarkt hingeht, sehen wir schon in anderen europäischen Ballungszentren. Dort kostet dann eine 20m² Wohnung über EUR 1.000,-. Und das hat à la longue auch gesellschaftspolitische Auswirkungen.

 

GBV-aktuell:  Gibt es etwas, was Sie ihrem Nachfolger Josef Ostermayer mit auf dem Weg geben möchten?

Wilhelm Zechner: Herr Dr. Ostermayer ist aus meiner Sicht der ideale Nachfolger für die SOZIALBAU AG, weil er große Vorkenntnisse mitbringt. Er war jahrelang bei der Mietervereinigung und Geschäftsführer beim Wohnfonds Wien. Er kennt all diese komplexen Zusammenhänge des geförderten/gemeinnützigen Wohnbaus und er ist ein erdverbundenener Mensch. Er ist am 01.11. 2016 zu uns gekommen und die Monate die wir zusammen arbeiten durften habe ich gemerkt, dass er ähnlich denkt wie ich. Er sieht genauso wie ich, dass die Stellung der gemeinnützigen Wohnbauträger besser werden muss als sie momentan ist. Denn der Wohnbau darf nicht den freien Kräften des Marktes überlassen werden. Da ist die Politik gefordert – keine Frage.

 

GBV-aktuell:  Zum Abschluss bleibt noch die Frage nach Ihren Zukunftsplänen: Sie waren nun über viele Jahre ein höchst beschäftigter Mann. Auf was freuen Sie sich nun am Meisten?

Wilhelm Zechner: Mehr Zeit für die Familie, die Gattin, das Haus und den Garten. Endlich meinen Hobbys nachzugehen und das nicht nur am Wochenende. Wieder mit dem Rucksack durch die Natur ziehen. Also es gibt vieles aufzuholen und ich freue mich schon auf diesen neuen Lebensabschnitt.

 

GBV-aktuell:  Es sei Ihnen vergönnt, Herr Zechner. Wir bedanken uns für Ihre Zeit und wünschen Ihnen viel Freude im neuen Lebensabschnitt.