Land der Äcker? Verwaltungsrecht und Bodenverbrauch
In der Klima- und Biodiversitätskrise wird der Umgang mit der Ressource Boden immer wichtiger. Auch wenn es bislang keine gesamtösterreichische Bodenstrategie gibt, rückt die Erhaltung und Wiederherstellung natürlicher und naturnaher Flächen nicht zuletzt aufgrund europäischer Vorgaben (Stichwort: „Renaturierungsgesetz“) in den Fokus. Dafür ist die Raumplanung entscheidend. Eine gesamthafte planmäßige Steuerung des Bodenverbrauchs in Österreich erfordert angesichts der zersplitterten Kompetenzlage aber eine Koordinierung der Gebietskörperschaften untereinander. Zwar ist die Eindämmung des Bodenverbrauchs auch von Verfassungs wegen geboten, der Gestaltungsspielraum bleibt aber groß. Potenziell gegenläufige öffentliche Interessen – zB leistbarer Wohnraum, Förderung erneuerbarer Energien oder die Nachhaltigkeit der Haushaltsführung – müssen mit dem Bodenschutz abgewogen werden.
Eine Reduktion des Bodenverbrauchs kann durch weniger Bauland- und Verkehrsflächenwidmungen erreicht werden. Daher haben die für die örtliche Raumplanung zuständigen Gemeinden eine zentrale Stellung, auch wenn zunehmend Bodenschutzvorgaben in die Raumordnungsgesetze integriert werden und eine stärkere überörtliche Planung erkennbar ist. Maßnahmen wie Beschränkungszonen für Freizeitwohnsitze, landwirtschaftliche Vorrangflächen oder Verpflichtungen zur Mehrgeschoßigkeit sollen den Bodenverbrauch reduzieren. Gleiches gilt für die Befristung von Baulandwidmungen oder die Vertragsraumordnung zur Mobilisierung des „Baulandüberhangs“. Auch durch Maßnahmen gegen Bodenverschmutzung und durch die Förderung von Mehrfachnutzung/Flächenrecycling kann neuer Bodenverbrauch verringert werden.
Zwar sind auch außerhalb dieser Instrumente Um- bzw Rückwidmungen möglich, es gibt aber keinen einklagbaren Anspruch auf eine bodenschonende Planung. Umgekehrt können Maßnahmen zur Reduktion des Bodenverbrauchs als Grundrechtseingriffe rechtfertigungsbedürftig sein und gegebenenfalls eine angemessene Entschädigung erfordern. Bestehende Baulandwidmungen wieder zurückzunehmen ist also schwierig und wegen der langen Regenerationszeit von Böden sind einer Entsiegelung auch faktisch Grenzen gesetzt. Durch vorausschauende Planung sollte zusätzlicher Flächenverbrauch daher von vorneherein möglichst beschränkt werden. Diskussionswürdig wäre auch die Einführung eines Handels mit Flächenzertifikaten.
Bodenverbrauch kann aber auch durch Eingriffsverwaltung gesteuert werden. Anlagen oder schadstoffbezogene Maßnahmen zur Sicherung der Bodenqualität führen mittelbar zu einer Reduktion des Flächenverbrauchs. Verwaltungsrechtliche Ge- und Verbote knüpfen aber teilweise auch direkt am Flächenverbrauch an. Man denke zB an forst-, naturschutz- oder baurechtliche Bewilligungspflichten, oder an die künftigen produktbezogenen Vorgaben nach der EU-Entwaldungs-Verordnung. Boden und Fläche zählen außerdem zu den Schutzgütern in der Umweltverträglichkeitsprüfung.
Schließlich lässt sich Bodenverbrauch auch durch Anreize steuern, wie sie durch Förderungen, etwa der landwirtschaftlichen Bodennutzung oder der Sanierung von Wohngebäuden gesetzt werden. Auch finanzielle Belastungen wie Leerstands- bzw Erhaltungsabgaben oder potenzielle Flächenverbrauchssteuern hätten eine bodenschützende Anreizwirkung. Umgekehrt begünstigen Förderungen von Neubauten einen Bodenverbrauch. Solche dem Bodenschutz zuwiderlaufende Anreizwirkungen bestehen auch für die planenden Rechtsträger: Denn die derzeitige Ausgestaltung insbesondere der Grundsteuer, der Kommunalsteuer sowie der Bodenwertabgabe schafft finanzielle Anreize für Gemeinden, land- und forstwirtschaftliche Flächen in Bauland umzuwidmen.
Der Schutz der Ressource Boden erfordert im Ergebnis also eine Kombination verschiedener Steuerungsinstrumente und -ebenen. Dabei spielt das Verwaltungsrecht eine entscheidende Rolle: Durch Planung, Ge- und Verbote sowie durch Anreize kann Bodenverbrauch gesteuert wer-den.
Autorin: Claudia Wutscher
Claudia Wutscher ist Professorin am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien
Dieser kurze Gastbeitrag beruht auf einem umfassenderen wissenschaftlichen Fachbeitrag der Verfasserin, der im Journal für Rechtspolitik 2024, 3-16 erschienen ist.