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Auch kleine Parteien kommen zum Thema Gemeinnützigkeit zu Wort

Das österreichische Wohnbausystem ist eine wesentliche Stütze unseres Wohlfahrtsstaates. Welche Bedeutung messen Sie dabei dem gemeinnützigen Wohnbau bei?

  • Der gemeinnütziger Wohnbau in Österreich trägt wesentlich zur Wohnversorgung der Bevölkerung bei. Durch das gesetzliche Prinzip der Kostendeckung werden keine Gewinne produziert, sondern der Wohnbau orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen. In Zukunft sollte der Sektor jedoch noch mehr vor der Privatisierung geschützt werden. Das Prinzip “Einmal WGG, immer WGG” darf nicht ausgehöhlt werden. Geförderter Mietwohnbau sollte Priorität haben, vor allem in Ballungszentren. Wird gefördert errichtetes Eigentum von Privaten weiterverkauft, muss der öffentlichen Hand ein begünstigtes Vorkaufsrecht eingeräumt werden.

Das österreichische System des gemeinnützigen Wohnbaus wird laut OECD und WIFO als „best practiceModell“ hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum angesehen. An welcher Stellschraube würde Sie drehen, um ein ausreichendes Angebot an leistbaren Wohnungen zu garantieren?

  • In teuren Städten wie Innsbruck oder Salzburg sollte die Produktion von Wohnraum erhöht werden, wobei die Prinzipien Innen- vor Außenentwicklung und Miete vor Eigentum zentral sind. Höhere Dichten sind – dort wo stadtplanerisch sinnvoll – ein gutes Mittel, um mehr Wohnungen zu schaffen. Eine weitere Stellschraube ist der Kampf gegen Zweckentfremdung (Stichwort “AirBnB”) und Mindernutzung wie Wohnungsleerstand oder kaum genutzte Zweitwohnsitze.

Welche Maßnahmen stärken aus Ihrer Sicht den gemeinnützigen Wohnbau: Investitionen in Mietwohnungen, Eigentumswohnungen oder Wohnbeihilfe? Wie wollen Sie für ein bedarfsgerechtes Angebot gemeinnütziger Wohnungen sorgen?

  • Aktuell sollte, vor allem im städtischen Bereich, der Bau von Mietwohnungen Vorrang haben, da sich etwa die Hälfte der Bevölkerung bereits gefördertes Eigentum ohne Erbe kaum leisten kann. Das Prinzip der Objektförderung (Förderung der Errichtung des Gebäudes) im gemeinnützigen Sektor hat den Vorteil, dass die Haushalte langfristig profitieren. Schwingt das Pendel zu sehr in Richtung von Subjektförderung (etwa Wohnbeihilfe), werden Abhängigkeiten von bürokratischen Verfahren geschaffen. Für jene, die mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens für das Wohnen ausgeben, sollten die Mittel der Wohnbeihilfe aber in jedem Fall erhöht werden. Ein bedarfsgerechtes Angebot sollte auf vielfältige Haushaltsformen Rücksicht nehmen. In den meisten Haushalten wohnt nur eine erwachsene Person, oftmals sind es alleinerziehende Mütter. Auch junge Menschen sollten abseits von klassischen Pärchenwohnungen Möglichkeiten haben, eine leistbare Wohnung im gemeinnützigen Segment zu finden, etwa durch sogenannte Starterwohnungen.

Sehen Sie das Wohnbauförderungsbudget aktuell ausreichend dotiert? Wenn nein, wo müsste man ansetzen? 

  • Seit 1996 sind die Ausgaben für die Wohnbauförderung in Prozent des BIP rückläufig. Wurden damals noch mehr als 1% des BIP für die Wohnbauförderung ausgegeben, waren es 2022 nur mehr knapp über 0,5%. In einem ersten Schritt sollten die Ausgaben wieder auf das Niveau von 1996 erhöht werden. In einem zweiten Schritt kann auch noch mehr für Wohnbau ausgegeben werden. Gerade vor dem Hintergrund der Dekarbonisierung im Gebäudesektor ist dies wichtig.

Soll es wieder eine gesetzlich verpflichtende Zweckbindung der Wohnbauförderung geben?

  • Fast alle Arbeitnehmer:innen in Österreich zahlen, ähnlich wie beim Beitrag zur Arbeiterkammer, in das System der Wohnbauförderung ein. Daher sollten die Erträge daraus zu 100% dem Wohnbau zur Verfügung stehen. Auch darüber hinausgehende Budgetmittel sollten von den Ländern richtig eingesetzt werden. Eine gesetzliche Zweckbindung ist daher sinnvoll.

Wie soll nach Ihrer Meinung eine Dekarbonisierung beim Wohnbau umgesetzt werden? Sehen Sie die Notwendigkeit einer zusätzlichen Förderschiene?

  • Eine zusätzliche Förderschiene sollte vor allem Mieter:innen zugutekommen. Sie sind es, die sich etwa das Heizungssystem nicht selbst aussuchen können, sondern von anderen Akteur:innen (Gemeinde, Eigentümer:in) abhängig sind. Außerhalb des gemeinnützigen Sektors ist hier vor allem der Bereich von Mehrparteienhäusern am freien Mietwohnungsmarkt gemeint. Die Transformation des Gebäudesektors muss sozial abgefedert und gerecht sein.

Das österreichische Wohnbausystem ist eine wesentliche Stütze unseres Wohlfahrtsstaates. 
Welche Bedeutung messen Sie dabei dem gemeinnützigen Wohnbau bei?

  • Wir sind der Meinung, dass die Regierungen der letzten Jahrzehnte sich von dem Ziel eines Wohlfahrtsstaates, nämlich der Steigerung des Wohlergehens seiner Bürger:innen, immer mehr entfernt haben. Umso mehr ist der gemeinnützige Wohnbau mit fast einer Million Wohnungen eine lebensnotwendige Stütze des österreichischen Wohnungsmarktes und folglich auch unseres Wohlstands als Gesellschaft. Ohne einem staatlich gut geförderten Wohnbausystem und gemeinnützige Bauvereinigungen wäre leistbares Wohnen für noch viel mehr Österreicher:innen eine reine Utopie.

Das österreichische System des gemeinnützigen Wohnbaus wird laut OECD und WIFO als „best practice Modell“ hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum angesehen. An welcher Stellschraube würde Sie drehen, um ein ausreichendes Angebot an leistbaren Wohnungen zu garantieren?

  • Es mag sein, dass das österreichische Modell im internationalen Vergleich als „best practice“ gilt, wir sehen hier aber noch viel Potential, um gemeinnützigen Wohnbau zu fördern und das Angebot an leistbaren Wohnraum zu erhöhen. Hierzu zählen: 
    • Finanzierungsprobleme: Trotz staatlicher Unterstützung gibt es oft nicht genügend Mittel, um den Bedarf an neuen Wohnungen zu decken. Dies führt zu langen Wartelisten und Verzögerungen bei Bauprojekten. Der Staat könnte hier ein vergrößertes Maß an Steueranreizen anstoßen und die Möglichkeit zur Bereitstellung kostenloser oder kostengünstiger Darlehen prüfen.
    • Steigende Baukosten: Die Kosten für Baumaterialien und Bauleistungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen, was die Finanzierung neuer Projekte zusätzlich erschwert. Der Staat sollte solche Entwicklungen in seiner Förderstrategie und -planung berücksichtigen, dass dieser Art der oft nicht direkt beeinflussbaren Marktentwicklungen die Wohnraumsituation in Österreich nicht beinträchtigen. 
    • Mangel an Baugrundstücken: In städtischen Gebieten ist es oft schwierig, geeignete Grundstücke für den Wohnbau zu finden, was den Ausbau des gemeinnützigen Wohnraums behindert. Gleichwohl ist es zum Schutz von Umwelt und Klima angezeigt, dass unnötige Versiegelung vermieden wird. Der Staat sollte Förderprogramme anstrengen und Initiativen unterstützen, welche sich der Verdichtung (das Hinzufügen neuer Gebäude in bereits bebauten Gebieten oder die Aufstockung bestehender Gebäude) widmen, um Flächenverbrauch zu minimieren und gleichzeitig den Wohnraum effizienter zu nutzen.
    • Bürokratische Hürden: Die Genehmigungsverfahren für neue Bauprojekte sind oft langwierig und kompliziert, was den Bauprozess verlangsamt. Der Staat hat die Möglichkeit, die Antragsund Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und die erforderlichen Prozesse zu beschleunigen. Zur Ermöglichung von ausreichendem Angebot an leistbaren Wohnungen spielt neben der Optimierung des gemeinnützigen Wohnbausystems auch eine sozialverträgliche Regulierung des privaten Wohnraumsektors eine tragende Rolle. Hierzu zählen u.a.:
      • Die Einführung einer Leerstandsabgabe für existierende Immobilien ab sechs Monaten, sowie die Vergesellschaftung von Wohnimmobilien ab zwei Jahren, um der künstlichen Verknappung von Wohnraum entgegenzuwirken.
      • Eigentum von Wohnraum dekonzentrieren und allen zugänglich machen, indem pro juristischer oder natürlicher Person maximal zehn Wohnimmobilien (Einfamilienhäuser und/oder Wohnungen) besessen werden dürfen.

Welche Maßnahmen stärken aus Ihrer Sicht den gemeinnützigen Wohnbau: Investitionen in Mietwohnungen, Eigentumswohnungen oder Wohnbeihilfe? Wie wollen Sie für ein bedarfsgerechtes Angebot gemeinnütziger Wohnungen sorgen?

  • Geeignete Maßnahmen zur Stärkung des gemeinnützigen Wohnbaus werden im vorherigen Punkt bereits näher beschrieben. Die Partei Wandel setzt sich für diese und weitere Maßnahmen ein, um das Ziel „Gutes Wohnen und gutes Leben für alle“ zu erreichen. Wohnbeihilfe ist, wie der Klimabonus oder die „Strompreisbremse“ eine Umverteilung staatlicher Mittel in die Privatwirtschaft. Investitionen in (gemeinnützig errichtete) Mietwohnungen scheinen hier langfristig eher für preiswerteren Wohnraum zu sorgen.

Sehen Sie das Wohnbauförderungsbudget aktuell ausreichend dotiert? Wenn nein, wo müsste man ansetzen?

  • Wie bereits oben geschildert sehen wir die Zukunft der Förderung eher in Steuererleichterungen und günstigen Krediten. Leistbares Wohnen muss langfristig gefördert werden und nicht nur durch kurzlebige Zuschüsse.

Soll es wieder eine gesetzlich verpflichtende Zweckbindung der Wohnbauförderung geben?

  • Ja. Dass die Bundesländer das für diesen Zweck gedachte Geld anderweitig verwenden, ist zu unterbinden. Dafür braucht es volle Transparenz über alle ausgezahlten Fördergelder und bundesweit vereinheitlichte Vergaberichtlinien.

Wie soll nach Ihrer Meinung eine Dekarbonisierung beim Wohnbau umgesetzt werden? Sehen Sie die Notwendigkeit einer zusätzlichen Förderschiene?

  • Die Regeln und Maßnahmen zur Dekarbonisierung im Wohnbau müssen dahingehend geprüft werden, ob sie bereits genügend Augenmerk auf diesen Aspekt legen, und inwieweit die Förderungen und Maßnahmen die richtigen Projekte und Menschen erreichen, und damit die gewünschten Wirkung hinsichtlich Dekarbonisierung erzielen. Wir sehen hier eine Reihe von möglichen Maßnahmen, v.a. bei bestehenden Förderansätzen, hierzu zählen:
    • Die vorgeschriebene Nutzung (Neubau) und verstärkte Förderung (Altbau) von erneuerbaren Energiequellen zur Deckung des Energiebedarfs und damit Abkehr von fossilen Brennstoffen(z.B. Integration von Solar-, Wind- oder Erdwärmeenergie); Die vorgeschriebene Maßnahmen (Neubau) und verstärkte Förderung (Altbau) von Maßnahmen im Bereich der Energieeffizienz (z.B. Verbesserung der Isolierung, Nutzung energieeffizienter Heiz- und Kühlsysteme, Beleuchtung sowie Einsatz moderner Gebäudetechnik wie intelligente Steuerungssysteme).
    • Die Intensivierung von Bemühungen zur thermischen Sanierung und weiterer Ansätze, um Dekarbonisierung zu beschleunigen. 
    • Niedrig-CO₂-Baustoffe: Verwendung von Materialien wie dekarbonisiertem Beton und anderen emissionsarmen Baustoffen, sowie die Integration von best practices im Bereich der Kreislaufwirtschaft.
    • Bessere Baubestimmungen: Einführung strengerer Vorschriften zur Energienutzung und Förderung nachhaltiger Baupraktiken (z.B. Kreislaufwirtschaft, Kataster für verwendete Baumaterialen).
    • Abbau von Leerstand entlang o.g. genannter Maßnahmen bei gleichzeitiger Umsetzung sinnvoller Dekarbonisierungsmaßnahmen.
    • Eine proaktivere Unterstützung klimafreundlicher Bauprojekte

Auch die Bierpartei wurde angefragt, lieferte allerdings keine Antworten.

 

 

Auch die Liste Madeleine Petrovic wurde angefragt, lieferte allerdings keine Antworten.

Titelbild: (c) Parlamentsdirektion/Johannes Zinner