Aktuelle WIFO Studie zeigt: gemeinnützige Bauvereinigungen wirken kostendämpfend
Die gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBVs) sind ein wichtiger Bestandteil der österreichischen Wohnungswirtschaft. Mit 650.000 verwalteten Wohneinheiten repräsentieren sie 40% des gesamten Mietwohnungsbestandes. Hinzu kommen rund 360.000 errichtete Eigentumswohnungen seit 1945. Daraus ergeben sich auch enorme wirtschaftliche Auswirkungen für Österreich, wie die neue Studie „Ökonomische Wirkungen des gemeinnützigen Wohnbaus“, die vom Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen beauftragt und vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Wien (WIFO) durchgeführt wurde, nun belegt.
Kostendämpfende Wirkung
Die geschätzte kostendämpfende Wirkung der GBV-Wohnungen (Miete und Eigentum) beläuft sich derzeit auf rund 1,3 Mrd. € pro Jahr. Der Großteil entfällt dabei auf Miete. Der Vergleich des GBV-Wohnungsbestandes mit möglichst ähnlichen privaten Mietwohnungen zeigt, dass sich auch nach einer Bereinigung um strukturelle Wohnungscharakteristika (Größe, Ausstattung, Lage/Region) ein deutliches Preisdifferential ergibt. „Im Falle von Mietwohnungen liegt der Mietvorteil von GBVs gegenüber privaten Mietwohnungen bei rund 2,3 € je Quadratmeter, was einer durchschnittlichen monatlichen Ersparnis von 160 € entspricht. Besonders stark sind die Unterschiede in neu errichteten Gebäuden (3,0 €), aber auch bei älteren Wohnungen aus den 60er oder 70er Jahren liegen die Unterschiede noch bei über 2,0 €“, analysiert Michael Klien, Wohnbauexperte des WIFO. Auch regional gibt es Unterschiede: Der Wohnkostenvorteil der GBVs ist in Regionen mit einem angespannten Wohnungsmarkt besonders hoch. Gerade in Österreichs Städten, wo die privaten Mietpreise in den letzten Jahren besonders stark angestiegen sind, zeigt sich der entlastende Effekt für die Haushalte. Ebenso gibt es Unterschiede bei den Einkommensgruppen: Von den GBV-Mietvorteilen profitieren alle Einkommensgruppen – am stärksten die zwei unteren Einkommensfünftel, am geringsten das oberste Einkommensfünftel.
„Die Gründe für den hohen Mietvorteil liegen in unserer GBV-DNA: Das Agieren von GBVs unterscheidet sich deutlich von dem der gewinnorientierten Anbieter, aber auch vom staatlichen bzw. kommunalen Wohnbau“, hält Verbandsobmann Bernd Rießland fest. „Aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Begrenzung der Profite und der kostenbasierten Preissetzung kommt es zu diesen Vorteilen. Die Mieten von GBV-Wohnungen sind infolgedessen um rund 22% pro Quadratmeter unter jenen von gewinnorientierten Anbietern“, so Rießland weiter. „Trotz hoher Neubauleistung in den vergangenen Jahren verdeutlicht der anhaltend hohe Preisunterschied, dass es immer noch eine hohe Nachfrage nach leistbarem Wohnen gibt. Der Beitrag der GBVs zur Dämpfung der Wohnkosten ist daher aktuell besonders groß“, betont Obmannstellvertreter Herwig Pernsteiner die Aufgabe der GBVs.
Der durchschnittliche Preisvorteil von GBV zu privaten Mietwohnungen beträgt 2,3 Euro pro Quadratmeter. Besonders stark ausgeprägt ist der Mietvorteil in neueren Gebäuden und in städtischen Räumen, wo der Vorteil bei rund 3 Euro am Quadratmeter liegt. © WIFO
Effekte auf Wohnungseigentum
Auch im Bereich der Eigentumswohnungen sieht man den positiven Effekt des GBV-Sektors. Unter den getroffenen Annahmen beträgt der geschätzte Eigentumsvorteil aus GBV-Eigentumswohnungen rund 122 Mio. €. So viel ersparen sich die Haushalte im Jahr 2019 an Finanzierungskosten, wenn sie ihre Eigentumswohnung (Baujahr 1980 bis heute) zu einem kostenbasierten Preis bei einer gemeinnützigen Bauvereinigung anstelle bei einem gewerblichen Bauträger gekauft haben. „Der Effekt ist erwartungsgemäß deutlich geringer als im GBV-Mietwohnungssegment, da der zugrundeliegende Wohnungsbestand auch wesentlich geringer ist“, fasst Klien die Effekte auf Wohnungseigentum zusammen. Der Eigentumsvorteil ist stärker auf die höheren Einkommensgruppen konzentriert, da diese häufiger Eigentumswohnungen nachfragen.
Die höchsten Anteile von GBV-Wohnungen finden sich in Wien, Salzburg und Oberösterreich. In fast allen Bundesländern überwiegt der Mietbestand – in Salzburg und der Steiermark halten sich Miet- und Eigentumswohnungen die Waage. © WIFO
Wirkung aufs BIP
Die erstmals durchgeführten Modellsimulationen schätzen, dass das österreichische Bruttoinlandsprodukt eines Jahres durch die GBVs – je nach Szenarien-Annahmen – um gut eine halbe bis eine Milliarde € höher liegt, als es im Alternativszenario „keine GBV“ der Fall wäre. Die mit dem ökonometrischen Input-Output-Modell ADAGIO geschätzten Szenarien unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Wirkung auf den privaten Wohnkonsum. „Höhere Effekte ergeben sich insbesondere dann, wenn man die (plausible) Annahme zugrunde legt, dass durch die Kostenreduktion der reale Wohnkonsum steigt. Mit dem entsprechend höheren Investitionsbedarf wird der Wertschöpfungseffekt auf rund 1 Mrd. € geschätzt“, so Klien. Die geschätzten Einkommens- und Konsumeffekte kommen allen Einkommensschichten zugute. „Durch die GBVs erhöhen sich die Konsummöglichkeiten durch einen höheren Nicht-Wohnkonsum für alle Einkommensgruppen in recht gleichmäßigem Ausmaß. Bezogen auf die Einkommen ergeben sich die höchsten relativen Konsumeffekte in den unteren Einkommensquintilen,“ betont Klien.
Veränderte Rolle der Wohnbauförderung
Die Studie hat schließlich auch gezeigt, dass die Wirkung der GBVs erheblich über die Wohnbauförderung hinausgeht, besonders im aktuellen Niedrigzinsumfeld. „Die Geschichte der GBVs ist historisch sehr eng mit der Wohnbauförderung verknüpft. Heute steht die Verbindung von Grundstückspolitik mit der Wohnbauförderung im Mittelpunkt“, fasst Rießland die Entwicklungen der Wohnbauförderung zusammen. „Die stark rückläufigen Zinsen haben die Attraktivität der Wohnbauförderung merklich reduziert und die Tätigkeit der GBVs ist in diesem Umfeld wesentlich weniger von Darlehen der öffentlichen Hand getragen.“ Fazit: Die teils substanziellen Mietvorteile für Haushalte in GBV-Wohnungen entstehen derzeit primär durch das Geschäftsmodell der Gemeinnützigen, welches auf kostenbasierten Preisen und einer Gewinnbeschränkung basiert, weniger durch staatliche Förderungen.
Der Langfristtrend zeigt ein deutliches Auseinanderdriften von GBV und privaten Mieten – während 2006 der (strukturell bereinigte) Quadratmeterpreis von GBV-Mieten um 14% unter dem im privaten Sektor lag, ist der Wert 2019 auf 23% angestiegen. © WIFO