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Auswirkungen der Pandemie auf GBVs: ein Jahr mit Corona

Im April und Mai 2021 wurden 33 Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen von gemeinnützigen Bauvereinigungen zu Ihren Einschätzungen zu den Herausforderungen, Chancen und Lerneffekten 14 Monate nach Beginn der COVID-19-Pandemie befragt. Die Umfrage ist auch ein Follow-up zur ersten telefonischen Befragung kurz nach Ausbruch der Pandemie im April 2020. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes, in Summe aber optimistisches Bild.

Geringe Auswirkungen auf Bau- und Sanierungstätigkeit, Entwicklung am Rohstoffmarkt bedenklich

Die gesetzlichen Baustopps gleich zu Beginn der Pandemie konnten durch die rasche sozialpartnerschaftliche Einigung auf Hygienemaßnahmen innerhalb weniger Wochen beendet werden. Diese kurzfristigen Baustopps konnten in den meisten Fällen somit über das Jahr wieder aufgeholt werden und die Wohnungsübergaben damit wie geplant stattfinden. Vereinzelt kam es zu Verzögerungen bei Großprojekten, aber auch hier war das Ausmaß auf wenige Wochen beschränkt. Der Großteil (85%) der Befragten gab demnach an, dass es insgesamt zu keinen Covid19-bedingten Verzögerungen bei den Fertigstellungen kam. Dies bestätigt auch das Ergebnis der Schnellerhebung, die für 2020 ein Langzeithoch bei den Fertigstellungen verbuchen konnte.


Quelle: GBV Covid19 Erhebung April/Mai 2021

Während es also bei in Bau befindlichen Projekte kaum zu Verzögerungen kam, so stellt sich die Situation im Planungsprozess anders dar. Etwas mehr als die Hälfte (55%) aller Befragten gab an, dass es bei Ausschreibungs- und Planungsprozessen (etwa bei Behörden oder Planungsbüros) zu relevanten Verzögerungen kam, 39% hatten keine diesbezüglichen Verzögerungen zu berichten und für 6% war die Beantwortung differenziert. Als Ursache dafür wurden sowohl personelle als auch technische Gründe genannt (z.B. Erreichbarkeit, Übermittlung/Begutachtung von Bauplänen, Bauverhandlungen). Die Verzögerungen bei den Behördenwegen wurden jedoch längerfristig als nicht besonders problematisch eingestuft, da diese im Entwicklungsprozess zum Teil wieder aufgeholt werden können. 


Quelle: GBV Covid19 Erhebung April/Mai 2021

Bis dato kam es auch noch kaum zu Projekteinstellungen. Fast alle (94%) interviewten Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen gaben an, dass es im Zusammenhang mit Corona noch zu keiner Komplett-Einstellung von geplanten Projekten kam. 


Quelle: GBV Covid19 Erhebung April/Mai 2021

Während der Blick auf das vergangene Jahr recht positiv ausfällt und die Pandemie als gut gemeistert erlebt wird, so bereitet der Blick in die Zukunft etwas Sorgen, vor allem was die Entwicklung auf den (internationalen) Rohstoffmärkten angeht. Fast durchwegs werden seit Februar/März starke Preisanstiege bei Baumaterialien verzeichnet (Dämmmaterialien, Holz, Stahl, etc.) bzw. sind Baumaterialien in manchen Fällen aufgrund von Problemen bei internationalen Lieferketten derzeit gar nicht verfügbar. Es wurde auch angemerkt, dass Preise in Anboten oft nur mehr tagesaktuell gelegt werden. d.h. nur für einen oder ein paar Tage gültig sind. Obwohl es noch schwierig ist einzuschätzen, ob die angespannte Lage andauern wird, rechnen viele GBVs aufgrund der derzeitigen Schwierigkeiten mit Verzögerungen im Bauprozess. In welchem Rahmen sich diese bewegen werden, wird die Entwicklung der (Rohstoff-)märkte in den kommenden Wochen und Monaten weisen.

Sanierungen etwas mehr betroffen

Im Vergleich zur Bautätigkeit im vergangenen Jahr waren Sanierungen etwas stärker von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Rund ein Viertel (27%) aller Befragten gaben an, dass manche Totalsanierungsmaßnahmen im letzten Jahr aufgrund der Pandemie verschoben wurden. Während hier seit kurzer Zeit auch die Lieferkettenprobleme am Rohstoffmarkt eine Rolle spielen (z.B. Dämmstoffe bei thermischer Sanierung) waren davor insbesondere Sanierungen im GBV-verwalteten Wohnungseigentum betroffen. Abstimmungs- und Meinungsbildungsprozesse hinsichtlich Sanierungsentscheidungen waren aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zu Versammlungen schwierig zu organisieren, was zu Verzögerungen führte. 


Quelle: GBV Covid19 Erhebung April/Mai 2021

Stundungsvereinbarungen und Delogierungsstopps

Die angespannte Situation am Arbeitsmarkt hat für viele Haushalte finanzielle Einbußen mit sich gebracht, die auch eine erhöhte Schwierigkeit bei der Zahlung der Mieten nahelegt. Erste internationale Untersuchungen deuten auf einen merkbaren Anstieg der Mietrückstände hin. Der im März 2021 erschienene Bericht The State of Housing in Europe weist etwa auf einen Anstieg der Mietrückstände im italienischen Privatmietwohnungsmarkt von 10% auf 24% hin.  Eine britische Studie vom Februar 2021 hat ergeben, dass sich die Anteile der Mieterhaushalte mit Mietrückständen von zwischen 3% und 4% vor der Pandemie auf 6% bis 9% erhöht haben.  Diese Ergebnisse werden auch von einer Umfrage von Eurofound untermauert. Laut dieser Studie waren im Juni/Juli 2020 in der gesamten EU rund 10% aller Mieter von Zahlungsrückständen betroffen, in Österreich sind es laut dieser Studie rund 6% aller Mieterhaushalte.  

Auch GBVs registrieren eine erhöhte Anzahl an Anfragen zu Stundungen, auf die individuell eingegangen wird. Insgesamt wird die Situation hinsichtlich Mietrückstände aber noch nicht als besorgniserregend eingestuft und die Ansuchen um Stundungen halten sich in Grenzen. Es wird in den Interviews aber auch darauf hingewiesen, dass die Entwicklung diesbezüglich stark von der Entwicklung am Arbeitsmarkt und den generellen wirtschaftlichen Aussichten abhängen wird. Wo sehr wohl stärkere Anstiege bei Stundungsvereinbarungen und Mietausfällen zu verzeichnen sind, ist der Bereich der Vermietung von Geschäftsräumen. Auch hier werden seitens der GBVs individuelle Lösungen gesucht. Betroffen sind vor allem Geschäftsmieter, die personenbezogene Dienstleistungen anbieten (Friseure, Gastronomie), weniger stark waren die Auswirkungen bei Steuerberatern oder sonstigen Büros. Die Auswirkungen bzgl. Mietrückständen sind daher bei GBVs mit einem höheren Anteil von vermieteten Geschäftsräumen stärker zu spüren. Bis dato wird auf Zahlungsrückstände mit individuellen Stundungsvereinbarungen reagiert. Darüber hinaus gibt es auch seitens diverser Sozialeinrichtungen bzw. der Länder Maßnahmen zur Delogierungsprävention, der Schuldnerberatung oder des Bezugs der Wohnbeihilfe. 

 Kompliziertere Abwicklung von Wohnungsübergaben führten zu höheren Leerständen

Neben den leichten bis moderaten Anstiegen bei Mietrückständen wurde in den Gesprächen mehrmals auf die steigenden Leerstände hingewiesen, die sich durch die Pandemie ergeben haben. Die schwierigere Abwicklung von Wiedervermietungen im Bestand aufgrund der Hygienemaßnahmen hatte zur Folge, dass oft mehr Zeit zwischen dem Aus- und Einzug von Mieterinnen und Mieter lag, was zu einer Erhöhung des (kurzfristigen) Leerstands geführt hat. Es wurde in diesem Zusammenhang auch auf Probleme bei Nachbelegung von Wohnungen hingewiesen, wo das Vergaberecht bei den Gemeinden liegt, welche bisweilen nur schleppend Nachfolgemieterinnen und -mieter nominierten. 

 Herausforderungen in der kommenden Zeit

 Die folgende Darstellung zeigt, als wie groß die kurz- und mittelfristigen Herausforderungen in den verschiedenen Themenfeldern von den Befragten eingeschätzt werden (Mittelwert). Ein Wert von 1 bedeutet „keine Herausforderung“, ein Wert von 4 bedeutet: „Sehr große Herausforderung“.


Quelle: GBV Covid19 Erhebung April/Mai 2021

Keine Gefahr wird für die Zahlungsfähigkeit der gemeinnützigen Unternehmen selbst gesehen (Ø 1,0). Der (erwartete) Anstieg von Zahlungsrückständen und -ausfällen vonseiten der Mieter und Mieterinnen wird überwiegend als geringe, aber doch wahrnehmbare Herausforderung genannt (Ø 1,7). Trotz rascher und problemloser Umstellung der betrieblichen Abläufe zu Beginn der Pandemie (Einführung Homeoffice und Schichtbetrieb, verstärkte Digitalisierung) wird dieser Bereich auch zukünftig als leichte Herausforderung wahrgenommen. Ähnlich sieht es bei sonstigen arbeitsrechtlichen Themen v.a. im Zusammenhang mit dem Kundenkontakt aus (beides Ø 1,7). 

Die Förderung von Gesundheit, Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird als vorhandene, aber lösbare Herausforderung beschrieben (Ø 1,9). Grundsätzlich kamen diese bisher gesundheitlich gut durch die Pandemie, aber die allgemeine "Pandemiemüdigkeit" ist auch bei den GBVs zu spüren. Maßnahmen zur Sicherheit im Betrieb wurden sehr gut angenommen (Antigentests, Antikörpertests, bauliche Maßnahmen,…).

Als größte Herausforderung der kommenden Monate werden, wie schon zuvor erwähnt, die Verzögerungen im Planungs- und Bauprozess genannt (Ø 2,2. Einzelwertungen bis 4). Überwiegend wurden hier die Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen am Rohstoffmarkt als Begründung angeführt, die in manchen Unternehmen zu einem Ausschreibungsstopp geführt haben und, sofern sich die Situation nicht bessert, Rückgänge bei den Fertigstellungen ab 2022 nach sich ziehen können. 

Von einigen Unternehmen wurde als weitere, allerdings nicht auf COVID-19 rückführbare Herausforderung die schwierige Personalakquisition genannt, insbesondere im Bereich Hausverwaltung und Haustechnik. 

Lernen aus der Pandemie

Schließlich wurden die GBV- Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen nach dem Wichtigsten gefragt, das sie aus den Monaten der Pandemie gelernt hätten. 

Mehrmals fiel dabei der Begriff: Flexibilität. Es geht auch anders, als wir bisher gewohnt waren! 

Not macht erfinderisch. Ob dies eine Schlüsselübergabe durch das Fenster bedeutet, ein virtuelles Mitarbeiterfest oder ein umfassender Digitalisierungsschub im Unternehmen – innovative Lösungen zum Umgang mit der neuen Situation wurden gesucht und gefunden. 

Weiters wurde die (teilweise neu entdeckte) Schlüsselrolle der Unternehmenskommunikation hervorgehoben. Von einer Person wurde sogar spezifiziert: "In Krisenzeiten ist die Innenkommunikation noch wichtiger als die Außenkommunikation".

Videokonferenzen wurden zur selbstverständlichen Kommunikationsform – obwohl sie in Zukunft sicher nicht die persönlichen Kontakte vollständig ersetzen können, werden sie dennoch Teil der Geschäftskommunikation bleiben. So können gleichzeitig auch Reisekosten und CO2-Emissionen eingespart werden. Ebenfalls berichtet die Mehrheit der Befragten, dass Homeoffice sehr gut funktioniert hat und in jenen Bereichen, wo dies möglich ist, Bestandteil des Betriebs bleiben wird. 

Rolle der Gemeinnützigkeit

Der Innovationsschub in Richtung höherer Flexibilität hat nichts daran geändert, dass die gemeinnützige Wohnungswirtschaft in der Krise als „Fels in der Brandung“ wahrgenommen wurde. Es ist eine krisenresiliente, am Menschen orientierte Branche, für die man gerne arbeitet. Dies deckt sich in hohem Maße mit den Einschätzungen der ersten Umfrage vor 14 Monaten. 

„Verlässlichkeit, Sicherheit und Zusammenhalt“ in Verbindung mit dem nachhaltigen Geschäftsmodell der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft wurden als das Erfolgsrezept beschrieben, das die Gemeinnützigen gut durch die Krise geführt hat. 

 

Die Offenheit für Neues habe der Branche sehr gutgetan – und möge ihr aus Sicht mehrerer Befragten weiterhin erhalten bleiben. So könne sie auch in Zukunft ihre Stärken sowohl als Stabilitätsfaktor, als auch als Wirtschaftsmotor ausspielen. 

Das Befragungsteam bedankt sich herzlich bei den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern für die Teilnahme an der Befragung!