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Fernkälte im Vormarsch

2024 war in Österreich der heißeste Sommer der 257-jährigen Messgeschichte. Es war im Mittel um 1,8 Grad wärmer als in einem durchschnittlichen Jahr der Klimaperiode 1991 bis 2020. Dementsprechend rückt das Bedürfnis nach Kühle immer mehr in den Fokus – vor allem in den Gebäuden. Eine relativ neue und noch wenig eingesetzte Möglichkeit der Kühlung ist die Fernkälte. Doch Fernkälte wächst: 2024 ist der Absatz um fast 16 % gestiegen.

Was ist Fernkälte
Fernkälte ist ein energieeffizientes System zur Versorgung von Gebäuden mit Kälte für die Raumklimatisierung. Ähnlich wie bei der Fernwärme wird Energie über ein Rohrleitungssystem transportiert – jedoch in Form von Kälte anstelle von Wärme. Statt viele einzelne Klimageräte zu betreiben, übernimmt eine Kältezentrale die Kühlung, wodurch Betriebskosten, Energieverbrauch und Emissionen gesenkt werden können. Für Fernkälte wird neben Strom Abwärme verwendet, die aus der Verbrennung von Müll und aus Kraft-Wärme-Kopplungen von Kraftwerken kommt. Neben elektrisch betriebenen Kältemaschinen kommen häufig auch Absorptionskältemaschinen zum Einsatz, die mit Fernwärme betrieben werden. Dieses Verfahren nutzt die im Sommer weniger ausgelasteten Fernwärmenetze und entlastet gleichzeitig das Stromnetz in Zeiten hoher Klimaanlagenlasten. Zentrale Kältemaschinen in Fernkältezentralen erzeugen kaltes Wasser mit Temperaturen von etwa 4 bis 6 °C. Dieses sogenannte Kälteträgermedium wird durch ein gut isoliertes Rohrleitungssystem zu den angeschlossenen Gebäuden geleitet. Dort entzieht es über Wärmetauscher der Umgebungsluft die Wärme, wodurch das Wasser auf etwa 12 °C erwärmt zurück zur Kältezentrale fließt und der Kreislauf beginnt erneut. Gegenüber herkömmlichen Klimaanlagen ist dadurch vier bis zehn Mal weniger Primärenergie nötig. Ebenso viel spart das an CO₂. Außerdem ist eine Fernkälte-Großanlage wesentlich effizienter als viele kleine Klimageräte.

Ausbau in Österreich
Während es in Chemnitz bereits seit 1973 ein Fernkältenetz gibt, ist Fernkälte in Österreich seit 2009 am Markt. In dieser Zeit hat sich der Verkauf von rund 25 GWh auf zuletzt 237,2 GWh mehr als verzehnfacht. 2024 ist die Gesamtlänge des heimischen Fernkältenetzes um 3,1 Kilometer auf mittlerweile insgesamt 42,6 Kilometer gewachsen. Der Schwerpunkt der Kälteversorgung in Österreich liegt bisher vor allem in Wien – genauer gesagt im Gebiet innerhalb des Gürtels. Es werden aktuell schwerpunktmäßig große Gebäude wie die Universität Wien, das Allgemeine Krankenhaus, das Parlament, das Rathaus oder die Wiener Staatsoper gekühlt.
In den Landeshauptstädte Linz und St. Pölten sind ebenfalls bereits erste Fernkältenetze in Betrieb und Bregenz steht vor dem Start. Dort kommt ein besonders umweltfreundliches Verfahren zum Einsatz – das sogenannte „Free Cooling“ mit Wasser aus dem Bodensee, das über Kältetauscher direkt zur Gebäudekühlung genutzt wird. Dadurch werden keine energieintensiven Maschinen eingesetzt. Ab 2026 soll Fernkälte in Klagenfurt ans Netz gehen und ab 2030 soll auch in Graz Fernkälte verfügbar sein.

Kritikpunkte
Trotz vieler Vorteile bringt Fernkälte auch Herausforderungen mit sich: Die Anfangsinvestitionen sind hoch (Zentrale Kältemaschinen, Rohrleitungen etc.), die Planung, Dimensionierung und Steuerung eines Fernkältesystems ist technisch anspruchsvoll, man ist abhängig von zentralen Maschinen und die Wirtschaftlichkeit ist in Gebieten mit geringer Bebauungsdichte oder schwankendem Kältebedarf nicht gegeben.

Autor: Dr. Klaus Bichler