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Wärmewende im Wohnbau – wie geht’s voran?

Das Aprilwetter hat uns fest im Griff – innerhalb weniger Minuten folgen freundliche Sonnenstrahlen auf Graupelschauer und Sturm. So schnell geht es beim Heizungstausch von Öl und Gas auf erneuerbare Energiequellen leider nicht, und doch ist der wechselhafte April am Ende der Heizperiode ein sehr passender Monat, um sich der Frage der Wärmewende im Gebäudesektor zu widmen.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 hat kürzlich eine Studie („Wohnbaucheck 2021“) herausgebracht, bei der die österreichischen Bundesländer hinsichtlich ihrer „Klimafitness“ beim Heizen und Sanieren verglichen wurden. Die jeweiligen Fortschritte beim Ausstieg aus Öl und Gas sowie der Erhöhung der Energieeffizienz in Gesetzgebung, Förderung und Umsetzung wurden unter die Lupe genommen. Die nüchterne Bilanz lautet, dass kein einziges Bundesland in allen Bereichen gute Ergebnisse erzielt und sich Klimapionier nennen darf. Am besten schneidet Wien ab, v.a. aufgrund seines Erneuerbaren-Gebots beim Ersatz von Ölheizungen. Ex aequo auf Platz zwei liegen Kärnten und Vorarlberg, die eine ziemlich gute Performance beim Erdgas-Ausstieg aufweisen. Vorarlberg, Burgenland und Tirol wiederum haben die besten Werte bei der thermischen Gebäudequalität.

Auch im gemeinnützigen Wohnbau, der schon bisher eine Vorreiterrolle bei der Dekarbonisierung des Wohnungssektors eingenommen hat, wurde kürzlich vom Verband eine Mitgliederbefragung zum Thema Wärmewende durchgeführt. Wie geht es mit der Umstellung der Heizsysteme voran? Was wurde in den letzten Jahren getan und was ist in naher Zukunft geplant? Wo gibt es Stolpersteine, wo Erfolgserlebnisse? An der Befragung haben 106 von 185 Mitgliedsunternehmen teilgenommen, welche einen Wohnungsverwaltungsbestand von knapp 700.000 (72% des GBV-Bestands) repräsentieren.

Gefragt nach der strategischen Bedeutung, die die Themen „Heizungstausch und Umstellung auf erneuerbare Energiequellen bzw. Fernwärme“ im Unternehmen haben, gaben 72% an, dass diese für sie eine „sehr hohe“ oder „hohe Bedeutung“ habe.

Öl und Gas raus  – Fernwärme rein

Allein in den letzten fünf Jahren (2016-2020) wurden bei rund 23.000 Wohnungen in 1.200 Gebäuden die Heizungen getauscht – in rund 60% der Fälle (750 Objekte, 13.000 Wohnungen) handelte es sich dabei um eine Umstellung des Heizsystems auf Fernwärme oder erneuerbare Energieträger. Der mit Abstand häufigste Heizungswechsel war jener von Gas- oder Öl(zentral)heizung zu Fernwärme. 

Diagramm: Wohnungen mit Heizungsumstellung auf Fernwärme und erneuerbare Energiequellen (2016-2020). Ergebnis einer Verbandsumfrage unter gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen. Quelle: GBV (2021)

Selbst in jenen Fällen (rund 300 Objekte, 7.300 Wohnungen)1, wo weder ein Anschluss an die Fernwärme noch ein erneuerbarer Energieträger eine Option war, wurde durch den Heizungsumbau die CO2-Bilanz verbessert: Dabei handelte es sich vor allem um die Umstellung von klassischen Gasthermen auf moderne Gas-Brennwerthermen, um den Umbau von Öl- auf Gasheizungen oder um die Umstellung von dezentralen auf zentrale Heizanlagen. Doch auch Gasheizungen haben ein Ablaufdatum – gilt es doch, sich schrittweise von allen fossilen Energieträgern bei den Heizsystemen zu verabschieden. 

Wie sehen die konkreten Planungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen in den kommenden vier Jahren (2021-2024) aus? 

Bei den befragten Unternehmen ist bis 2024 eine Heizungsumstellung in 17.000 Wohnungen geplant. Auch weiterhin ist der Fern- oder Nahwärmeanschluss das Hauptziel des Heizungstausches (39% der Wohnungen), an zweiter Stelle (26%) steht jedoch noch immer die fossile Gasheizung (Umstellung auf Brennwerttherme oder eine zentrale Gasheizung). Danach folgt die Wärmepumpe (17%), die bisher in der Sanierung noch kaum eine Rolle gespielt hat und schließlich die Hackschnitzel- oder Pelletsanlage (6%). Bei 12% der Wohnungen konnte die neue Energiequelle nach der Umstellung noch nicht angegeben werden. 

Die kommenden Jahre dürften v.a. dazu genützt werden, sich der letzten Ölheizungen im gemeinnützigen Wohnbau zu entledigen und Fernwärmeanschlüsse überall dort voranzutreiben, wo dies möglich ist. Wärmepumpen werden manchmal als primäres Heizsystem, häufiger als Ergänzung zu einer zentralen Gasheizung genannt. 

Zentralisierung der Heizsysteme

Ein Schlüssel für die vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist die Zentralisierung der Heizsysteme. Wie schon an anderer Stelle dargestellt, sind die Wohnungen mit Gasetagenheizungen die „härtesten Nüsse“, die es bei der Dekarbonisierung im Geschoßwohnbau zu knacken gibt. Da ein allein wohnungsseitiger Energieträgertausch nicht möglich ist, muss der Umweg entweder über die parallele Führung von zwei Systemen (z.B. Fernwärme und Gas) oder über die Zentralisierung des Heizsystems vor der Umstellung gegangen werden.

Umso erfreulicher ist, dass bei den Gemeinnützigen zwischen 2016 und 2020 in mindestens 360 Objekten nachträglich eine Heizzentrale eingebaut wurde. 7.500 Wohnungen, die vorher dezentral beheizt wurden, wurden bereits an die zentrale Heizanlage angeschlossen; im Endausbau werden es dort mehr als 10.000 Wohnungen sein. Häufig ist die Zentralisierung des Heizsystems die Grundvoraussetzung für einen Umstieg auf Fernwärme oder Wärmepumpe. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass sich dort, wo die Zentralisierung aufgrund fehlender Zustimmung der Bewohner/innen oder mangels Wirtschaftlichkeit nicht möglich ist, die Dekarbonisierung deutlich verzögert. 

Was erst am Anfang steht, ist die Kombination von energetischer Sanierung und erneuerbarer Energieproduktion (vgl. die Initiative „Wärmewende Plus“). Im Gegensatz zum Neubau, wo die Errichtung von Photovoltaikanlagen am Dach schon beinahe Standard ist, gaben nur 10% der Befragten an, im Zuge einer energetischen Sanierung (Heizungsumstellung) bei einzelnen Gebäuden auch eine Photovoltaikanlage installiert zu haben.

Herausforderungen und Chancen

Wo sehen die gemeinnützigen Unternehmen die größten Herausforderungen, wo die größten Chancen in der praktischen Umsetzung der Wärmewende?

  • Die Ausgangssituation mit dezentralen Heizungen wird als die größte technische Herausforderung beschrieben, besonders dort, wo ein Umbau auf eine zentrale Anlage aus technischen und wirtschaftlichen Gründen kaum möglich erscheint. Oft wird auch der große Platzbedarf für die Haustechnik moderner Heizsysteme (Heizzentrale, Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen am Dach) als Erschwernis genannt. Fehlende Fernwärmeanschlussmöglichkeiten insbesondere im ländlichen Raum sind ebenfalls eine Herausforderung, allerdings wird dies auch als Chance für die Errichtung von Erdwärme-Wärmepumpen in Verbindung mit thermischen Solaranlagen und/oder Photovoltaikanlagen genannt.
  • Noch größer als die technischen Herausforderungen sind in vielen Fällen die rechtlich/organisatorischen: Sowohl im Mietrecht, als auch beim Wohnungseigentum ist die Zustimmung der Mieter/innen bzw. Eigentümer/innen zu bestimmten Umbaumaßnahmen notwendig und oft nur schwierig zu erreichen. Eine Zustimmung erhält man am ehesten dann, wenn der Umbau in der Wohnung selbst eingriffsarm erfolgen kann und klare finanzielle Vorteile für die Nutzer/innen ersichtlich sind. Insbesondere im Wohnungseigentum werden jedoch der fehlende Eigentümerwille und der zeitaufwändige Willensbildungsprozess bemängelt. 
  • Wirtschaftliche Herausforderungen sehen die Gemeinnützigen in den hohen Investitionskosten und der langen Amortisationsdauer der Maßnahmen sowie der Tatsache, dass in älteren Gebäuden der Umbau oft durch den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB) nicht gedeckt werden kann. Förderungen werden als unzureichend und unübersichtlich beschrieben. Der Umstieg auf Erneuerbare oder Fernwärme sei v.a. dort unwirtschaftlich, wo erst vor wenigen Jahren eine neue - nicht erneuerbare - Energiequelle angeschafft wurde. Konkrete finanzielle Vorteile werden jedoch in der Senkung der Wartungs- und Reparaturkosten (u.a. durch Digitalisierung und Fernüberwachung der Anlagen) gesehen. Vor allem dann, wenn der Heizungstausch auch mit einer thermischen Sanierung verbunden wird, sei auch für die NutzerInnen eine Kostenersparnis zu verbuchen.
  • An die Politik und Gesetzgebung gerichtet lauten die (durchaus heterogenen) Wünsche der gemeinnützigen Unternehmen: Ein Mehr an Kostenwahrheit, damit erneuerbare Energieträger und Ferwärme günstiger im Vergleich zu fossilen Energieträgern werden sowie längerfristig kalkulierbare Förderungen, damit der Umstieg wirtschaftlich(er) wird. In Bezug auf das Wohnrecht wird u.a. die Einführung einer gesetzlichen Regelung gewünscht, die den Mieter verpflichtet, eine Erneuerung des Heizsystems unter ökologischen Gesichtspunkten zu dulden. Auch für das WEG (Wohnungseigentumsgesetz) und für das WGG (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) werden unterschiedliche Wünsche zur Erleichterung der Beschlussfassung und Finanzierbarkeit des Heizungsumbaus genannt.

Fazit

Trotz aller Herausforderungen sind sich die meisten Befragten dahingehend einig, dass die Dekarbonisierung der Heizsysteme nicht nur ein Gebot der Stunde ist, sondern auch eine riesige Chance darstellt: Natürlich für die Klimabilanz Österreichs, aber auch für die Lebensqualität der Bewohner/innen, für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie und für die Zukunftsfitness der Wohnungswirtschaft. 

Die Wärmewende soll jedoch – wie die Energiewende insgesamt – eine sozial gerechte sein und nicht auf Kosten der Leistbarkeit des Wohnens gehen.

Mit der Aufstockung der Sanierungsoffensive für den Heizkesseltausch und die thermische Sanierung wurde erst vor wenigen Tagen ein Förderpaket für die einkommensschwächsten Haushalte geschnürt. Haushalte des untersten Einkommensfünftels können bis zu 100% ihrer klimarelevanten Investitionskosten ersetzt bekommen. Diese Maßnahme weist in die Richtung einer sozial gerechten Wärmewende. Wichtig wäre es, in einem weiteren Schritt auch die finanziellen Rahmenbedingungen in Mehrfamilienhäusern für jene Objekte zu verbessern, in denen aufgrund von technischen und wirtschaftlichen Erschwernissen nur mithilfe einer Anschubfinanzierung ein Heizungsumbau wirtschaftlich und ohne Zusatzbelastung für die Mieterinnen und Mieter finanzierbar ist.

 Autorin: Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald

 1 Bei den verbleibenden rund 3.000 Wohnungen fehlte die Angabe über die Art des Heizungswechsels.

 

Quellen

GLOBAL 2000 - WOHNBAUCHECK 2021: https://www.global2000.at/wohnbaucheck 

GBV (2021): Online-Umfrage unter den Verbandsmitgliedern „Heizungstausch und Umstellung auf erneuerbare Energiequellen bzw. Fernwärme“, Februar 2021

Gutheil-Knopp-Kirchwald, G. (2020): Dekarbonisierung des Gebäudesektors im gemeinnützigen Wohnungsbestand. OIB aktuell 2/2020, S. 26-29