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Wie der Neubau Wien verändert

Die Kopplung vieler Mietverträge an den Verbraucherpreisindex hat bei der aktuellen hohen Inflation zu teils drastischen Mieterhöhungen geführt. Zu beachten ist allerdings, dass bereits vor dieser aktuellen Zuspitzung die Leistbarkeit von Wohnraum für immer mehr Menschen zum Problem geworden ist, insbesondere in Wien. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der Studie „Wohnbauboom in Wien 2018-2021“ von besonderer Relevanz. Die Studie, die im Auftrag der AK Wien durchgeführt wurde, bietet erstmals eine differenzierte Analyse der aktuellen Neubautätigkeit und gibt Einblick, wie dadurch der städtische Wohnungsmarkt verändert wird.

Der Aufstieg von freifinanzierten, gewerblichen Wohnungen
Der Wohnungsneubau hat sich im letzten Jahrzehnt in Wien äußerst dynamisch entwickelt (Abbildung 1). Auffallend an diesem „Boom“ ist das zunehmende Gewicht von freifinanzierten Wohnungen, die überwiegend von gewerblichen Wohnbauträgern errichtet werden. Von den rund 58.000 erfassten Wohneinheiten im Untersuchungszeitraum 2018-2021 wurden etwa 38.000 freifinanziert. Veranschaulichen lässt sich dieser Strukturwandel durch folgende Zahlen. Während im Jahr 1994 auf eine freifinanzierte Wohnung noch 7,3 geförderte Wohnungen kamen, waren es 2017 nur mehr 0,7 geförderte Wohnungen. 

Abbildung 1: Geförderter Neubau (Förderungszusicherungen) und freifinanzierter Neubau (Bewilligungen) in Wien (1992-2018)

Quelle: BMF(div. Jahre); Statistik Austria (2021a)

Gewerbliche Bauträger bauen neben freifinanzierten Eigentumswohnungen (etwa 20.000) zunehmend auch Mietwohnungen, wobei von diesen rund 16.500 Mietwohnungen wiederum ein Viertel mit Fördermitteln errichtet wurde. Aus Sicht der langfristigen Sicherung von leistbarem Wohnraum ist diese Entwicklung problematisch, denn nach Ablauf der Förderungsperiode entfällt im Gegensatz zu GBVs die Mietpreisregulierung. Damit entspricht diese Förderung der Logik einer „sozialen Zwischennutzung“ (1) und reduziert die Effizienz der öffentlichen Fördermittel. 

Der Beitrag der gemeinnützigen Bauträger zur Wohnraumschaffung ist vor allem durch die Errichtung geförderter Mietwohnungen charakterisiert: 7 von 10 Wohnungen wurden als geförderte Mietwohnung gebaut. Beachtenswert ist allerdings, dass etwa ein Viertel der gemeinnützigen Neubauleistung auf freifinanzierte Eigentumswohnungen entfällt.

Gemeinnützige Projekte werden eher am Stadtrand gebaut
Die räumliche Verteilung gemeinnütziger und gewerblicher Projekte unterscheidet sich deutlich (Abbildung 2). Neben vielen kleinen, gleichmäßig über den Stadtraum verteilten gewerblichen Projekten, sind große gewerbliche Projekte ebenfalls in den Stadterweiterungsgebieten sowie im 2. und 3. Bezirk zu finden. Neubauprojekte von gemeinnützigen Bauträgern sind im Schnitt größer und finden sich vorrangig in den äußeren Bezirken bzw. sind auf wenige Erweiterungsgebiete außerhalb des Gürtels konzentriert (z.B. Nordbahnviertel, Sonnwendviertel, Seestadt. Hohe Bodenpreise und geringe innerstädtische Flächenverfügbarkeit sind mutmaßlich zentrale Faktoren für dieses räumliche Muster. 

Abbildung 16: Verortung der Projekte nach Bauträgertyp

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Exploreal 2020 und Wien.gv.at

Leistbarkeit der neu errichteten Wohnungen 
Neben den räumlichen Unterschieden zeigt sich insbesondere eine große Divergenz bei den Mietpreisen, denn die Mieten im freifinanzierten Neubau liegen deutlich über dem geförderten Neubau sowie den Bestandsmieten. Die Netto-Angebotsmieten für freifinanzierte Mietwohnungen streuten in der Untersuchungsperiode zwischen 11,7 und 12,9 € je m² (Abbildung 3). Damit waren sie im Durchschnitt doppelt so hoch wie jene von geförderten Wohneinheiten, die zwischen 5 und 6 € je m² lagen. 

Abbildung 27: m2-Mieten geförderter und freifinanzierter Wohneinheiten nach Jahren (Mittelwert, 2018-2021*)

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Exploreal 2020

Auch die Angebotspreise für freifinanzierte Eigentumswohnungen lagen mit rund 6.100 Euro (2021) je m² auf einem Niveau, dass für eine Vierköpfige Familie mit Durchschnittseinkommen unleistbar ist. Nach Berechnungen der AK würde allein die Hälfte des verfügbaren Haushalteinkommens (56.200 Euro) für die Kreditrückzahlung anfallen. 

Internationale Investoren entdecken Wien
Wer fragt also die gebauten freifinanzierten Wohnungen nach? Neben wohlhabenderen österreichischen SelbstnutzerInnen und KleinanlegerInnen sind dies zunehmend große Investoren, die nicht einzelnen Wohnungen, sondern ganze Projekte erwerben und dann entweder weiterverkaufen oder zur Miete anbieten. Knapp 10.600 Wohneinheiten bzw. 18% der Neubauleistung wurden zwischen 2018 und 2021 von Investoren gekauft. 

Die Käufer dieser Investorenprojekte sind stark internationalisiert und finanzmarktnah. Mehr als zwei Fünftel aller Investorenkäufe wurde über nicht-österreichische Unternehmen, vor allem aus Deutschland, Luxemburg und den USA getätigt. Dieser Anteil steigt auf 57%, wenn man den tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer berücksichtigt. Der Großteil dieser Investoren weist auch eine Nähe zum Finanzmarkt auf – sie stehen für rund 8.000 Wohneinheiten bzw. 75% aller Investoren-Käufe.

Wie der Neubau den Wohnungsmarkt verändert
Aufgrund fehlender administrativer Daten und eingehender Untersuchungen gab es zum Wohnungsneubauboom der letzten Jahre in Wien bis dato kaum belastbare Erkenntnisse. Basierend auf einer innovativen Verknüpfung der Bauträgerdatenbank von Exploreal mit unterschiedlichen administrativen Daten, Unternehmensregistern und weiteren Marktdaten bietet die Studie erstmals differenzierte Befunde entlang relevanter Dimensionen. Die Ergebnisse sind deutlich: eine starke Zunahme freifinanzierter Projekte, eine Verschiebung gemeinnütziger Bauvorhaben und damit auch preiswerter Wohnungen an den Stadtrand, sowie eine zunehmende Relevanz von Investoren im Käufersegment. Klar ist, dass der Neubau den Wohnungsmarkt aufgrund seines begrenzten Umfangs im Vergleich zum Gesamtmarkt nur schrittweise beeinflusst. Die Entwicklungen der letzten Jahre deuten nichtsdestotrotz darauf hin, dass sich der Wohnungsbau, und damit auch seine Auswirkungen auf die Stadtentwicklung, in einem deutlichen Umbruch befinden.  

Link zur Studie: https://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/image/AC16538332/1/LOG_0003/ 

1: Donner 2000

 

Leonhard Plank, Antonia Schneider, Justin Kadi