Zweitwohnsitze – Fluch oder Segen?
Es ist ein Thema, das während der Pandemie an Bedeutung gewonnen hat: Der Zweitwohnsitz. Auch abseits der Pandemie gibt und gab es zahlreiche Motive für einen „multilokalen Lebensstil“: Studium, Partnerschaft, Arbeitsplatz, Freizeitvergnügen – all das kann Menschen dazu bringen, einen Zweitwohnsitz anzumelden. Die Anzahl der Zweitwohnsitze pro Person ist in Österreich nicht beschränkt. Laut Statistik Austria gibt es rund 1,2 Millionen gemeldete Nebenwohnsitze.1 Der Trend zum Haus im Grünen wurde durch die Pandemie noch einmal verstärkt. Dabei geht es nicht nur um den Umzug, sondern oft auch um einen Zweitwohnsitz.2
Diese Menge an Zweitwohnsitzen hat Auswirkungen auf die gemeinnützigen Bauvereinigungen, speziell beim Kampf um leistbare Grundstücke. Private Ferienappartement-Entwickler sind in der Regel bereit mehr zu zahlen als GBVs.
Eine Folge davon betrifft speziell junge Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger in begehrten Zweitwohnsitzgemeinden, für die es oft schwieriger ist, eine leistbare Wohnung oder ein Haus zu finden und das, obwohl in vielen Fällen Wohnraum zur Verfügung steht, der allerdings nur wenig bis kaum genutzt wird. Die Folge sind überhöhte Wohnpreise oder sogar die Abwanderung in Ballungsräume. Die Anzahl der in der Gemeinde Beschäftigten nimmt ab und der Wirtschaftsstandort wird geschwächt.
Was kann die Raumordnung machen
Ansatzpunkte gibt es viele, allein die Kompetenzfrage macht das Erreichen der Ziele oft schwierig. Auf Landesebene findet die Raumordnung für das ganze Bundesland oder Teilregionen Anwendung. Umsetzen muss vieles aber die Gemeinde mit Entwicklungskonzepten, dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan. Die Kompetenz beim Bau und der Genehmigung von Zweitwohnsitzen liegt also eindeutig bei den Gemeinden. Im Salzburger Raumordnungsgesetz ist zum Beispiel festgelegt, dass maximal 16 Prozent der Wohnungen in einer Gemeinde Nicht-Hauptwohnsitze sein dürfen. Blickt man in die Seengemeinden wie Sankt Gilgen oder in die Skigebiete wie Maria Alm oder Saalbach Hinterglemm zeigen die Daten der Statistik Austria, dass dort über 50 % der Wohnungen keine Hauptwohnsitze sind, was auf einen hohen Anteil an Ferienwohnungen schließen lässt.
Strategien der Gemeinden
Die Einstellungen zu Zweitwohnsitzen und Strategien, wie Gemeinden mit diesen umgehen, sind unterschiedlich. Einige sehen sie als Chance, mehr dazu unten, andere als Plage. Die Gemeinde Bad Hofgastein setzte im Sommer 2020 für die Suche nach illegalen Zweitwohnsitzen beispielsweise einen Detektiv ein. Die zwei Ennstaler Gemeinden Ramsau und Haus im Ennstal haben 2020 sogar eine zweijährige Bausperre für Neuprojekte beschlossen, da der Boom an Zweitwohnsitzen immer stärker wurde. Allein in Ramsau am Dachstein leben rund 2.800 Menschen mit Hauptwohnsitz, es existieren im Gegenzug aber bereits 1.400 Zweitwohnsitze. Bauplätze für Einheimische oder leistbare GBV-Wohnungen sind in solchen Gemeinden eher schwer zu finden.
Besteuern, ja oder nein?
Auch beim Thema Geld zeigen sich große Unterschiede – nicht nur föderaler Natur. Ein großes Thema in diesem Zusammenhang sind die Wohnsitzabgaben beziehungsweise Zweitwohnsitzabgaben. Diese sind nicht bundesweit einheitlich, sondern regional unterschiedlich. In Wien und im Burgenland gibt es sie nicht, in Niederösterreich und der Steiermark wird sie immer wieder diskutiert, in Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg gibt es sie. Sie zählt dort zu den Tourismusabgaben, die unter anderem auch die Ortstaxe und die Gästetaxe umfassen. Mit dieser Abgabe wird versucht, den finanziellen Beitrag von Menschen, die nicht im Ort wohnen, aber die Infrastruktur trotzdem nutzen, anzuheben.
Zweitwohnsitz gar als Vorteil?
Wie schon erwähnt, gibt es aber durchaus Gemeinden und Regionen, in denen Nebenwohnsitze nicht (nur) auf Ablehnung stoßen. In Abwanderungsgemeinden sind ev. existierende Zweitwohnsitzabgaben und diverse kommunale Abgaben (obwohl keine vollständige Nutzung vorliegt) ein willkommener Beitrag zum Budget. Ob die Einnahmen aber die Ausgaben in der Ver- und Entsorgungsinfrastruktur decken, ist eine offene Frage. Auch eine steigende Kaufkraft durch eher wohlhabende Zweithausbesitzinnen und -besitzer kann in Abwanderungsgebieten ein Vorteil sein, der sich positiv auf die lokale Wirtschaft auswirkt.
Ein weiterer positiver Effekt betrifft den Leerstand. Ein leerstehendes Gebäude ist aus Sicht mancher Gemeinden wohl problematischer als ein wenig genutztes, aber immerhin erhaltenes Gebäude. Eine Revitalisierung leerstehender Althäuser in von Abwanderung betroffenen Gebieten kann ebenso als Vorteil gesehen werden. Nicht zu Letzt können Menschen, die beinahe abwandern und dann doch den Zweitwohnsitz in der Heimatgemeinde belassen, wiederum die potenziellen Rückkehrer von morgen sein.
© Klaus Bichler
2 OeNB Immobilien Aktuell – International Q3/2020, https://www.oenb.at/Publikationen/Volkswirtschaft/immobilien-aktuell.html