Gemeinnützige Bauvereinigungen als Stabilitätsanker in Zeiten steigender Finanzmarktinstabilität
Im aktuellen Financial Stability Report (Nr. 48) der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) untersucht diese die systemischen Risiken der Wohnimmobilienfinanzierung hinsichtlich Finanzmarktstabilität und hebt darin die positive Rolle von Gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) hervor. Seit der Globalen Finanz- und Wirtschaftskrise stehen Kreditvergaben zur Wohnimmobilienfinanzierung im verstärkten Fokus der Finanzmarktbeobachtung. Angesichts der sich trübenden gesamtwirtschaftlichen Lage und der einsetzenden Abwärtsbewegung von Immobilienpreisen steigen auch die systemischen Risiken durch mögliche Kreditausfälle für die Finanzmarktstabilität in Österreich.
Bei der 42. Tagung des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSB) im Oktober 2024 wurde daher seitens der ÖNB die Empfehlung an die Finanzmarktaufsicht für einen zusätzlichen sektoralen Kapitalpuffer von 1% per Juli 2025 ausgesprochen (für die ÖNACE Sektoren M.68 Grundstücks- und Wohnungswesen, F.41 Hochbau und F.43 Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe). Da gemeinnützige Bauvereinigungen aufgrund ihrer deutlich geringeren Ausfallwahrscheinlichkeit kein systemisches Risiko darstellen, empfiehlt die ÖNB, diese aus dem Anwendungsbereich des zusätzlichen sektoralen Kapitalpuffers auszunehmen. Zusätzliche Kapitalpuffer, d.h. eine zusätzliche Eigenkapitalhinterlegung seitens der Banken, geht in den meisten Fällen auch mit höheren Zinsen für die Kreditnehmer einher. Nicht zuletzt deshalb ist die vorgeschlagene Ausnahme für GBV-Finanzierungen wichtig.
Die ÖNB weist bei den Finanzierungen von gemeinnützigen Projekten keine notleidenden Kredite (non-performing loans) aus, während der Anteil im gewerblichen Sektor derzeit bei 3,7% liegt. Auch die Eigenkapitalausstattung und Liquidität von GBVs ist deutlich besser als jene von gewerblichen Bauträgern. Der mit Risiko behaftete Effekt des „negative equity“ (also der Wertverlust einer Immobilie unter den ausstehenden Kreditwert) stellt im gewerblichen Sektor angesichts der sinkenden Immobilienpreise zunehmend ein Problem dar. Im gemeinnützigen Sektor ist laut ÖNB auch dieses Risiko gegen Null gehend.
Die ÖNB kommt demnach zum Schluss, dass in einem Szenario einer sehr schlechten makroökonomischen Entwicklung ein beträchtliches Kreditausfallrisiko besteht, welches jedoch im Modell der ÖNB zu 98% dem gewerblichen Immobiliensektor zuzurechnen ist. Die Rolle von GBVs wird explizit als risikomindernd dargestellt. Es ist sogar so, dass in dem Modell der ÖNB jene Banken mit einem hohen Anteil an GBV-Finanzierungen im Durchschnitt geringere Verluste hätten.
Wohnungsgemeinnützigkeit als Risiko- und Konsumentenschutz
Der ÖNB Bericht stellt den Gemeinnützigen jedoch nicht nur ein positives Zeugnis aus, sondern der Bericht macht auch deutlich, dass bei der Risikoanalyse von Wohnungsmärkten der gemeinnützige Sektor getrennt betrachtet werden muss. Die kostendeckende Entgeltbildung verhindert nämlich die Spekulation und beugt Risiko in zweierlei Hinsicht vor. Einerseits dienen die Kostenmieten dem Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner von GBV-Mietwohnungen, indem Leistbarkeit und Stabilität langfristig gesichert sind und sind damit als Konsumentenschutz zu sehen. Spekulative Preiserwartungen und Mietvertragsbefristungen wie sie im gewerblichen Sektor vorherrschen führen demgegenüber zu höheren Ausfallrisiken für den Bankensektor.
Die kostendeckende Berechnung der Entgelte stellt aber andererseits auch sicher, dass jedes einzelne Objekt wirtschaftlich nachhaltig ist und die Bankkredite auch über die Mieteinnahmen bedient werden können. Aufgrund der Leistbarkeit im gemeinnützigen Sektor ist aber nicht nur das Risiko für Banken vernachlässigbar. Auch Zahlungsschwierigkeiten seitens der Mieterinnen und Mieter treten deutlich seltener auf als im hochpreisigen gewerblichen Sektor. Das drückt sich auch durch wesentlich geringere Leerstandsraten im gemeinnützigen Sektor aus, die in erster Linie durch Wohnungswechsel und Sanierungen entstehen.
Die fiskalische Relevanz der Risikominderung durch Gemeinnützige am Wohnungsmarkt
Stabilität am Wohnungs- und Finanzmarkt leistet aber auch einen wichtigen Beitrag zur Minderung der fiskalischen Risiken von Banken (und somit für die SteuerzahlerInnen). Insofern zielt die Verpflichtungen zur Kapitalhinterlegung der Banken nicht nur darauf ab, die Resilienz der Banken im Falle von Krisen zu stärken, sondern auch um „Kosten von Bankenkrisen innerhalb des Sektors zu internalisierten und nicht auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler [zu] überzuwälzen“, wie es die ÖNB formuliert. Laut ÖNB verursachte die Finanzkrise (2008/2009) in Österreich fiskalische Kosten in einer Größenordnung von rund 10 Mrd. EUR bzw. 3 % des BIP1.
Gemeinnützige Bauvereinigungen spielen hier insofern eine wichtige Rolle, als sie auch in Zeiten der stark gestiegenen Immobilienpreise ein breites Angebot an leistbaren Mietwohnungen für eine breite Bevölkerung bereitstellen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen es ein solches Angebot nicht gibt, müssen sich Haushalte in Österreich nicht hoch verschulden, um leistbar und sicher wohnen zu können2. Das führt wiederum dazu, dass nur jene Haushalte Immobilienkredite aufnehmen, die diese auch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zurückbezahlen können. Insofern ist der gemeinnützige Wohnbau auch aus fiskalischer und makroprudenzieller Sicht ein stabilisierender Faktor im Finanzsystem.
Die Originalzitate des ÖNB Berichts mit GBV-Bezug und weiter Neuerungen hinsichtlich Finanzmarktstabilität mit Relevanz für GBVs können Sie hier nachlesen.
Verfasser: Gerald Kössl, Wohnwirtschaftliches Referat
1https://www.oenb.at/finanzmarkt/makroprudenzielle-aufsicht.html
2“Austria has a well-developed housing rental market with a high share of nonprofit providers, and Austrian borrowers tend to have high incomes and wealth by international standards” (ÖNB Financial Stability Report 2022, S. 13)