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Die Bedeutung von zielgruppengerechter Kommunikation im Kampf gegen Energiearmut

Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung, dass die Energiewende vor allem eine technische Aufgabe ist, bringt sie auch soziale Fragen mit sich, die für eine nachhaltige Transformation des Energiesektors berücksichtigt werden müssen. Ein zentrales Beispiel hierfür ist Energiearmut. Sie liegt vor, wenn Haushalte sich grundlegende Energiedienstleistungen, wie Heizung, Warmwasser, Beleuchtung oder Strom für Geräte, nicht leisten können oder keinen ausreichenden Zugang dazu haben. In Österreich sind laut der Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut um die 360.000 Menschen von Energiearmut betroffen. (Quelle: https://kea.gv.at/infothek/infos-zu-energiearmut/) Das bedeutet: Sie sind mit hohen Energiekosten bei niedrigem Einkommen konfrontiert, wohnen oft in energetisch ineffizienten Gebäuden und können sich das notwendige Heizen nicht leisten. Energiearmut ist somit eine der großen sozialen Herausforderung der Energiewende. Eine nachhaltige Transformation kann nur gelingen, wenn alle Menschen einbezogen werden, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft oder Bildungsstand. 

Mit gutem Beispiel voran: Pionierprojekte gegen Energiearmut
Das Büro für nachhaltige Kompetenz (B-NK GmbH) und die Austrian Energy Agency (AEA) arbeiten in mehreren Forschungsprojekten daran, sozial benachteiligte Menschen in die Energiewende einzubinden und eine gerechte Energiewende voranzutreiben. In GENDER4POWER werden an mehreren europäischen Standorten, darunter das Therapiezentrum für suchtkranke Menschen Schweizer Haus Hadersdorf (SHH) in Wien, gemeinsam mit Betroffenen lokale Energiebedürfnisse erfasst und passgenaue Lösungen entwickelt. Damit reagiert das Projekt auf strukturelle Ursachen von Energiearmut wie soziale Ungleichheit, geringe Energieeffizienz und fehlenden Zugang zu erneuerbarer Energie. Energy WITH Spirit erprobt eine solidarische Energiegemeinschaft im evangelisch-diakonischen Bereich, bei der ein Teil der erzeugten Solarenergie bzw. Erträge gezielt mit Menschen in schwierigen Lebenslagen geteilt wird. Parallel werden Formate zur Energiebildung für vulnerable Gruppen umgesetzt. EWV4Energiewende untersucht anhand von Liegenschaften des Evangelischen Waisenversorgungsvereins Wien (EWV), welche Barrieren der Umsetzung von Energiegemeinschaften im urbanen Gebäudebestand entgegenstehen und wie diese überwunden werden können. In allen drei Projekten ist die zielgruppengerechte Kommunikation Querschnittsthema und methodischer Kernbestandteil. 

Kommunikation bei Sanierung und Dekarbonierung
Neben Energiearmut treten weitere soziale Herausforderungen auf, die für die Umsetzung der Energiewende im Gebäudesektor von großer Bedeutung sind. Der Gebäudesektor ist mit etwa einem Drittel des gesamten Energieverbrauchs und über 10 Prozent der Treibhausgasemissionen in Österreich ein zentrales Handlungsfeld. Um den Gebäudebestand klimafit zu machen, sind insbesondere Sanierungs- und Dekarbonisierungsmaßnahmen erforderlich, die direkt in das private Lebensumfeld der Bewohnerinnen und Bewohner eingreifen. Der Erfolg von Sanierung und Dekarbonisierung hängt eng mit der Akzeptanz und der Bereitschaft der Menschen zusammen, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Damit wird deutlich, dass die soziale Einbindung der Menschen ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Energiewende ist. Es gilt, Wege zu finden, wie Menschen erreicht und zur Mitwirkung motiviert werden können. Da Lebensrealitäten, Werte und Einstellungen stark variieren, müssen die Themen der Energiewende in angepasster Sprache, niederschwellig, praxisnah und verständlich vermittelt werden. Insgesamt zeigt sich: Die Energiewende gelingt nur, wenn soziale Faktoren von Anfang an mitgedacht werden. 

Hier kommt zielgruppengerechte Kommunikation ins Spiel: Nur wenn Informationen verständlich sind und die Ansprache an unterschiedliche Lebensrealitäten anknüpft, wird echte Teilhabe möglich.

Praxistipps: Der Weg zur zielgruppengerechten Kommunikation 
Die Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen in den Projekten hat gezeigt, auf welche Aspekte es ankommt, damit zielgruppengerechte Kommunikation in der Praxis gelingen kann:
 

  1. Konsument:innentypologien integrieren
    Das Verständnis unterschiedlicher Konsument:innentypologien ist essenziell. Verhaltensweisen, Werte und Barrieren im Umgang mit Energie variieren stark. Unterschiede, z.B. zwischen kostenbewussten oder komfortorientierten Nutzer:innen, sollten erkannt und gezielt adressiert werden.
  2. Gender- und Diversity-Aspekte berücksichtigen
    Sprache und Haltung sollten inklusiv sein, Stereotype vermieden und Vielfalt sichtbar gemacht werden. Fallbeispiele und Rollenspiele helfen, passende Kommunikationsformen zu entwickeln.
  3. Motivationsstrategien entwickeln 
    Zentral ist die Frage, was Menschen zum Mitmachen bewegt. Kommunikationsstrategien sollten gezielt auf unterschiedliche Motivationen eingehen.
  4. Praxistransfer stärken
    Nachhaltige Kommunikationspraxis entsteht durch Erfahrung. Die Reflexion eigener Beratungssituationen und der Austausch mit Kolleg:innen helfen, wirksame Ansprachekonzepte zu entwickeln.
  5. Dialog mit Mieter:innen üben
    Gerade in der Kommunikation mit Mieter:innen ist ein sensibler Umgang mit Fragen und Unsicherheiten entscheidend. Informationsmaterialien sollten gezielt eingesetzt werden, um komplexe Inhalte verständlich zu vermitteln.

Gerne bringen B-NK und AEA ihre Erfahrungen ein und unterstützen, je nach Ressourcen, mit Workshops oder ähnlichen Formaten weitere Akteurinnen und Akteure, die soziale Aspekte der Energiewende in ihren Projekten berücksichtigen möchten.

Autorinnen: Bente Knoll (B-NK GmbH) und Kerstin Schilcher (AEA)