Forderungen des Verbandes an eine neue Bundesregierung
Der Österreichischer Verband Gemeinnütziger Bauvereinigungen – Revisionsverband hat sich Mitte November an die Koalitionsverhandlerinnen und -verhandler mit dringenden Forderungen für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft gewandt. Denn die stark gestiegenen Immobilienpreise, die hohen Baupreise und die gestiegenen Kapitalmarktzinsen bringen bei gleichzeitig rückläufiger Wohnbauförderung die Immobilien- und Bauwirtschaft zum Erliegen. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen Österreichs können ein wesentlicher Hebel der Problembewältigung sein, allerdings bedarf es dafür dringend entsprechender Maßnahmen und wesentlicher Veränderungen der Rahmenbedingungen. Eine Investitionsoffensive in den geförderten Wohnbau hat also sowohl eine kontrazyklische als auch eine arbeitsplatzsichernde Wirkung und positive Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte, die weit über den Bausektor hinausgehen. GBVs können ein starker Partner der Politik, ein zuverlässiger Auftraggeber der Bauwirtschaft, ein sicherer Partner der Banken und ein maßgeblicher Garant des Wohlstandes und der Zufriedenheit der österreichischen Bevölkerung sein. Eine neue Bundesregierung ist aus Verbandssicht dringend gefordert in Abstimmung mit den Bundesländern, in folgenden Problemfeldern Maßnahmen zu setzen:
Massive Anhebung der Wohnbauförderung
Die österreichische Wohnbauförderung, die mit vergleichsweise niedrigen Staatsausgaben einen hohen Output und volkswirtschaftlichen Mehrwert erzielt, ist erodiert. Während die Wohnbauförderungsausgaben der öffentlichen Hand nach der Jahrtausendwende noch bei jährlich bis zu 3 Milliarden Euro (und somit bei rd. 1,4 % des Bruttoinlandsprodukts) lagen, ist die Wohnbauförderung 2023 auf unter 2,2 Milliarden Euro und somit auf rund 0,5 % des Bruttoinlandsproduktes gefallen. Im Durchschnitt der Jahre 2021 bis 2023 machten die Rückflüsse aus früheren Wohnbauförderdarlehen 1,23 Milliarden Euro aus, die Einnahmen aus den Wohnbauförderungsbeiträgen weitere 1,32 Milliarden Euro, in Summe sohin 2,55 Milliarden Euro. Dies steht in einem Ungleichverhältnis zu den im Durchschnitt der Jahre 2021 bis 2023 von den Ländern in Summe verausgabten Wohnbauförderungsmitteln in der Höhe von 1,97 Milliarden Euro. Weder die Wohnbauförderungsbeiträge noch die Rückflüsse aus den Wohnbauförderungsdarlehen sind derzeit zweckgebunden. Die Zeiten günstiger Kapitalmarktzinsen sind vorbei, nunmehr muss die öffentliche Hand die gemeinnützigen Wohnbauträger wieder in die Lage versetzen, zinsgünstige Wohnbaufördermittel vermehrt an Stelle hochverzinster Kapitalmarktdarlehen in Anspruch nehmen zu können. Es bedarf daher der
Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsbeiträge und der Darlehensrückflüsse und einer nachhaltigen jährlichen zweckgebundenen Wohnbaumilliarde aus dem Bundesbudget für den Neubau von leistbarem Wohnraum.
Neubauten sollen ab 2028 emissionsfrei sein, bei Bestandsgebäuden soll der Energieverbrauch im Sinne des Klimaschutzes Schritt für Schritt gesenkt werden. Der hohe Förderbedarf zur Umsetzung der Dekarbonisierungs-Erfordernisse in allen österreichischen Gebäuden kann nicht Aufgabe der Wohnbauförderungen der Länder sein. Es braucht daher unabhängig von der Wohnbauförderung eine
neue Förderschiene des Bundes für die Dekarbonisierung,
die ohne lokale und regionale Differenzierung den privaten, gewerblichen und gemeinnützigen Eigentümern die Erreichung der eminent wichtigen Zielsetzungen des Klimaschutzes ermöglicht und damit die Wohnbauförderung der Länder maßgeblich entlastet. Die öffentliche Hand muss Mittel für den gesamten Immobilienbestand bereitstellen, sodass Finanzierungen in jenem Umfang möglich sind, um die Vorgaben der Europäischen Union auch erfüllen zu können.
Aber die Einrichtung eines entsprechend dotierten Bundesfördertopfes mit einem für das ganze Bundesgebiet einheitlichen Förderungsregime für Bestandssanierung und Energieumstieg sowie eine Klärung der Kostenaufteilung zwischen öffentlicher Hand, Eigentümern und Mietern wird zur Umsetzung der EU-Vorgaben bis 2050 voraussichtlich nicht ausreichen. Es bedarf daher entsprechender
wohnzivilrechtlicher Maßnahmen
insbesondere in den Rechtsbereichen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes bzw. des Mietrechtsgesetzes und des Wohnungseigentumsgesetzes.
Durch das 3. MILG wurden und werden der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft auf 20 Jahre gerechnet rd. € 3,1 Mrd. an Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen für die Bestandssanierung und -verbesserung – insbesondere auch im Hinblick auf die erforderliche Dekarbonisierung – entzogen. Für diesen Einschnitt ist ein
adäquater Ausgleich dringend erforderlich.
Im Hinblick auf die durch OGH-Entscheidungen ausgelösten Rechtsunsicherheiten betreffend mietvertragliche Wertsicherungsvereinbarungen ist die Herstellung von
Rechtssicherheit bei den mietvertraglichen Wertsicherungsvereinbarungen in allen Bereichen des Wohnrechts notwendig.
Daneben sind in den unmittelbar für gemeinnützige Bauvereinigungen maßgeblichen Regelungen
im Sinne der effizienten Aufgabenerfüllung Adaptierungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes erforderlich.
Die gemeinnützigen Bauvereinigungen befürworten die Reglementierung und Optimierung des Bodenverbrauchs, die aber gleichzeitig mit einer
Stärkung des mehrgeschossigen (geförderten) Wohnbaus einhergehen muss.
Die Schaffung von ökologisch hochwertigem und nachhaltigem Wohnraum ist ein maßgeblicher Beitrag zur Energiewende, weshalb
geförderter Wohnbau als Vorhaben der Energiewende (iSd UVP-G) einzustufen ist.
Das dadurch ausdrücklich zugestandene öffentliche Interesse ist bei materiengesetzlich verlangten Interessensabwägungen entsprechend zu berücksichtigen. Von der Möglichkeit, die
aufschiebende Wirkung von Bescheiden im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren auszuschließen,
wird in verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelmäßig kein Gebrauch gemacht. So können auch Einwendungen, die lediglich verhältnismäßig geringfügige Rechtswidrigkeiten behaupten, die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens erschüttern und deren zeitliche Umsetzung bis in die Unfinanzierbarkeit treiben. Die Regelung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, wonach die Behörde die aufschiebende Wirkung von genehmigenden Bescheiden unter bestimmten Voraussetzungen auszuschließen hat (§ 17a UVP-G), sollte daher in das AVG übernommen werden.
Im Bereich des Beschwerdeverfahrensrechtes auf Bundesebene wird die
Gleichschaltung der einschlägigen Verfahrensvorschriften des VwGVG mit den Bestimmungen des § 14 UVP-Gesetzes
angeregt, um die Verschleppung von Verfahren durch ständig neue Vorbringen bzw. durch die Streckung von Prozessvorbringen zu verhindern.
Um eine ausgewogenere Verhältnismäßigkeit zwischen potenzieller Rechtswidrigkeit des bekämpften baubehördlichen Bescheides und den finanziellen Nachteilen eines jahrelangen Stillstands bzw. Baustopps zu erreichen, sollte die Möglichkeit zur Auferlegung von Ausgleichszahlungen zugunsten des beeinträchtigten Beschwerdeführers geschaffen werden. Im geförderten Wohnbau sollte rechtlich ausdrücklich ein öffentliches Interesse im Sinne der gebotenen Interessensabwägung vor Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zugestanden werden.
Die rund 180 gemeinnützigen Bauvereinigungen Österreichs sind Unternehmen, die Wohnungen für breite Kreise der Bevölkerung zur Verfügung stellen. Sie tun dies nicht in gewinnmaximierender, sondern in gemeinwohlorientierter Weise. Ihre Geschäftstätigkeit ist durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und dessen Verordnungen reguliert. Sie verwalten derzeit circa 1 Mio. Wohnungen, davon rund 660.000 eigene Miet- und Genossenschaftswohnungen.
Das internationale Erfolgsmodell der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft bringt Mieterinnen und Mietern gemäß Statistik Austria (Mikrozensus 2023) eine Durchschnittsmiete von 8,10 Euro brutto, diese liegt damit um 27 % unter der gewerblichen Brutto-Durchschnittsmiete von 11,10 Euro. Im Neubau ist der Mietvorteil sogar noch höher. Das System der Wohnungsgemeinnützigkeit bedeutet für deren Mieter eine jährliche Ersparnis von 1,2 Milliarden Euro, auch die unregulierten Mieten sind aufgrund des Wettbewerbs um durchschnittlich rund 5 % günstiger, als dies ohne GBVs der Fall wäre.
In Zeiten stagnierender gewerblicher Bautätigkeit und gestiegener Darlehenszinsen könnten die Wohnungsgemeinnützigkeit und die Wohnbauförderung bei Erfüllung unseres Forderungspapiers ihre Stärken ausspielen und das jahrzehntelang etablierte Zusammenspiel zwischen den Systemen Wohnbauförderung und Wohnungsgemeinnützigkeit wäre der ideale Hebel, um der anhaltenden Rezession entgegenzuwirken. Die richtigen Rahmenbedingungen sind entscheidend für die Fortsetzung des österreichischen wohnungs-, wirtschafts-, arbeitsmarktpolitischen und damit gesellschaftspolitischen Erfolgsmodells. Wir ersuchen um Ihre wohlwollende Unterstützung.
ÖSTERREICHISCHER VERBAND GEMEINNÜTZIGER
BAUVEREINIGUNGEN - REVISIONSVERBAND
Dr. Klaus Baringer e.h. b DI Herwig Pernsteiner e.h.
Verbandsobmann Verbandsobmann-Stellvertreter