Die Variabilität und das gesetzesunmittelbare Anpassungsrecht des Entgelts im WGG

In den letzten Wochen und Monaten sorgte das Thema „Wertsicherungsklauseln“ medial für Einiges an Aufregung. Wenig ist hingegen bekannt über das gesetzesunmittelbare Entgeltanpassungsrecht im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), was dazu geführt hat, dass es hierzu auch etliche Fehlinformationen gegeben hat. Dies wird zum Anlass genommen, in diesem Beitrag die Entgeltbildung sowie das gesetzesunmittelbare Entgeltanpassungsrecht im WGG am Beispiel des kostendeckenden Entgelts darzustellen.
Wohnen zählt zu den zentralen Grundbedürfnissen des Menschen. Die Versorgung der Bevölkerung mit quantitativ und qualitativ ausreichend leistbarem Wohnraum zählt zu den wichtigsten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen. In Österreich herrscht Grundkonsens, dass der Staat im Interesse der Allgemeinheit dafür Sorge zu tragen hat, dass quer durch alle Bevölkerungsschichten der Zugang zu entsprechendem Wohnraum sichergestellt ist. Gemeinnützigen Bauvereinigungen und den von ihnen errichteten Wohnungen kommt für den österreichischen Wohnungsmarkt eine besondere Bedeutung zu, denn rund ein Viertel aller Haushalte in Österreich lebt in einer Wohnung, die von einer gemeinnützigen Bauvereinigung vermietet oder verwaltet wird.
Der Geschäftsbetrieb gemeinnütziger Bauvereinigungen unterliegt dem Regime des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG). Für die Überlassung von Wohnungen, die von gemeinnützigen Bauvereinigungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung errichtet worden sind, dürfen gemeinnützige Bauvereinigungen mit ihren Mietern ein „angemessenes“ Entgelt vereinbaren1. Das WGG ordnet in seinen Entgeltbildungs- und -berechnungsbestimmungen grundsätzlich die Bildung dieses „angemessenen Entgelts“ unter Zugrundelegung des dem WGG inhärenten tragenden Prinzips der Kostendeckung an2.
Die Entgeltbestandteile des laufenden Entgelts
Aus Anlass des Mietvertragsabschlusses wird meistens ein Finanzierungsbeitrag/Einmalbetrag geleistet. Die GBV hat darüber hinaus zur Finanzierung der nach Abzug der von den Mietern geleisteten Finanzierungsbeiträgen ungedeckten Kosten der Herstellung der Wohnhausanlage eigenes oder fremdes Kapital (Darlehen zur Finanzierung der Errichtungskosten) aufzunehmen. Der bei Anmietung geleistete Finanzierungsbeitrag dient primär der Verringerung des laufenden Wohnaufwands des Mieters. Denn die Tilgung der nach Abzug des Finanzierungsbeitrags ungedeckten Herstellungskosten, für welche eigenes Kapital der GBV oder fremdes Kapital aufgenommen werden muss, ist im Rahmen des laufenden Entgelts durch die Finanzierungskomponenten nach § 14 Abs 1 – 4 WGG zu decken und vom Mieter laufend zu bezahlen3. Beim laufenden „angemessenen“, am Kostendeckungsprinzip orientierten WGG-Entgelt sind neben den Entgeltkomponenten nach § 14 Abs 1- 4 WGG, die der Refinanzierung der Herstellungskosten dienen, auch ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag4 (Z 5), ein Betrag zur Deckung der Verwaltungskosten (Z 6) und der Betriebskosten, öffentlichen Abgaben und der Kosten von Gemeinschaftseinrichtungen (Z 7), ein Rücklagenbeitrag (Z 8) und die Umsatzsteuer – diese auch für die Versteuerung der Verwohnung des Finanzierungsbeitrags – in Anschlag zu bringen.
Das laufende Entgelt mit seinen in § 14 Abs 1 Z 1 bis 9 WGG angeführten, während der Mietdauer variablen5 Entgeltkomponenten sowie der vom Mieter geleistete monatlich verwohnte Finanzierungsbeitrag ergeben sodann in Summe das „angemessene“ Entgelt nach § 13 Abs 1 WGG.
Was besagt das Kostendeckungsprinzip?
Das Kostendeckungsprinzip ist neben der Geschäftskreisregelung, den abgaben- und steuerrechtlichen Begünstigungen und der Vermögensbindung das vierte tragende Grundprinzip im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht.6 Grundsätzlich orientiert sich die WGG-Miete am Kostendeckungsprinzip. Das Kostendeckungsprinzip ist in § 13 Abs 1 WGG geregelt und lautet wie folgt: „Eine gemeinnützige Bauvereinigung darf nur ein Entgelt vereinbaren, das nicht höher, aber auch nicht niedriger angesetzt werden darf, als es zur Deckung der Aufwendungen für die Bewirtschaftung ihrer Baulichkeiten und unter Berücksichtigung eines im Sinne der Grundsätze des § 23 WGG gerechtfertigten Betrages zur Deckung der Kosten der Wirtschaftsführung der Bauvereinigung sowie nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung zur Bildung von Rücklagen erforderlich ist.“
Das vertraglich vereinbarte, grundsätzlich am Kostendeckungsprinzip orientierte – auch konkludent vereinbarte – WGG-Entgelt, bei welchem die in § 14 Abs 1 Z 1 bis 9 WGG angeführten Entgeltkomponenten bei der laufenden Entgeltbildung in Anschlag gebracht werden müssen, ist schon nach seiner Konzeption im Laufe eines Mietverhältnisses im Bezug auf seine Höhe variabel.
Variabilität des WGG-Entgelts
Das WGG-Entgelt ist nach seiner gesetzlichen Konzeption und seinem Wesen während der Mietvertragsdauer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben in beide Richtungen, dh nach oben und nach unten entsprechend anzupassen, somit veränderlich und der Höhe nach variabel.7 Es ändert sich daher aufgrund geänderter Kostensituationen im Lauf eines Mietverhältnisses, da andernfalls keine Kostendeckung mehr erreichbar wäre.8
Um diese Variabilität des Entgelts dauerhaft während der gesamten Bestanddauer sicherzustellen, ist deshalb – dies im Unterschied zu den ABGB- oder MRG-Mietzinsbestimmungen - in § 14 Abs 1 WGG ein gesetzesunmittelbares Entgeltanpassungsrecht verankert.
Was besagt das gesetzesunmittelbare Entgeltanpassungsrecht im WGG?
Während nach dem MRG oder ABGB ein einseitiges Änderungsrecht des (Haupt-)Mietzinses im Rahmen eines aufrechten Mietverhältnisses nur bei einer wirksamen vertraglich eingeräumten Wertsicherungsvereinbarung in Betracht kommt, ist im Geltungsbereich des WGG die einseitige Änderungsbefugnis der gemeinnützigen Bauvereinigung als Vermieterin in § 14 Abs 1 WGG verankert. Dem Wortlaut der Entgeltberechnungs- und Entgeltänderungsbestimmung des § 14 Abs 1 WGG ist eine gesetzliche Ermächtigung der gemeinnützigen Bauvereinigung als Vermieterin, das Entgelt (nach oben und nach unten hin) anzupassen, zu entnehmen. Das gesetzesunmittelbare Entgeltanpassungsrecht spiegelt sich im Gesetzeswortlaut des ersten Satzes in § 14 Abs 1 WGG wie folgt wider: „Das angemessene Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes ist unter Bedachtnahme auf § 13 nach den Verteilungsbestimmungen des § 16 zu berechnen, wobei im Hinblick auf dessen Veränderlichkeit keine vertragliche Vereinbarung erforderlich ist und § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG, BGBl. Nr. 140/1979, keine Anwendung findet.“9
Den gemeinnützigen Bauvereinigungen als Vermieterinnen ist vom WGG-Gesetzgeber somit ein auf dem Gesetz selbst beruhendes Entgeltänderungsrecht eingeräumt worden.10 Das Recht der gemeinnützigen Bauvereinigung auf Änderung der in § 14 Abs 1 Z 1-9 WGG angeführten Entgeltkomponenten (nach oben sowie nach unten) muss deshalb – dies im Unterschied zum ABGB- und MRG-Anwendungsbereich, wo es für die Zulässigkeit einer Änderung des Hauptmietzinses einer Wertsicherungsabrede im Mietvertrag bedarf – vorab im Mietvertrag nicht vereinbart werden.
§ 14 Abs 1 WGG verfügt des Weiteren in seinem zweite Satz11, dass immer dann, wenn sich die der Berechnung des Entgelts zugrunde zu legenden Beträge ändern, sich auch das von den Mietern geschuldete Entgelt entsprechend ändert.12 Entsteht während des laufenden Dauerschuldverhältnisses aufgrund der eingetretenen Änderungen der Berechnungsgrundlagen für die einzelnen Entgeltkomponenten des § 14 Abs 1 Z 1 -9 WGG die Notwendigkeit, das Entgelt (nach oben wie nach unten hin) anzupassen, so hat die gemeinnützige Bauvereinigung als Vermieterin das Entgelt nach § 14 Abs 1 Satz WGG neu festzusetzen. Änderungen des Entgelts können sich bspw aufgrund von Zinssatzänderungen, Änderungen aufgrund angemessener vertraglicher Vereinbarungen mit Darlehens- oder Baurechtsgebern, Tilgung von Finanzierungsmitteln oder dem Wegfall von Zuschüssen ergeben.13
Die gemeinnützige Bauvereinigung ist nicht nur berechtigt, sie ist vielmehr auch verpflichtet, im Sinne des weithin bekannten Kostendeckungsprinzips das Entgelt aufgrund geänderter Kostensituationen während der Mietvertragsdauer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des WGG und jeweils ihren eigenen Aufwendungen für die Bewirtschaftung ihrer Baulichkeiten entsprechend zweiseitig (nach oben und nach unten) anzupassen, zumal ansonsten unter Umständen gar keine Kostendeckung erreichbar wäre.14 Im Laufe eines Miet- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses ändert sich dieses daher nach den Grundsätzen und auf der gesetzlichen Grundlage des § 14 Abs 1 WGG.
Informationspflicht
Die Wirksamkeit ex lege vorgenommener einseitiger, zulässiger Änderungen des WGG-Entgelts aufgrund der Änderung der Berechnungsgrundlagen setzt jedoch für den Fall der tatsächlichen Änderung des Entgelts (nach oben ebenso wie nach unten hin) die Einhaltung der ebenfalls in § 14 Abs 1 WGG verankerten schriftlichen Informationspflicht voraus.15 Die maßgeblichen Grundlagen, die zur Änderung des Entgelts führen, müssen dem Mieter spätestens mit der Vorschreibung des geänderten Entgelts schriftlich bekanntgegeben werden.16 Darüber hinaus ist die Möglichkeit des Mieters zur Nachprüfung des Entgelts durch die Rechtsschutzmechanismen des WGG gewährleistet.17
Ergebnis
Abschließend wird im Lichte der wohnzivilrechtlichen Vorgaben des WGG zusammenfassend nochmals festgehalten, dass es keiner ausdrücklichen mietvertraglichen Entgeltanpassungsvereinbarung bedarf.18 Es schadet aber keinesfalls, wenn mit einem Hinweis im Mietvertrag schriftlich über die geradezu typische Veränderbarkeit des kostendeckenden Entgelts informiert/aufgeklärt wird.19
Autorin: Michaela Schinnagl
1Schinnagl/Puhr in Geko Wohnrecht III § 14 WGG Rz 13.
2So spricht der OGH in der Entscheidung 5 Ob 81/16x von dem "weithin bekannten gemeinnützigkeitsrechtlichen" Kostendeckungsprinzip, das Vertragsverfasser kennen müssen.
3Vgl Derbolav, Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (1979) 28 f, der darauf hinweist, dass der Begriff des Entgelts in § 14 Abs 1 Z 1-9 WGG nur das laufende Entgelt erfasst und dieses enger ist als das Entgelt nach § 13 Abs 1 WGG, welches auch die zusätzlich erbrachten Beiträge erfasst. Die Höhe der geleisteten Finanzierungsbeiträge, die keine Beträge gemäß § 14 Abs 1 Z 1 bis 3 WGG sind, hat eine Auswirkung darauf, in welcher Höhe neben diesen Beiträgen Fremdmittel aufgenommen oder Eigenkapital der gemeinnützigen Bauvereinigung aufgewendet werden müssen; so auch Prader, Glosse zu 5 Ob 92/20w immolex 2021/51 [102f].
4Meinhart, MRG und entgeltliche Raumüberlassung durch gemeinnützige Bauvereinigungen, in Korinek/Nowotny (Hrsg), Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (1994) 557 (585); Schinnagl, Die wohnungsgemeinnützigkeitsrechtlichen Neuerungen des 3. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes (3. MILG), wobl 2024, 62.
5Prader/Pittl, WGG2.05 § 14 Rz 1.
6Rudnigger in Illedits4 § 13 WGG Rz 1 bezeichnet es als „Herzstück des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts“.
7Vgl bspw Vonkilch, Reflexionen zur Stellung des WGG im Gefüge (sonder-)privatrechtlicher Schutzmechanismen, in Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (Hrsg) Wohnungsgemeinnützigkeit in Recht, Wirtschaft und Gesellschaft, Festschrift Wurm 11 (114); Würth, KSchG und Wohnungsrecht in Krecji (Hrsg), Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz 635 (647); Weinberger, MRG und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, in Korinek/Krejci, HBzMRG 552 (553) uvam.
85 Ob 81/16x; Würth/Zingher/Kovanyi I23 § 14 WGG Rz 7; IA 907/A XXVI. GP 13.
9Der Wille des Gesetzgebers, nämlich, dass es sich um ein gesetzesunmittelbares Entgeltanpassungsrecht handelt, ohne dass es einer vertraglichen Vereinbarung bedarf, ist nicht nur dem Gesetzestext zu entnehmen, sondern auch in den Gesetzesmaterialien zur WGG-Novelle 2019 (IA 907/A XXVI. GP) mehrfach zum Ausdruck gebracht worden.
10Den Gesetzesmaterialien zur WGG-Novelle 2019 kann entnommen werden, dass dieses gesetzesunmittelbare Entgeltanpassungsrecht schon nach der bisherigen Rechtslage vor der WGG-Novelle 2019 bestanden hat und nur aus Gründen der Rechtsicherheit explizit auch im Wege einer Klarstellung in den Gesetzestext des § 14 Abs 1 WGG einbezogen wurde.
11§ 14 Abs 1 zweiter Satz WGG: „Ändern sich die der Berechnung des Entgeltes zugrunde zu legenden Beträge, so ädert sich das Entgelt entsprechend; die dafür maßgeblichen Grundlagen – insbesondere die Höhe des jeweiligen Zinssatzes und Änderungen auf Grund angemessener vertraglicher Vereinbarungen mit Darlehens- oder Baurechtsgebern – sind bei der nächstfolgenden Entgeltsvorschreibug dem Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigten schriftlich bekanntzugeben.“
12Vgl bspw Vonkilch, Fragen der Entgeltsbildung bei Abschluss von Kettenbaurechtsverträgen durch gemeinnützige Bauvereinigungen, wobl 2010, 198; Prader/Malaun, Die Auswirkungen des Kostendeckungsprinzips auf den Mieter, immolex 2009, 242, Würth/Zingher/Kovanyi I23 § 14 WGG Rz 2 und 7.
135 Ob 92/20w MietSlg 72.477 mHa RIS-Justiz RS01216817, RS0119207; umfassend zu den im WGG vorgesehenen Möglichkeiten einer GBV, das Entgelt im laufenden Mietverhältnis zu verändern Vonkilch in FS Wurm 111.
145 Ob 81/16x wobl 2018/77; Würth/Zingher/Kovanyi I23 § 14 WGG Rz 7.
15Vonkilch in FS Wurm 111.
16Rosifka, wobl 1999, 321; Schinnagl, wobl 2024, 62.
17VfGH 30.11.2017 G 280/2017
18Bspw schon 1981 Würth in Krecji, HBzKschG 635 (647); Vonkilch in FS Wurm 111 uvam im Laufe der Jahrzehnte.
19Schinnagl, Entgeltvereinbarungen im WGG im Lichte des Transparenzgebots, immolex 2017, 345.