Beruf Ortskernkoordinator - Stefan Spindler im Interview
Stefan Spindler ist im Regionalressort als steirischer Ortskernkoordinator tätig. Er begleitet Gemeinden und Städte bei der Stärkung ihrer Zentren durch einen funktions-integrierten Zugang unter Zuhilfenahme bestehender Förderungen. Zusätzlich beschäftigt er sich mit der Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für Ortskernstärkung im Land Steiermark und in den Regionen. Davor konnte er in der Privatwirtschaft über einige Jahre hinweg Gemeinden im deutschsprachigen Raum in der Orts- und Stadtkernstärkung begleiten. Dazu zählte unter anderem das Coaching und Bewusstseinsbildung von Politik und Verwaltung sowie die Durchführung von zielgruppenorientierten Beteiligungsformaten und die Erstellung von langfristigen Umsetzungsstrategien.
Wie wird man Ortskernkoordinator?
Aufgewachsen in der Oststeiermark, erlebte ich mit, wie Ortskerne im Laufe der Zeit an Attraktivität verloren. Dies inspirierte mich dazu, mich während meines Architekturstudiums und später in der Privatwirtschaft intensiv mit dem Thema der Ortskernstärkung auseinanderzusetzen. Nun darf ich mich für das Land Steiermark im Regionalressort mit dem Thema beschäftigen.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Mein Arbeitsalltag gliedert sich in zwei wesentliche Bereiche. Einerseits begleite ich Gemeinden auf ihrem Weg zur Ortskernstärkung – angefangen von ersten Überlegungen, die nach einem vor Ort Besuch getroffen werden und der Suche nach geeigneten Förderungen in Zusammenarbeit mit diversen Förderstellen bis zur Qualitätssicherung während laufender Entwicklungsprozesse. Andererseits geht es darum, in einem laufenden Entwicklungsprozess die bestehenden Ressourcen des Landes Steiermark, der Regionalmanagements und LEADER-Managements optimal zu bündeln, um die Zentren bestmöglich zu stärken.
Was sind die häufigsten Probleme, mit denen die Ortschaften zu kämpfen haben?
Geänderte Mobilitätsgewohnheiten, Zersiedelung und verändertes Alltagsverhalten haben dazu geführt, dass Ortskerne an Attraktivität verloren haben. Es entstanden Leerstände, relevante Nutzungen und Räume für das soziale Miteinander verschwanden.
Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Ortsgrößen oder der Lage (nahe an Stadt, weiter weg)?
Entscheidend für die Ortskernstärkung ist weniger die Lage oder Größe der Gemeinde, sondern vielmehr die individuelle Entwicklungsdynamik. Diese beeinflusst, ob eine Gemeinde sich mit Bestandserhaltung und Nachnutzung beschäftigt oder ob es um Bestandsentwicklung, Ortskernerweiterung und die Einbindung von Entwicklungspotentialen geht.
Welche Werkzeuge stehen den Gemeinden zur Verfügung?
Gemeinden haben verschiedene Instrumente zur Ortskernstärkung zur Hand. Die lokale Raumplanung steht hierbei an erster Stelle. Sie ermöglicht es, negative Entwicklungen zu unterbinden und das Zentrum unter dem Grundsatz “Innenentwicklung vor Außenentwicklung” zu gestalten. Dies beinhaltet die Erhaltung kommunaler zentrumsrelevanter Funktionen im Ortskern. Gleichzeitig ist es wichtig, den öffentlichen Raum effizient für alle zu gestalten, indem zugängliche Grünflächen, schattenspendende Bepflanzung, entsiegelte Flächen, erlebbare Wasserelemente und benutzerorientierte Möbel die Aufenthalts-, Wohn- und Lebensqualität steigern. Durch diese Fokussierung auf den Bestandsraum in Verbindung mit aktivem Flächenmanagement, der Wiedernutzung leerstehender Gebäude und behutsamer Verdichtung entsteht eine attraktive Mischung von Nutzungsmöglichkeiten – ein bewährtes Rezept für einen lebendigen Lebensraum für alle Bewohner.
Die Gemeinde kann durch gezielte Investitionen in kommunale Bauvorhaben und die Schaffung von stärkenden Rahmenbedingungen, private Investitionen in ein attraktives Umfeld anregen. Dies erfordert jedoch oftmals ein neues Verständnis der räumlichen Entwicklung in den Gemeinden und setzt auf die kontinuierliche Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Eigentümer:innen, Wirtschaft, Vereinen und der aktiven Bevölkerung. Im Idealfall ordnen sich alle kommunalen wie auch privaten Bemühungen einem gemeinsam getragenen Zielbild für den Ortskern unter.
Können Sie uns Best-Practice-Beispiele nennen, in denen sich Probleme besonders gut gelöst haben?
In den letzten Monaten haben wir zahlreiche Gemeinden kennengelernt, die erfolgreiche Projekte zur Stärkung ihrer Ortskerne umgesetzt haben. Dabei liegt unser Fokus weniger auf einzelnen Gemeinden, sondern vielmehr darauf, die Mechanismen einer positiven Entwicklung zu verstehen. Wir erkennen, dass es wichtig ist, Frequenzbringer im Ort zu erhalten, auf Kümmererstrukturen zu setzen, multifunktionale historische Gebäude mit attraktiven Nutzungen im Erdgeschoss und hochwertigen Wohnräumen darüber zu schaffen sowie verkehrsberuhigte Zonen und nutzerorientierte Mobilitätskonzepte zu fördern.
Zu Abschluss: Was ist Ihnen am wichtigsten in einem funktionierenden Ortskern?
Ein funktionierender Ortskern sollte ein Aufenthaltsraum für alle Generationen sein, in dem Alltagsnutzungen und -funktionen nebeneinander möglich sind – ein lebenswerter Alltagsraum.