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Tirols neuer Wohnbaulandesrat

GBV-aktuell: Sie haben Ihre Wurzeln in der Gewerkschaftsbewegung und bringen langjährige Erfahrung als ÖGB-Vorsitzender mit. Wie prägt dieser Hintergrund Ihre wohnpolitischen Entscheidungen in Tirol?


LR Philip Wohlgemuth: Meine Erfahrungen in der Gewerkschaftsbewegung haben mir eines besonders deutlich gemacht: Leistbares Wohnen ist eine zentrale soziale Frage unserer Zeit. Wer Vollzeit arbeitet, muss sich eine angemessene Wohnung leisten können – das ist für mich ein Grundsatz. Es geht mir aber auch darum, Lebensrealitäten ernst zu nehmen und konkrete Entlastungen für die Menschen zu schaffen – von Jung bis Alt. 


GBV-aktuell: Tirol steht beim leistbaren Wohnen vor besonderen Herausforderungen – vor allem in den Ballungsräumen und Tourismusregionen. Was unterscheidet die Tiroler Situation von anderen Bundesländern?


LR Philip Wohlgemuth: Tirol ist stark von topografischen Gegebenheiten geprägt – viele Täler, wenig verfügbare Fläche und ein hoher Nutzungsdruck. Das unterscheidet uns deutlich von flächenmäßig großzügigeren Bundesländern. Zudem sind in Tourismusregionen Wohnungsmärkte häufig stark von Zweitwohnsitzen und gewerblichen Interessen beeinflusst. Diese Mischung führt zu sehr spezifischen Herausforderungen, was die Verfügbarkeit und Leistbarkeit von Wohnraum betrifft. Umso wichtiger ist ein starker, gemeinnütziger Wohnbau, der nicht spekulativen Interessen folgt.


GBV-aktuell: Sie sind für den Wohnbau zuständig, beschäftigen sich aber seit langem auch intensiv mit Arbeitsmarktthemen und deren Verbindung zum Wohnbau. Sehen Sie in diesen beiden Bereichen also inhaltliche Synergien?


LR Philip Wohlgemuth: Absolut. Wohnen und Arbeiten sind zwei zentrale Säulen der sozialen Daseinsvorsorge. Leistbarer Wohnraum ist oft eine Voraussetzung dafür, ob Menschen in einer Region bleiben oder sich dort ansiedeln – insbesondere in Ballungsräumen und Tourismusregionen mit angespannten Wohnungsmärkten. Dabei setzen wir bewusst nicht auf groß dimensionierte Personalhäuser, sondern auf integrierte, gemeinwohlorientierte Wohnlösungen. Unser Ziel ist es, leistbaren Wohnraum zu fördern, der Teil lebendiger Gemeinden ist und allen offensteht – auch jenen, die in systemrelevanten oder saisonalen Berufen arbeiten. So schaffen wir echte Lebensqualität – durch ein gutes Zusammenspiel von Wohn- und Arbeitswelt.


GBV-aktuell: Ihr Vorgänger Georg Dornauer hat stark auf den Neubau von leistbarem Wohnraum gesetzt. Wird dieser Kurs unter Ihrer Führung fortgesetzt – oder setzen Sie andere Schwerpunkte?


LR Philip Wohlgemuth: Der Weg meines Vorgängers war richtig, und ich werde ihn konsequent weitergehen. Der Neubau bleibt ein zentrales wohnpolitisches Instrument, denn nur durch zusätzliche Wohnungen können wir dem Druck am Markt nachhaltig begegnen. Gleichzeitig werde ich aber auch bestehende Fördermodelle evaluieren, Leerstandsthemen stärker in den Blick nehmen und bestehende Strukturen weiterentwickeln. Wir brauchen ein Gesamtpaket – Neubau, Sanierung, Mobilisierung von Flächen – mit klar sozialem Fokus.


GBV-aktuell: Kürzlich haben Sie sich mit Vertreter:innen des gemeinnützigen Wohnbaus in Tirol getroffen. Was waren Ihre wichtigsten Eindrücke oder Erkenntnisse aus diesem Austausch?


LR Philip Wohlgemuth: Der Austausch war sehr wertvoll und hat mir noch einmal bestätigt, wie engagiert und lösungsorientiert die gemeinnützigen Bauträger in Tirol arbeiten. Wir haben über aktuelle Hürden gesprochen, etwa im Zusammenhang mit steigenden Baukosten oder der budgetär angespannten Situation vom Bund abwärts bis in einzelne Gemeinden. Es war ein konstruktives Gespräch, das für die weitere Zusammenarbeit eine wichtige Grundlage bildet.


GBV-aktuell: Welche Rolle spielt für Sie der gemeinnützige Wohnbau, wenn es darum geht, sozialen Ausgleich zu schaffen und dem Wohnungsmarkt langfristig Stabilität zu geben?


LR Philip Wohlgemuth: Der gemeinnützige Wohnbau ist ein zentrales Instrument für sozialen Ausgleich. Er schafft nicht nur leistbaren Wohnraum, sondern wirkt auch dämpfend auf den Gesamtmarkt – und das dauerhaft. Diese Stabilität ist enorm wichtig, gerade in einer Zeit, in der Wohnraum vielerorts zur Ware geworden ist. Gemeinnützige Bauträger bauen für die Menschen, nicht für den Profit – das verdient politischen Rückhalt und langfristige Planungssicherheit.


GBV-aktuell: Gibt es bereits konkrete Maßnahmen oder Projekte, mit denen Sie in Ihrer neuen Funktion leistbares Wohnen in Tirol fördern möchten – insbesondere für junge Menschen und Familien?


LR Philip Wohlgemuth: Im Rahmen unserer Frühjahrsklausur haben wir in der Tiroler Landesregierung den weiteren Fahrplan für die kommenden Jahre im Bereich des Wohnens festgelegt. Aufbauend auf den Empfehlungen der Wohnbedarfsstudie und bestehenden Initiativen werden zusätzliche Maßnahmen in den Bereichen Wohnbau, Raumordnung und Grundverkehr umgesetzt. Konkret: Es wird Wohnraum mobilisiert, Spekulation verhindert, bedarfsgerecht gebaut und gezielt unterstützt werden. Es gilt, alle vorhandenen Instrumente wirkungsvoll zusammenzuführen und dafür auch neue, bisher noch nicht betretene Wege zu gehen. Mit der neuen ‚Servicestelle Wohnen‘ schaffen wir beispielsweise eine zentrale Struktur, die alle Kräfte bündelt, um Gemeinden konkret bei der Schaffung von leistbarem Wohnraum zu unterstützen. Nur gemeinsam – Land Tirol, Gemeinden und Bauträger – können wir den Wohnraum sichern, den Tirol braucht.