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Neue Lösungsansätze gegen städtische Überhitzung

Sommer in Wien – im Gegensatz zu den großteils negativen Wahrnehmungen der kalten Wintermonate schießen uns hier oft erstmal angenehme Bilder von Schwimmbädern und Eistüten in den Kopf. Doch dass die Hitze vor allem in städtischen Gebieten zu einem größeren Problem wird, hören, lesen und spüren wir zunehmend. Das hat viele Gründe: Einerseits hat sich der gesamte Alpenraum und somit auch Österreich in den vergangenen Jahrzehnten etwa doppelt so stark erwärmt wie die Welt im Durchschnitt (alleine zwischen 1980 und 2010 um ca. 1°C im Vergleich zu ca. 0,5°C global (APCC, 2014)). Auch die Anzahl an einzelnen Hitzetagen über 30°C und sogenannten tropischen Nächten über 20°C nimmt stetig zu. Treten diese aneinandergereiht als Hitzewelle auf, setzt das unserem Körper aufgrund der fehlenden Erholungspausen besonders zu. In Großstädten wie Wien sind diese Auswirkungen der Klimakrise am deutlichsten spürbar. Beton und Autos speichern tagsüber Wärme und geben diese über Nacht wieder ab. Kühlung durch Grünflächen und Windschneisen wirken nicht in allen Stadtgebieten gleichermaßen. Es bilden sich ‚Urbane Hitzeinseln‘, die in Zentraleuropa um 8-12°C Grad wärmer sind als grünere Gebiete in der Umgebung (Schwaab et al. 2021).

Sämtliche Klimamodelle sagen weitere Temperaturerhöhungen und somit eine Verschärfung der Problematik in der Zukunft vorher. Doch bereits gegenwärtig betrifft die Hitze in der Stadt manche gesellschaftlichen Gruppen stärker als andere. Ältere Menschen und Kleinkinder sind in der Regel vulnerabel, ebenso Menschen mit chronischen oder psychischen Erkrankungen. Auch sozioökonomische Faktoren können eine große Rolle spielen, wenn Menschen beispielsweise am Arbeitsplatz oder in der eigenen Wohnung überdurchschnittlich von Hitze betroffen sind. Die eigene Anpassungsfähigkeit hängt zudem auch vom Einkommen und anderen verfügbaren Ressourcen ab (Stichworte Zweitwohnsitz am Land und Zeit für Ausflüge ins nächste Naherholungsgebiet). Nie vergessen werden darf dabei die Frage der Verantwortung für die Klimakrise. Denn immerhin verursacht in Österreich eine Person im reichsten Einkommenszehntel im Durchschnitt mehr als 12-mal so viele Treibhausgase wie eine Person im ärmsten Einkommenszehntel (World Inequality Lab 2022).

Viele Maßnahmen gegen Hitze in der Stadt liegen auf der Hand: Mehr Parks und grünere Straßen, weniger Autoverkehr, bessere Isolation von Gebäuden. All das sollte mit einem Fokus auf die Gebiete in Wien umgesetzt werden, in denen sowohl die Temperaturen als auch die sozioökonomische Vulnerabilität hoch sind. Im Forschungsprojekt Urban Heat Equality arbeitet ein interdisziplinäres Team der BOKU und TU Wien aktuell an der Identifizierung und tiefergehenden Erforschung dieser Gebiete. Einzelne Betroffene können zudem von hitzebezogenen Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Arbeitnehmer:innenschutz profitieren. Einige derartige Maßnahmen finden sich im letztjährig erschienenen Hitzeaktionsplan der Stadt Wien und werden hoffentlich zeitnahe umgesetzt. Ebenfalls Anlass zur Hoffnung geben einzelne Initiativen und Projekte auf Bezirksebene, teilweise von den Bewohner:innen der Stadt Wien selbst im Rahmen des Wiener Klimateams erarbeitet.

Weniger im Fokus stehen oft Maßnahmen im Umgang mit Hitzestress, die in Zusammenhang mit sozialen Netzwerken und Beziehungen stehen. Im bereits abgeschlossenen Forschungsprojekt COOLCITY des Instituts für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik (BOKU) wurden gemeinsam mit betroffenen Personen eine Reihe solcher Maßnahmen entwickelt. Dazu zählen vor allem Aktivitäten und Programme zur Vernetzung in der Nachbarschaft, damit diese Knotenpunkt von gegenseitiger Unterstützung und dem Teilen von Tipps zur Anpassung werden kann. Für den Austausch bedarf es selbstverständlich allgemein zugänglicher konsumfreier Räume drinnen und draußen. Der Wunsch nach Gemeinschaftsgärten, grünen Dächern, offenen Innenhöfen und kühlen Gemeinschaftsräumen wurde dabei als Appell an den zeitgemäßen sozialen Wohnbau geäußert. Im Laufe des Projekts wurde daher auch auf inhaltlichen Austausch und die Diskussion dieser Vorschläge mit Vertreter:innen der Wien-Süd und des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen Wert gelegt. Ein derartiger transdisziplinärer Forschungsansatz zielte auf ein umfassenderes Problemverständnis und eine höhere Praxisrelevanz der Ergebnisse für diverse Entscheidungsträger:innen ab.

Als gemeinnützige Bau- und Wohnungsgenossenschaft hat sich die Wien-Süd gerne an COOLCITY beteiligt, da die Überhitzung der Städte für sie wesentlich in der Projektentwicklung ist. So werden bei der Umsetzung der Bauvorhaben seit Jahrzehnten Gemeinschaftsräume und Begegnungsflächen miteinbezogen. Seit dem ersten großvolumigen Projekt, die gemeinsam mit dem Architekten Harry Glück geplante und 1994 übergebene Engerthstraße 257 in Wien Leopoldstadt, wurden bei fast allen Mehrgeschoßbauten die Dachflächen als Begegnungszonen ausgestaltet. Anfangs mit Pools, seit einigen Jahren auch zusätzlich mit modellierter Dachbegrünung und Hochbeeten für Urban Gardening. Ebendiese Begegnungsflächen tragen dazu bei, dass sich unterschiedlichste soziale Schichten begegnen. Durch diese soziale Durchmischung wird die Hausgemeinschaft – bei großen Stadtquartieren mit mehreren Bauträgern auch bauplatzübergreifend – gestärkt, wodurch einer ‚Vereinsamung in Gemeinschaft‘ entgegengewirkt werden kann.

Durch die gehobenen Standards, die kompakte Bauweise und die Integration in bestehende Infrastrukturen im Bereich des geförderten gemeinnützigen Wohnbaus kann auch der motorisierte Individualverkehr eingedämmt werden. Ebenso ist vertikale, geschossübergreifende und den Gebäuden vorgelagerte Begrünung ein wesentlicher Faktor für das Mikroklima. Natürlich kann der gemeinnützige Wohnbau die Folgen der Klimakatastrophe nicht alleine abfangen – dazu bedarf es eines umfassenden Mix aus Maßnahmen. Aber er kann einen nicht zu unterschätzenden Beitrag sowohl im urbanen als auch im ländlichen Bereich leisten. Auch der Einbezug von erneuerbarer Energie (Stichwort Photovoltaik) und Dämmungsmaßnahmen sind Ansätze gegen Überhitzung. Daher hat die Wien-Süd seit mehr als drei Jahrzehnten eine Vorreiterrolle eingenommen und immer wieder mit Institutionen wie der BOKU zusammengearbeitet. Derartige Forschungskooperationen bieten nicht nur den notwendigen Praxistest für die Universitäten, sondern liefern auch wertvolle Erkenntnisse für die gemeinnützige Branche. Es geht dabei natürlich immer um das übergeordnete Ziel der Schaffung von leistbarem und sozialem Lebensraum. Im rein freifinanzierten privaten Wohnbau werden derartige Ansätze vor dem Hintergrund der Profitmaximierung leider nicht priorisiert.

Autoreninfo:

Max Muhr forscht am Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik an der Universität für Bodenkultur Wien in den Projekten COOLCITY und Urban Heat Equality am Thema urbane Hitze aus den Perspektiven sozialer Ungleichheit und Umweltgerechtigkeit. An der Universität für angewandte Kunst Wien beschäftigt er sich außerdem mit partizipativen Formaten und Methoden an der Schnittstelle Wissenschaft-Kunst-Gesellschaft.

Gerald Anetzhuber ist bei der gemeinnützigen Bau- und Wohnungsgenossenschaft „Wien-Süd“ verantwortlich für Medien, Öffentlichkeitsarbeit und Sonderprojekte. Als Vertreter der Genossenschaft brachte er in das Projekt COOLCITY ein, welchen wesentlichen Beitrag gemeinnütziger, sozialer Wohnbau leisten kann, um den Folgen der Klimakrise entgegenzutreten.