Arbeitsreiches Frühjahrstreffen bei Housing Europe in Brüssel


Housing Europe ist der Dachverband der öffentlichen, genossenschaftlichen und sozialen Wohnbauträger in der Europäischen Union. Er wurde 1988 gegründet und ist heute ein Netzwerk von 44 nationalen und regionalen Wohnbauverbänden sowie 16 Partnerorganisationen in 31 europäischen Ländern. Housing Europe veranstaltet Konferenzen, ist im regelmäßigen Austausch mit VertreterInnen von EU-Institutionen und bringt Lösungsvorschläge zur Verbesserung des leistbaren Wohnbaus auf EU-Ebene ein.
Zweimal im Jahr treffen VertreterInnen der Mitgliedsverbände von Housing Europe in Brüssel zu so genannten „Working committees“ (Arbeitsgruppentreffen) zusammen. In intensiven zwei Tagen werden wohnbaurelevante Initiativen und europäische Richtlinienentwürfe diskutiert, Meinungsbilder eingeholt, die Ergebnisse von Forschungsprojekten vorgestellt und Lösungsansätze aus den verschiedenen Ländern ausgetauscht. Das Brüsseler Büro von Housing Europe unter der Leitung von Sorcha Edwards organisiert diese Arbeitstreffen, nicht ohne sich vorab mit den Mitgliedern zu den gewünschten Diskussionsbeiträgen abzustimmen.
Der Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen ist regelmäßig bei den Working Committees vertreten: Christian Krainer (ÖWG) ist stellvertretender Vorsitzender des „Housing Observatory“, das sich der vergleichenden Wohnbauforschung widmet. Bernd Rießland (früherer Verbandsobmann und nun „Außenvertreter“ des Verbandes) ist stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Wirtschaft, Finanzen und Binnenmarkt. Das wohnwirtschaftliche Referat des Verbandes mit Gerlinde Gutheil und Gerald Kössl wirkt kontinuierlich in verschiedenen Arbeitsgruppen mit.
Einige Highlights aus dem Arbeitstreffen von März 2025 mit Bezug zu Österreich:
- Umfassend wurde über die geplante Revision der EU-Beihilferegeln diskutiert, insbesondere über eine Neudefinition der Zielgruppe für „sozialen Wohnbau“ im Rahmen der so genannten „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ (SGEI). Trotz unterschiedlicher Zugänge der Landesverbände herrschte Konsens darüber, dass eine enge, nur auf unterste Einkommensgruppen beschränkte Definition dem multiplen Marktversagen im Wohnungswesen sowie den vielfältigen Aufgaben des sozialen Wohnbaus nicht gerecht würde. Die Mehrheit (inkl. des Verbandes) sprach sich daher für eine Ausweitung der Zielgruppendefinition aus, um die soziale Durchmischung in Nachbarschaften zu garantieren.
- In der Arbeitsgruppe für Soziales wurde über EPOCH, die europäische Plattform zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit berichtet. Gerlinde Gutheil ergänzte mit einem österreichischen Erfahrungsbericht über die erfolgreiche Kooperation zwischen Politik, Sozialwirtschaft und Wohnungswirtschaft im Rahmen des Projekts „Housing First Österreich – zuhause ankommen“ sowie dem Nachfolgeprogramm „Wohnschirm Housing First“.
- Ein erster Einblick in die „Future EU Construction Strategy“ (zukünftige Bauwesenstrategie der EU) zeigte die großen Herausforderungen im Bauwesen auf: Sinkende Zahl an Arbeitskräften, geringe Arbeitsproduktivität und Innovationskraft bei gleichzeitig hohen Anforderungen: Erreichen der Kreislauffähigkeit des Bauwesens und eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 durch Nullemissionsgebäude und Minimierung der Lebenszyklusemissionen.
- Bei der Vorstellung eines europäischen Forschungsprojekts zum breiten „Roll-out“ von Wärmepumpenlösungen für die Dekarbonisierung des europäischen Mehrfamilienhausbestandes (install.res, siehe www.energyagency.at/installres ) wurden Pilotprojekte des Projektpartners SOZIALBAU als Vorzeigebeispiele präsentiert. Der Verband (G. Gutheil) ist als nationaler Breakthrough-Partner in das Projekt involviert.
- In der Präsentation der geplanten Aktivitäten der Europäischen Investitionsbank (EIB) für die „gesamteuropäische Investitionsplattform für erschwinglichen und nachhaltigen Wohnraum“ wurde betont, dass der Fokus auf der Finanzierung solcher Vorhaben liegt, die vom Markt nicht oder nicht ausreichend finanziert werden: Von Notunterkünften über sozialen Mietwohnbau bis zu erschwinglichem Eigentum mit Anti-Spekulationsauflagen.
- G. Kössl (Verband) präsentierte eine Klassifikation des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG/ESA), wonach Investitionen gemeinnütziger Bauvereinigungen in Österreich auch dann nicht dem Sektor Staat zuzurechnen sind und unter Maastricht-Kriterien fallen, wenn diese einen öffentlichen Eigentümer haben. In einzelnen Ländern, in denen die Mieteinnahmen der sozialen Wohnungsunternehmen im Vergleich zu öffentlichen Subventionen untergeordnet sind, können diese Unternehmen sehr wohl dem Sektor Staat zugerechnet werden.
- Der Sonderausschuss zur Wohnraumkrise in der Europäischen Union (Special Committee on the Housing Crisis in the European Union (HOUS)), das im Dezember 2024 eingerichtet wurde, befasst sich in mehreren Sitzungen u.a. mit guten Beispielen zur Finanzierung und Umsetzung von leistbarem Wohnbau und plant im Juli 2025 einen Studienbesuch nach Wien.
- Der nächste „State of Housing in the EU“ Bericht von Housing Europe wird im Herbst 2025 erscheinen. GBV-Experte Gerald Kössl gehört zum vierköpfigen internationalen Redaktionsteam.
Eine Exkursion zu einem modularen Wohnbauprojekt („Woontrots“ in Tervueren, Flandern) sowie ein geselliges Abendessen rundeten das Meeting ab. Das nächste Mal trifft sich die europäische Social Housing Community in deutlich höherer Zahl mit vielen Partnern aus Forschung, Politik, Architektur, Finanzwesen und Kunst beim International Social Housing Festival im Juni 2025 in Dublin (https://www.socialhousingfestival.eu/). Auch hierfür laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren – 350 unterschiedliche Veranstaltungsideen wurden eingereicht, die nun von der Jury geprüft und nach Themen zusammengefasst werden.


Autorin: Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald