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Europäischer Zinsabwärtstrend läuft aus

Seit Donald Trump als US-Präsident die globalen Wirtschaftsregeln neu schreibt, haben die Konjunktur- und Inflationsaussichten deutlich an Konturen verloren. Die Unberechenbarkeit in der Zollpolitik hat die ganze Welt erfasst. Die Europäische Union hat mit einem Zollsatz von 15% ihrer Exporte in die USA (ausgenommen Stahl und Aluminium mit 50%) noch einen vergleichsweise moderaten „Deal“ mit Donald Trump „ausverhandelt“, oder besser akzeptiert. Die EU beabsichtigt, die Zölle auf sämtliche US-Industriegüter abzuschaffen. 
Alleine diese unterschiedliche Vorgehensweise wird unterschiedliche Wachstums- und Inflationstrends auslösen. Während in den USA der Arbeitsmarkt seit dem Frühjahr die BIP-Abkühlung eindeutig signalisiert, sind die amerikanischen Inflationsraten schon am Weg nach oben. Dagegen ist die europäische Konjunktur – auch aufgrund einer noch rückläufigen Bauwirtschaft – nur mit minimalem Wachstum (2.Quartal 2025 +0,1%) charakterisiert, während die Teuerung sich leicht über dem 2%-Inflationsziel (August +2,1%) befindet. 


Trumps Zollwirren haben die US-Notenbank Federal Reserve den im Vorjahr eingeleiteten Zinssenkungstrend unterbrechen lassen. Fed-Chef Jerome Powell hat sich von Trumps Drohungen nicht beeinflussen lassen und die Inflationsentwicklung abgewartet. Doch die Fed hat auch das Ziel möglichst hoher Beschäftigung. Da der Arbeitsmarkt schwächelt, dürfte damit in den USA der Zinssenkungstrend bis zum ersten Halbjahr 2026 wieder aufgenommen werden.


In der Eurozone deuten die Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2026 auf leichte Erholung. Zwar bleiben die strukturellen Probleme der industriellen Transformation mit dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und überbordender Bürokratie bestehen, aber die hohen Fiskalprogramme in Verteidigung und Infrastruktur geben einen vorübergehenden Schub. In dieser Phase der expansiven Fiskalpolitik mit weiter steigenden Schuldenständen und anhaltend hohen Budgetdefiziten wird der Zinssenkungsspielraum der Europäischen Zentralbank EZB spürbar eingeengt. Dazu kommt noch, dass die Inflationsrate sich noch immer leicht über dem Zielwert von 2% hält. Die Kernrate – also die Teuerung ohne Energie, Nahrungsmittel und Tabak – befindet sich mit 2,3 % hartnäckig darüber. Und ohne Energie, die derzeit 2% unter dem Vorjahr die Gesamtrate nach unten drückt, wäre der Anstieg der Verbraucherpreise sogar 2,5% gegenüber dem Vorjahr. Da die EZB traditionell die Energie und Nahrungsmittelpreise als von ihr nicht beeinflussbar zumeist ignoriert und daher der Kernrate hohes Augenmerk schenkt, dürfte der Leitzinssenkungstrend ins Stocken geraten. Nach achtmaligen Leitzinsabsenkungen hintereinander hat die EZB beim Juli-Termin erstmals die Wartetaste gedrückt. Und Zuwarten dürfte in absehbarer Zeit auch die Mehrheit im EZB-Rat präferieren. Grund dafür sind die nach wie vor hohen Steigerungsraten bei den Dienstleistungspreisen von über 3%, die durch hohe Lohnabschlüsse und ausbleibendes Produktivitätswachstum befeuert werden.


Die Teilnehmer am Finanzmarkt schwanken zu Herbstbeginn zwischen noch einer möglichen Zinssenkung in den kommenden 3-6 Monaten und keiner mehr. Der 3Monats-Euribor pendelt sich jetzt minimal über der 2% Marke ein, der 12Monats-Euribor bei 2,18%. Selbst bei noch einer künftigen Zinssenkung der EZB dürften die Geldmarktsätze nur noch maximal 10 bis 15 Basispunkte Abwärtspotenzial haben. Im Vergleich dazu sind die Kapitalmarktzinsen seit einem Jahr sogar leicht angestiegen. Dabei haben die Swap-Sätze nur geringfügig zugelegt, während die Staatsanleiherenditen doch um 20-30 Basispunkte über dem Sommer 2024 liegen. Der Grund ist einfach: Die überbordenden Budgetdefizite mit ihren Sonderfinanzierungsrahmen bei Verteidigung und Infrastruktur bedeuten hohe Kapitalnachfrage am Anleihemarkt. Da dies auch für die Benchmark Deutschland gilt, ist dies auch für alle anderen Euroländer, so auch Österreich, maßgeblich. Somit dürfte sich die Benchmark-Rendite für 10jährige Bund zwischen 2,5 und 3,0% in den nächsten 6-12 Monaten bewegen, österreichische Renditen etwa 30-40 Basispunkte höher. Bei den 10jährigen Swap-Sätzen ist das Zinsniveau mit 2,62% aktuell fast dem deutschen Bund entsprechend. Eine Parallelbewegung daher künftig plausibel. 


Da die Zinskurve nunmehr schon deutlich normal geneigt ist, also kurze Laufzeiten niedriger verzinst sind als längere, macht es auf absehbare Zeit wieder Sinn, vorerst variable Konditionen den höheren Fixzinsen vorzuziehen.

Verfasser: Peter Brezinschek, Chefökonom derBörsianer