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EU: Neues Emissionsziel und Einigung zur EU-Gebäuderichtlinie

Am 6. Februar wurde von der EU-Kommission ein neues Zwischenziel auf dem Weg zur klimaneutralen EU verkündet: Bis 2040 sollen um 90 Prozent weniger Treibhausgase emittiert werden im Vergleich zu 1990. Bisher gab es nur das Zwischenziel von minus 55 Prozent bis 2030. Weiterhin gilt das Zieldatum 2050 für eine „bilanziell“ klimaneutrale EU, was bedeutet, dass nicht mehr CO2 Emissionen ausgestoßen als gebunden werden. Mit der neuen Messlatte für 2040 sollen die Mitgliedsstaaten angehalten werden, ihre Anstrengungen zur Emissionsreduktion zu erhöhen. Österreich hat sich allerdings das Ziel der Klimaneutralität schon für das Jahr 2040 gesetzt.   


Für den Gebäudebereich die wohl wichtigste EU-Rechtsvorschrift, mit der dieses Ziel verfolgt wird, ist die EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden – EPBD).  Wie jede EU-Richtlinie muss sie in nationales Recht umgesetzt werden, in diesem Fall sind das v.a. die Bauordnungen der Bundesländer. 


Bereits seit 2021 wird an einer grundlegenden Novelle der EPBD gearbeitet mit dem Ziel, die Gebäuderichtlinie zu einem legislativen „Werkzeug“ des Europäischen Grünen Deals zu machen und den Gebäudebestand bis zum Jahr 2050 in Null-Emissions-Gebäude zu transformieren. (siehe der GBV-aktuell Beitrag von April 2023). Zuletzt lagen die Positionen von Rat und Parlament deutlich auseinander. Nun liegt eine vorläufige politische Einigung zwischen Rat, Kommission und Parlament vor. Diese Einigung bedarf noch einer juristischen Bereinigung sowie der formellen Zustimmung der EU-Organe, es sind aber keine wesentlichen Änderungen mehr zu erwarten. Je nach Betrachtungsweise ist die aktuelle Fassung nun eine „entschärfte“ oder eine „aufgeweichte“ Richtlinie, jedenfalls aber eine, die den Gestaltungsspielraum und die unterschiedlichen Ausgangspositionen der Mitgliedsstaaten stärker berücksichtigt. 


Die wesentlichen Inhalte der Einigung zur Gebäuderichtlinie vom 7. Dezember 2023 sind:

 

Stufenweise Reduktion des End-Energiebedarfs, aber keine Mindestenergiestandards für Wohngebäude

Der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten Wohngebäudebestands soll bis 2030 um 16% und bis 2035 um 20-22% gesenkt werden. 55% der Energieeinsparungen müssen durch die Renovierung der 43 % energieineffizientesten Gebäude in einem Mitgliedstaat erreicht werden. Mit welchen Umsetzungsschritten diese Ziele erreicht werden soll, bleibt allerdings den Mitgliedsstaaten überlassen. Die umstrittenen Mindestenergieeffizienzstandards (MEPS), die eine Renovierungspflicht für sämtliche ineffizienten Gebäude bedeutet hätten, sind nur mehr für Nichtwohngebäude vorgesehen.

 

Nullemissionsstandard im Neubau ab 2030, im Bestand bis 2050

Ab 2030 müssen alle Neubauten den Standard „Zero Emission Building“ (Nullemissionsstandard) entsprechen, das bedeutet, dass sie bei insgesamt niedrigem Energieverbrauch keine Emissionen aus fossilen Brennstoffen mehr verursachen dürfen. Für öffentliche Gebäude soll dieser Standard bereits ab 2028 gelten. Sofern technisch und wirtschaftlich möglich, müssen außerdem schrittweise Solarenergieanlagen auf Nichtwohngebäude (ab 2027) und in allen neuen Wohngebäuden ab 2030 installiert werden. Das ambitionierte Ziel, bis 2050 den gesamten Gebäudebestand auf Nullemissionsstandard umzubauen, bleibt bestehen.

 

Dekarbonisierung fossiler Heizsysteme

Die EU-Mitgliedstaaten werden aufgefordert, einen Dekarbonisierungspfad mit konkreten Maßnahmen zur Dekarbonisierung fossiler Heizsysteme zu entwickeln. Ab 2025 dürfen fossile Heizsysteme nicht mehr gefördert werden, ab 2040 soll der Betrieb fossiler Heizkessel im Bestand eingestellt werden. Ausnahmen gibt es allerdings für hybride Systeme, etwa Gasboiler in Verbindung mit Wärmepumpe. 

 

Keine Neudefinition und EU-weite Harmonisierung der Energieausweise

Die angedachte grundlegende Neuskalierung der Energieausweis-Klassen entfällt, es wird lediglich eine neue A+ Klasse hinzugefügt für Gebäude mit höchster Energieeffizienz, welche mehr erneuerbare Energie am Standort erzeugen, als sie verbrauchen (Plus-Energie-Standard).

 

Nationale Maßnahmen zum Anschub einer neuen Renovierungswelle

Auf nationaler Ebene sollen mehrere Maßnahmen ergriffen werden, um die Sanierungsquote zu erhöhen: Gebäuderenovierungspläne, die die nationale Strategie für die Dekarbonisierung des Gebäudebestands enthalten und aufzeigen, wie verbleibende Hindernisse beseitigt werden können. Gebäuderenovierungspässe sollen Gebäudeeigentümer bei der stufenweisen Renovierung bis hin zu Nullemissionsgebäuden unterstützen. One-Stop-Shops sollen Eigenheimbesitzern und allen Akteuren in der Wertschöpfungskette Unterstützung und Beratung bieten. 

 

Nachhaltige Mobilität

Die EPBD umfasst auch Regelungen, um die nachhaltige Mobilität inkl. E-Mobilität zu fördern. Die Vorverkabelung (anstelle einer bloßen Leerverrohrung) für E-Ladestationen wird zur Norm für neue und sanierte Gebäude. Darüber hinaus soll die Anzahl der Ladepunkte und der Fahrradabstellplätze (2 pro Wohneinheit) erhöht werden. Die Mitgliedstaaten müssen auch Hindernisse für die Installation von Ladestationen beseitigen, um sicherzustellen, dass das „Right to plug“ Wirklichkeit wird.

 

Vorläufiges Resümee aus Sicht der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft 

Die Novelle der EU-Gebäuderichtlinie sieht ein ambitioniertes Programm zum Umbau des Gebäudebestands bis 2050 vor, welches zur Erreichung der EU-Klimaziele erforderlich ist. Gegenüber den Entwürfen des Parlaments und der Kommission zeichnet sich die (noch nicht beschlossene) Novelle jedoch durch eine differenziertere Vorgangsweise aus, weshalb sie aus den Reihen der sozialen und genossenschaftlichen Wohnbauverbände in Europa überwiegend positiv beurteilt wird.


Der Entfall der Mindestenergiestandards für Wohngebäude vergrößert den Spielraum der Mitgliedsstaaten und anerkennt, dass es verschiedene Wege zur Erreichung der Einsparungsziele gibt. Die Renovierungsinvestitionen müssen nicht mehr ausschließlich auf die schlechtesten Gebäude gerichtet werden, was den Eigentümern größerer Gebäudebestände erlaubt, objektübergreifende Quartiers- und Portfoliolösungen zu wählen – zumindest sofern die nationale Umsetzung des EPBD dies auch ermöglichen wird. Für die österreichischen GBVs, deren Bestände überwiegend nicht zu den Gebäuden der schlechtesten Energieeffizienz gehören, ist dies grundsätzlich von Vorteil, allerdings wird es von der konkreten nationalen Umsetzung abhängen, wie stark die verschiedenen Gebäudesektoren in die Pflicht genommen werden bzw. wie sehr sie von den entsprechenden Förderprogrammen profitieren werden können.


Auch der Entfall der Neudefinition der Energieeffizienzklassen (im Energieausweis) ist eine Erleichterung, da diese einen hohen Zusatzaufwand und tendenziell einen Nachteil für jene Länder gebracht hätten, die bisher schon in Bezug auf Sanierungsrate und Gebäude-Energieeffizienz relativ gut performt haben. Dennoch wäre es wichtig, die österreichweite Energieausweis-Datenbank für den Gebäudebestand zu vervollständigen und deren Daten für Analyse und Planung zugänglich zu machen.


Die auch früher schon geäußerte Sorge um Kapazitätsprobleme in den vorgelagerten Märkten für Gebäudesanierung und erneuerbarer Energie bleibt aufrecht, wenn auch leicht gemildert. Lieferverzögerungen, Preissteigerungen und mangelnde Verfügbarkeit von Professionistinnen und Professionisten kennzeichneten schon 2022/2023 die Märkte u.a. für Dämmstoffe, Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen. Die Verpflichtung zur Sanierung und Dekarbonisierung großer Gebäudebestände innerhalb weniger Jahre wird den Nachfragedruck weiter verstärken. Darauf sollte nicht nur mit (notwendigen) Förderprogrammen reagiert werden, sondern jedenfalls auch mit einer Ausbildungsoffensive für einschlägige Fachkräfte sowie mit Marktanreizen zur Erhöhung der Angebotsvielfalt.


Die den Mitgliedsstaaten auferlegte Verpflichtung zur Entwicklung eines Phase-out-Plans für fossile Brennstoffe kann für Österreich als Aufforderung zu einem „EWG 2.0“, also einem neuen Erneuerbare-Wärme-Gesetz aufgefasst werden. Das geplante EWG sah ja einen solchen Phase-out-Plan für den Gebäudebestand vor, es wurde aber schließlich nur in reduzierter Fassung und ohne Verpflichtungen in Bezug auf den Gebäudebestand beschlossen. Dass gemäß EPBD-Entwurf bis 2025 hingegen fossile Heizsysteme noch gefördert werden dürfen, selbige aber spätestens 2040 gar nicht mehr betrieben werden dürfen, erscheint verwunderlich und kontraproduktiv. Hier ist Österreich schon weiter: Seit mehreren Jahren kennt keine Wohnbauförderung eines Bundeslandes mehr eine Förderung fossiler Heizsysteme. Mit der EU-Verpflichtung zum schrittweisen Austausch bzw. der Stilllegung aller fossiler Heizsysteme wird schließlich auch wieder die vom Verband mehrfach geäußerte Forderung nach wohnzivilrechtlichen Begleitmaßnahmen an Dringlichkeit gewinnen. 


Die auf nationaler Ebene zu forcierenden Gebäuderenovierungspässe können die Sanierungsplanung innerhalb eines Gebäudeportfolios unterstützen und erleichtern, die Maßnahmen zeitlich und inhaltlich zu optimieren. Zweifellos erhöhen sie aber auch die Dokumentationspflicht für Gebäudeeigentümer, was zu Mehrkosten führen wird. Die Auswirkungen werden von der konkreten Ausgestaltung auf nationaler Ebene abhängen.


Nachhaltigkeit und die Verpflichtung der nächsten Generation gegenüber gehören zur DNA und zum Geschäftsmodell der gemeinnützigen Bauvereinigungen, weshalb sie die Dekarbonisierung auch zu einer Top-Priorität erklärt haben. Die Investitionskosten zur Umsetzung eines klimaneutralen Gebäudebestands werden hoch sein, die Kosten des Nichthandelns wären langfristig jedoch noch höher. Der große Umbau des Gebäudebestands, wie ihn die EU-Gebäuderichtlinie vorzeichnet, ist alternativlos. Es gilt jedoch in der Ausgestaltung der nationalen Umsetzung darauf zu achten, dass alle Sektoren und Akteure in fairer Weise daran beteiligt werden und gemeinnützige Bauvereinigungen weiterhin ihrer Kernaufgabe nachkommen können, für breite Bevölkerungsgruppen leistbaren Wohn- und Lebensraum bereitstellen zu können. 


Oder, wie Housing Europe, die europäische Dachorganisation der sozialen Wohnbauträger, es in einer Stellungnahme zum Ausdruck bringt: 


„Der Elefant steht noch immer im Raum. Jetzt ist es an der Zeit, große Investitionen anzulocken, welche nicht nur in der Lage sind, die Gebäudesanierung voranzutreiben, sondern gleichzeitig sozialen Nutzen für die Menschen und ihre Nachbarschaften bringen. Als Vorreiter bei der Dekarbonisierung haben soziale Wohnbauträger die besten Vorzeigebeispiele für den Umbau des Gebäudebestands unter Wahrung der sozialen Gerechtigkeit und Leistbarkeit. Sie werden jedoch dringend finanzielle Unterstützung benötigen, um den Dekarbonisierungspfad fortsetzen und beschleunigen zu können.“ (Housing Europe 2023, eigene Übersetzung und Kürzung)

 

Autorin: Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald

Quellen und weiterführende Informationen:


Housing Europe, Stellungnahme zur EPBD-Einigung vom 11.12.2023: Hier
GDW Europabrief 12/2023: Hier
VÖWG-Infosheet vom 13.12.2023
Europäisches Parlament, Information über den Prozess zur Revision der EPBD: Hier