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Die grundbücherliche Anmerkung der Weitergeltung des WGG

1. Einleitung
Bekanntlich gilt der Grundsatz „einmal WGG – immer WGG“1.  Hiervon werden im Wesentlichen zwei gewichtige Ausnahmen gemacht2 – die sofortige, also aus Anlass der Errichtung3 erfolgende, Übertragung einzelner Objekte in das (Wohnungs-)eigentum4 und die Übertragung eines ursprünglich von der GBV vermieteten Mietgegenstandes5 an den bisherigen Mieter6
In anderen Veräußerungsfällen jedoch, also insbesondere, wenn ein Dritter, der selbst keine GBV ist, eine dem WGG-unterliegende7 Baulichkeit oder einzelne Objekte in einer solchen erwirbt, gelten daher die wohnzivilrechtlichen Bestimmungen des WGG weiter8, etwa hinsichtlich der Entgeltbildung9.


2. Die grundbücherliche Anmerkung der Weitergeltung des WGG
Seit der WGG-Novelle 201910 ist der Eigentümer11 gemäß § 20 Abs 6 WGG verpflichtet, aus Anlass der Übertragung Folgendes im Grundbuch anmerken zu lassen:
Bei Vermietung gelten die mietrechtlichen Bestimmungen des WGG“, wenn

  • es sich um eine Wohnung oder eine Geschäftsräumlichkeit handelt,
  • bei deren Überlassung im Rahmen eines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrages
  • die wohnzivilrechtlichen Bestimmungen des WGG gelten (§ 20 Abs 1 WGG).12 


Die Anmerkung ist also, offenkundig zur Information der betroffenen Mieter13, in jenen unter Punkt 1. genannten Fällen vorzunehmen, in denen für ein solches Objekt die wohnzivilrechtlichen Bestimmungen des WGG weitergelten14. Sie darf grundsätzlich nicht mehr gelöscht werden15 (siehe aber unten Punkt 3.). 


3. Kritik und Streitfragen
Bei ihrer Einführung war die Bestimmung teils harscher Kritik ausgesetzt16. Es wurde davon ausgegangen, dass die Anmerkung mangels Kenntnis der Regelungen des WGG selten vorgenommen werden würde17. Überdies waren Details strittig und sind es teils bis heute geblieben. Dies beginnt bei der Frage, ob der zur Anmerkung verpflichtete „Eigentümer“ der Veräußerer (also idR die GBV)18, oder der Erwerber ist19. Weiters wurde und wird kritisiert, dass es Konstellationen gibt, in denen die handelnden Personen gar nicht mit Sicherheit wissen können, ob das WGG weiter gilt20.  
Damit im Zusammenhang steht das Thema, dass das Grundbuchsverfahren als reines Urkundenverfahren21 eine Urkunde verlangt, aus der sich die Berechtigung der Eintragung ergeben muss, ohne dass aber das Grundbuchsgericht gezwungen sein darf, aus ihr erst komplexe rechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen22.  


Der Vertragsverfasser war und ist daher vor die Aufgabe gestellt, in der Urkunde, die die Grundlage der Anmerkung bilden soll, den Sachverhalt und wohl auch die daraus zu ziehende Rechtsfolge der Weitergeltung der wohnzivilrechtlichen Bestimmungen des WGG entsprechend klar darzulegen23. In der Praxis liegt es daher auch an ihm, bei entsprechend konkreten Hinweisen auf eine (Weiter-)Geltung des WGG nachzufragen24 (wobei ich – für den Leser wohl wenig überraschend – der Auffassung bin, dass diese Anforderung nicht überspannt werden darf). Der Kaufvertrag, der aus Anlass der Übertragung errichtet wird, die die Verpflichtung zur Anmerkung auslöst, wird in aller Regel auch die Urkunde darstellen, die als Eintragungsgrundlage beim Grundbuch dient. Die Frage, ob nun Verkäufer oder Käufer zur Anmerkung verpflichtet sind, wird daher in der Praxis nur dann zu Auseinandersetzungen führen, wenn die Rechtslage unklar ist oder aber eine Seite die Anmerkung trotz Verpflichtung nicht vornehmen lassen will. Besteht aber Einigkeit über die Formulierung im Vertrag, ist die Frage, in wessen Namen der Antrag beim Grundbuchsgericht gestellt wird, in der Regel kein Gegenstand von Diskussionen25. Einer Aufnahme in die Aufsandungserklärung bedarf die Anmerkung gemäß § 20 Abs 6 WGG übrigens meines Erachtens nicht26
Schließlich wurde auch zur Löschung der Anmerkung angemerkt, dass diese die Praxis vor einige Probleme stellen werde, weil sich im Grundbuchverfahren als, wie bereits erwähnt, reinem Urkundenverfahren der erforderliche Nachweis des Wegfalls der Geltung des WGG recht schwierig gestalten könne27.  


4. Fazit und Ausblick
Seit der Einführung der Regelung vor fünf Jahren ist es um diese recht still geworden. Soweit überblickbar hat es auch keine veröffentlichten Entscheidungen dazu gegeben. 
Trotz der anfänglichen Skepsis scheint die Bestimmung in der Praxis aber doch angewendet zu werden. So finden sich nach Auskunft des Bundesministeriums für Justiz per 30.10.2024 genau 300 Anmerkungen gemäß § 20 Abs 6 WGG im B-Blatt (Eigentumsblatt) des Grundbuchs28. Angemerkt sei dazu, dass mir in der Praxis auch bereits derartige Eintragungen im Lastenblatt (C-Blatt) begegnet sind29. Geht man davon aus, dass es keine „Doppeleintragungen“ zum selben Objekt geben wird, dürften daher insgesamt mehr als 300 Anmerkungen nach § 20 Abs 6 WGG erfolgt sein. 
Für die Zukunft bleibt zu bemerken, dass die Pflicht zur Anmerkung weiterhin nicht nur GBV und deren Vertragspartner bei künftigen Veräußerungen treffen kann, sondern auch Eigentümer, die ein fragliches Objekt, das weiterhin den wohnzivilrechtlichen Bestimmungen des WGG unterliegt, vor Inkrafttreten der Regelung erworben haben. Die Bestimmung differenziert diesbezüglich nämlich nicht zwischen Erst- und Folgeerwerben, sodass die Anmerkung spätestens bei der nächsten Eigentumsübertragung vorzunehmen ist. 


Autor: Rechtsanwalt Wilhelm Garzon

 

1  § 20 Abs 1 WGG; vgl Schinnagl/Puhr in GeKo Wohnrecht III § 20 WGG Rz 20.

2 § 20 Abs 1 Z 2a WGG, in beiden Fällen uU nach einer Übergangsphase von 15 Jahren (§ 15h WGG).

3 Gem §§ 15 und 15a WGG.

4 Durch den Gesetzgeber klargestellt mit BGBl I 88/2022 (Art IV Abs 1v WGG).

5 Zur Vereinfachung wird hier unter „Mietgegenstand“ auch der „sonstige Nutzungsgegenstand“ und unter „Mieter“ auch der „sonstige Nutzer“ verstanden.

6 Dies gilt spätestens seit der WRN 2006 BGBl I 124/2006.

7 Das ist dann der Fall, wenn eine GBV die Baulichkeit im eigenen Namen errichtet hat (§ 20 Abs 1 WGG). Weiters grundsätzlich auch bei Erwerb zum Zweck der Sanierung größeren Umfanges (20a WGG, Näheres siehe dort).

8  § 20 Abs 1 Z 3 WGG.

9 Siehe dazu Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 14.

10   BGBl I 85/2019; Inkraftgetreten ist die Bestimmung gem Art 49 Abs 1 B-VG mit dem Tag der Kundmachung 1.8.2019 – vgl Prader/Pittl Nachträgliche Eigentumsübertragung nach der WGG-Novelle-2019, immolex 2019, 279; Köll, Gemeinnützige Eigentumswohnung - eine Haftungsfalle?, immolex 2020, 116; Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 52; Schinnagl/Puhr in GeKo Wohnrecht III § 20 WGG Rz 52.. 

11 Auch Miteigentümer, Wohnungseigentümer, Baurechtseigentümer.

12  Mit Ausnahme von Z 2a, die das unter Punkt 1. behandelte Auspendeln bei sofortiger oder nachträglicher Übertragung in das (Wohnungs-)eigentum regelt.

13  Vgl Schinnagl/Puhr in GeKo Wohnrecht III § 20 WGG Rz 51, Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 52; nach Verweijen, Der neue § 20 Abs 6 WGG, immo aktuell 2019, 228 sollen va potenzielle Drittkäufer gewarnt werden, er weist jedoch mE zutr darauf hin, dass der Erstkäufer (von der GBV) nicht geschützt sein kann, weil die Eintragung erst anlässlich seines Erwerbes vorzunehmen ist.

14   Nach § 15h WGG gilt uU auch bei Veräußerung an den aktuellen Mieter eine vorübergehende Mietzinsbeschränkung und das MRG im Vollanwendungsbereich, was mit der WGG-Novelle 2022 (BGBl I 88/2022) auch auf Objekte, die sofort in das Eigentum übertragen werden, ausgeweitet wurde. Nach der hL ist jedoch in diesen Fällen die Anmerkung nicht vorzunehmen - Verweijen, immo aktuell 2019, 228; Schinnagl/Puhr in GeKo Wohnrecht III § 20 WGG Rz 55 und diesen folgend Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 52. - was zur Folge hat, dass in all diesen Fällen die angestrebte Warnfunktion für Mieter nicht erreicht wird, obwohl auch solche Objekte in einer Übergangsphase von 15 Jahren noch besonderen, aus dem WGG resultierenden Beschränkungen, unterliegen.

15  Außer nach den Bestimmungen für gegenstandslose (§§ 131 bis 135 GBG) oder für die Berichtigung unrichtiger Eintragungen (§ 136 GBG). 

16 Vgl nur Prader/Pittl, WGG1.00 § 20 Rz 51: „legistisch völlig missglückt“. 

17  Verweijen, immo aktuell 2019, 228; Rudnigger in Illedits/Reich-Rohrwig Wohnrecht Taschenkom-mentar Update, § 20 WGG Rz 13. 

18  So Verweijen, immo aktuell 2019, 228; Schinnagl/Puhr in GeKo Wohnrecht III § 20 WGG Rz 52. 

19  So Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 51. 

20   Prader/Pittl, immolex 2019, 279; Schinnagl/Puhr in GeKo Wohnrecht III § 20 WGG Rz 56. 

21  So schon Verweijen, immo aktuell 2019, 228.

22   Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 53.

23  Nach Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 52 sei es ausreichend, wenn die Person des Errichters und des Erwerbers im Lichte des § 20 Abs 1 Z 2 und 3 WGG umschrieben werde. Bei unklarer Rechtslage sei aber der Antrag abzuweisen. 

24   Diesbezüglich wurde in der Lit geäußert, dass den Vertragsverfasser seither eine größere bzw die gebotene Sorgfalt treffen werde - Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 52; Schinnagl/Puhr in GeKo Wohnrecht III § 20 WGG Rz 59; zu Nachforschungspflichten des Sachverständigen bei der Bewertung siehe auch Köll, Gemeinnützige Eigentumswohnung - eine Haftungsfalle?, immolex 2020, 116. 

25   Oft ist dies – schon aus gebührenrechtlichen Gründen (§ 25 Abs 1 GGG) – nur der Käufer. 

26   Weil mit der Anmerkung kein grundbücherlicher Erwerb oder die Umänderung eines dinglichen Rechts verbunden ist - Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 20 GBG Rz 139 mwN; so schon Verweijen, immo aktuell 2019, 228. 

27  Prader/Pittl immolex 2019, 279 mwN; Prader/Pittl, WGG2.06 § 20 Rz 53. 

28   Gedankt sei an dieser Stelle Frau Dr. Felicitas Parapatits, LL.M., Abteilungsleiterin der Abteilung 4 der Sektion I – Zivilrecht, und Herrn Diplomrechtspfleger Manfred Buric, Präsidialsektion, für die ent-sprechenden Auskünfte. 

29   Verweijen, immo aktuell 2019, 228, hält eine Eintragung im C-Blatt für richtig.