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Balkonkraftwerke und andere Photovoltaikanlagen im Lichte der WEG-Novelle 2024

1.    Einleitung
Mit 1. September 2024 tritt die WEG-Novelle 2024 in Kraft. Die WEG-Novelle 2024 soll Erleichterungen für jene Wohnungseigentümer schaffen, die ihren Balkon oder ihre Terrasse für die Anbringung von Photovoltaikanlagen nützen wollen, um so einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und ihre Stromrechnung zu entlasten. Auf darüberhinausgehende wohnrechtlich notwendige Regelungen im Zusammenhang mit der Umstellung auf klimaneutrale Heizungsanlagen muss die Wohnungswirtschaft leider weiterhin warten, obwohl gerade dieser klimaschützenden Maßnahme besondere Bedeutung zukommen würde.


2.    Balkonkraftwerke = steckerfertige Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlagen am Balkon oder der Terrasse: Zustimmungsfiktion nach § 16 Abs 5 WEG

A.    Allgemeines
Immer dann, wenn zumindest eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen von anderen Wohnungseigentümern durch die geplante Änderungsmaßnahme möglich sein könnte, muss der änderungswillige Wohnungseigentümer vor der Durchführung die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer einholen. Wird diese verweigert bzw stimmen nicht alle Wohnungseigentümer zu, muss die fehlende Zustimmung vor der Vornahme der Veränderung gerichtlich ersetzt werden. Die Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer oder des Verwalters ist in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht ausreichend. 
Nun ist es aber in der Praxis – nicht nur, aber gerade auch in größeren Wohnungseigentumsanlagen – in aller Regel schwierig, teilweise sogar unmöglich, die Genehmigung von allen Wohnungseigentümern zu erlangen. Viele vom Änderungswunsch verständigte Wohnungseigentümer schweigen einfach und reagieren nicht auf das Ersuchen um Zustimmung, sei es aus Desinteresse, Gleichgültigkeit oder anderen Motiven. Der änderungswillige Wohnungseigentümer wäre sodann verpflichtet, ein Gerichtsverfahren anzustreben, welches nicht nur oft langwierig, sondern oftmals auch recht kostenintensiv ist.


B.    Zustellfiktion nach § 16 Abs 5 WEG: Schweigen gilt als Zustimmung, wenn es sich bei der geplanten Änderung um die Anbringung einer steckerfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage (= „Balkonkraftwerk“) am Balkon oder an der Terrasse handelt
Dem WEG-Gesetzgeber war und ist bewusst, dass dies in der Praxis eine große Hürde darstellt. Deshalb wurde schon mit der WEG-Novelle 2022 für einige gesellschaftspolitisch als objektiv besonders unterstützungswürdige Änderungswünsche von Wohnungseigentümern (zB die barrierefreie Ausgestaltung eines WE-Objekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft, die Anbringung einer Solaranlage oder Photovoltaikanlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten WE-Objekt oder der Einbau von einbruchssicheren Eingangstüren des WE-Objekts) eine Erleichterung zur Durchsetzung ihres Änderungsanspruchs geschaffen und in § 16 Abs 5 WEG eine Zustimmungsfiktion normiert. In diesen Fällen gilt die Zustimmung als erteilt, wenn die anderen Wohnungseigentümer gesetzeskonform verständigt worden sind und niemand der geplanten Änderungsmaßnahme widersprochen hat. Passivität in Form von Schweigen gilt dann als Zustimmung.


Mit der WEG-Novelle 2024 bleibt nunmehr auch beginnend ab 1. September 2024 dem änderungswilligen Wohnungseigentümer, der die Anbringung einer steckerfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage am Balkon oder an der Terrasse plant, die Anrufung des Gerichts zum Ersatz einer fehlenden Zustimmung erspart, wenn er die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer von der geplanten Änderung gesetzeskonform verständigt hat und keiner von ihnen innerhalb einer Frist von zwei Monaten dieser Änderungsmaßnahme widersprochen hat. Denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei der Errichtung einer Photovoltaikanlage an einem Balkon oder einer Terrasse eines Wohnungseigentumsobjekts, an denen der Wohnungseigentümer das alleinige Nutzungsrecht hat, eine vergleichbare Situation vorliegt wie bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen (und Solarthermieanlagen) an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt.


C.    Voraussetzungen für eine Zustimmungsfiktion für die Errichtung eines Balkonkraftwerks
Nach § 16 Abs 5 WEG gilt die Zustimmung eines vom änderungswilligen Wohnungseigentümer verständigten Wohnungseigentümers nur dann als erteilt, wenn 
(1)    es sich bei der geplanten Änderungsmaßnahme um die Anbringung einer steckerfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage (= „Balkonkraftwerk“) am Balkon oder an der Terrasse seines Wohnungseigentumsobjekts, auf der sich schon eine Steckdose zum Anschließen der Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage befindet, handelt,
(2)    die im ElWOG vorgegebene Höchstgrenze von 0,8kW für „Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlagen“ pro Wohnungseigentumsobjekt nicht überschritten wird (möchte bspw ein Wohnungseigentümer, dessen Wohnungseigentumsobjekt über eine Terrasse und 2 Balkone verfügt, mehrere kleinere Balkonkraftwerke anbringen, so hat er zu beachten, dass die Gesamtleistung aller Balkonkraftwerke in Summe den Maximalwert von 0,8 kW pro Wohnungseigentumsobjekt nicht überschreiten darf)
(3)    die Verständigung über den Änderungswunsch auf die in § 24 Abs 5 WEG bestimmte Weise an die Adresse des WE-Objekts oder eine andere vom Wohnungseigentümer bekanntgegebene inländische Zustellanschrift oder – dies aufgrund entsprechenden Verlangens des zu verständigenden Wohnungseigentümers – elektronisch (per E-Email) erfolgt ist; 
(4)    die Verständigung die geplante Änderung klar und verständlich beschreibt und
(5)    auf die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruchs hingewiesen wird (dh es muss darauf hingewiesen werden, dass die Zustimmung als erteilt gilt, wenn die verständigten Mit- und Wohnungseigentümer der geplanten Veränderung nicht binnen zwei Monaten widersprechen) und
(6)    der Wohnungseigentümer der geplanten Änderung des änderungswilligen Wohnungseigentümers nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung schriftlich oder in dauerhaft speicherbarer elektronischer Form widerspricht.

 

D.    Wann gilt die Zustimmungsfiktion nicht, sodass der änderungswillige Wohnungseigentümer die aktive Zustimmung aller übrigen Mit- und Wohnungseigentümer erlangen muss?
Der Mechanismus der Zustimmungsfiktion wird nicht ausgelöst, wenn auch nur einer der folgenden Umstände vorliegt, dh wenn

  • die in § 7 Abs 1 Z 32a ElWOG 2010 vorgegebene Höchstgrenze von 0,8 kW für „Kleinsterzeugungsanlagen“ pro Wohnungseigentumsobjekt überschritten wird (unabhängig davon, ob die Höchstgrenze von einem einzigen Balkonkraftwerk oder in Summe von mehreren kleineren Balkonkraftwerken, die am Balkon oder der Terrasse angebracht werden sollen, überschritten wird)
  • die PV-Kleinsterzeugungsanlage nicht an eine am Balkon oder der Terrasse vorhandene Steckdose angesteckt werden kann oder
  • keine Installation einer steckerfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage am Balkon oder an der Terrasse, sondern einer sonstigen Photovoltaikanlage geplant ist oder
  • dem Wohnungseigentümer kein ausschließliches Nutzungsrecht am Balkon oder der Terrasse zukommt oder
  • die PV-Anlage weder am Balkon noch an der Terrasse, sondern an einem anderen Teil der Liegenschaft (zB Dach, Fassadenflächen oder Gartenflächen) montiert werden soll oder
  • keine Übersendung der Verständigung auf die in § 24 Abs 5 WEG bestimmte Weise erfolgt ist oder
  • der geplante Änderungswunsch der Anbringung der steckerfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage am Balkon oder an der Terrasse in der Verständigung nicht klar und verständlich beschrieben worden ist oder
  • kein Hinweis auf die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruchs in der Verständigung aufgenommen worden ist oder
  • wenn auch nur ein einziger Wohnungseigentümer innerhalb der 2-Monatsfrist diesem Änderungswunsch schriftlich oder in dauerhaft speicherbarer elektronischer Form widersprochen hat.

In all diesen Fällen wirkt die Zustimmungsfiktion nicht. Dies hat zur Folge, dass der änderungswillige Wohnungseigentümer die aktive Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer einholen bzw gemäß § 52 Abs 1 Z 2 WEG die gerichtliche Entscheidung zum Ersatz einer fehlenden aktiven Zustimmung eines Wohnungseigentümers beantragen muss.

 

E.    Keine Duldung der steckerfertigen Photovoltaikanlage trotz Unterbleiben eines Widerspruchs
Auch wenn ein Wohnungseigentümer zur Verständigung über den Wunsch der Anbringung einer steckerfertigen Photovoltaikanlage am Balkon oder an der Terrasse des anderen änderungswilligen Wohnungseigentümers geschwiegen hat und einen Widerspruch unterlassen hat, muss dieser eine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung seines Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekts nicht dulden. Dies könnte dann der Fall sein, wenn ein Wohnungseigentümer durch unangenehme Sonnenlichtreflexionen durch die Paneele des Balkonkraftwerks wesentlich und dauerhaft beeinträchtigt wird oder darunterliegende Balkone dauerhaft verschattet werden. Der betroffene Wohnungseigentümer kann sich aufgrund solcher gravierenden Beeinträchtigungen trotz der Unterlassung eines Widerspruchs gemäß § 523 ABGB gegen die (schon vorgenommene) Änderung zur Wehr setzen und gegen die Änderung im Wege der Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB mit einem Beseitigungs- oder Unterlassungsbegehren vorgehen.


3.    Privilegierung von Photovoltaikanlagen nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG

A.    Allgemeines und Erweiterung des Kreises der privilegierten Änderungsmaßnahmen um die Anbringung von Photovoltaikanlagen, die der Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts dienen, an der Terrasse oder dem Balkon des Wohnungseigentumsobjekts
Wohnungseigentümer sind zu Änderungen an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit auf eigene Kosten berechtigt, dies mangels Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer jedoch nur unter den in § 16 Abs 2 WEG normierten Voraussetzungen. Eine fehlende Zustimmung auch nur eines einzigen Wohnungseigentümers kann unter den in § 16 Abs 2 WEG genannten Voraussetzungen im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG durch den Außerstreitrichter ersetzt werden. 


Im Falle der Anbringung von Photovoltaikanlagen werden im Regelfall allgemeine Teile des Hauses in Anspruch genommen.  Müssen für eine geplante Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, so muss die Änderung überdies gemäß § 16 Abs 2 Z 2 WEG entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen. Eine Ausnahme gilt nur für die sogenannten „privilegierten Veränderungen“ wie bspw die Errichtung von Strom- oder Gasleitungen oder Beheizungsanlagen, die gesetzlich ausdrücklich in § 16 Abs 2 Z 2 WEG angeführt sind. 


Die WEG-Novelle 2024 hat nun diesen taxativen Katalog von privilegierten Änderungsmaßnahmen um die Anbringung von Photovoltaikanlagen an der Terrasse oder am Balkon zur Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts ergänzt. Dies bedeutet, dass änderungswillige Wohnungseigentümer, die eine Photovoltaikanlage an der Terrasse oder am Balkon ihres Wohnungseigentumsobjekts zur Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts anbringen wollen, weder ein wichtiges Interesse des änderungswilligen Wohnungseigentümers noch die Übung des Verkehrs nachweisen müssen. Vielmehr wird nunmehr von Gesetzes wegen angenommen, dass diese Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Anbringung von Photovoltaikanlagen am Balkon oder an der Terrasse zur Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts gegeben sind.


Die Privilegierung besteht im Übrigen jedoch nur, wenn (a) die Anlage zum Zwecke der Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts am Balkon oder an der Terrasse errichtet werden soll und (b) sofern der Anschluss an eine bestehende Einrichtung – etwa an eine schon im Haus vorhandene gemeinschaftliche Photovoltaikanlage – und die Beteiligung an dieser Gemeinschaftsanlage nicht möglich oder nicht zumutbar ist. 


Sofern die Zustimmung nicht aller Wohnungseigentümer erlangt werden kann, setzt die gerichtliche Ersetzung einer nicht erteilten Zustimmung – wie bei allen anderen privilegierten Änderungen – auch bei Photovoltaikanlagen zudem voraus, dass die sonstigen in § 16 Abs 2 WEG genannten Voraussetzungen ebenfalls gegeben sein müssen. So darf die Anbringung der Photovoltaikanlage an der Terrasse oder am Balkon weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine negative Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses iS einer Verschlechterung des Erscheinungsbildes, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen bewirken (etwa weil die statische Sicherheit nicht gewährleistet ist oder die Tragfähigkeit für die Photovoltaikanlage nicht gegeben ist).


B.    Wann ist die Privilegierung nach § 16 Abs 2 WEG bei der Anbringung einer Photovoltaikanlage nicht gegeben?
In den nachstehend angeführten beispielhaften Fallkonstellationen ist eine Privilegierung nach § 16 Abs 2 WEG nicht gegeben. 
(1)    Die Photovoltaikanlage soll weder am Balkon noch an der Terrasse des Wohnungseigentumsobjekts des änderungswilligen Wohnungseigentümers, sondern an einem anderen allgemeinen Teil des Hauses (etwa am Dach oder auf Fassadenflächen oder auf sonstigen Allgemeinflächen wie etwa gemeinschaftliche Grünanlagen) angebracht werden.
(2)    Die Photovoltaikanlage soll überdimensioniert errichtet werden, da die Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts nicht im Vordergrund der Errichtung der Anlage steht.
(3)    Die Photovoltaikanlage dient nicht der Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts mit Energie, sondern soll lediglich als reine Einspeiseanlage ausgestaltet sein.
(4)    Die Photovoltaikanlage soll nicht nur das Wohnungseigentumsobjekt des änderungswilligen Wohnungseigentümers, sondern auch andere Objekte mit Strom versorgen.
Ein Wohnungseigentümer müsste daher bei diesen Fallkonstellationen die Verkehrsüblichkeit oder ein wichtiges Interesse vor Gericht in dem wohnungseigentümsrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG nachweisen, wenn er nicht die Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer erlangt.


4.    Inkrafttreten
Die Neuregelungen treten mit 1.September 2024 in Kraft.
 

 

Autorin: Michaela Schinnagl

Leitung Fachreferat für Rechtsangelegenheiten GBV