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Kommentar: GBV – Obmann Rießland zu Auswirkungen von Covid19 auf den Wohnungsmarkt

Plötzlich dominiert die Sorge um unsere Gesundheit und um die wirtschaftlichen Folgen der erforderlichen hygienischen Maßnahmen unser Leben. Über 500.000 Arbeitslose und über 1,1 Millionen Beschäftigte, für die Kurzarbeit beantragt wurde, tragen in unglaublich viele Familien völlig überraschend psychologischen Druck und finanzielle Nöte hinein. Gerade in dieser Situation ist sicheres leistbares Wohnen von großer Bedeutung und es ist daher angezeigt sich die aktuelle Situation am Wohnungsmarkt genauer anzusehen.

Starke Bautätigkeit in vergangene Jahren

Angesichts einer sehr dynamischen Bevölkerungsentwicklung haben wir ein Jahrzehnt der sehr aktiven Bautätigkeit gewinnorientierter Eigentums- und Mietwohnungsinvestoren durchlaufen. Ein großer Teil der errichteten Wohnungen – etwa 5.000 pro Jahr - ist im selbstgenutzten Wohnungseigentum abverkauft worden. Es hat sich aber ab dem Jahr 2000 erstmals seit dem 2. Weltkrieg auch ein nenneswerter Mietwohnungsbau durch Immobilieninvestoren und vermietete Eigentumswohnungen entwickelt der insbesondere nach 2008 ein jährliches Niveau von etwa 7.400 Wohnungen erreicht. Es sind also Wohnungen in nennenswertem Ausmaß von einem bedarfsorientierten Versogungsprodukt zu einem Finanzprodukt geworden. Diese Entwicklung hat vor allem in städtischen Gebieten stattgefunden.

Der Mittelstand ist in Gefahr

Die Mieten dieses Wohnungsmarktsegmentes können weitgehend frei vereinbart werden. Das führt dazu,  dass sich die Miete an der (maximalen) finanziellen Leistungsfähigkeit der Haushalte orientiert und nicht an den tatsächlichen Kosten. Die Wohnungen wurden überwiegend in städtischen Regionen mit starker Nachfrage wie Bregenz, Dornbirn, Graz, Innsbruck, Linz, Salzburg und Wien errichtet. Diese Wohnungen sind in der Regel (ca. zu 2/3) auf 3 Jahre befristet vermieteten. Die Mieten liegen im Neubau (seit 2011 errichtet) je m2 und Monat im Durchschnitt bei 11 bis 12 Euro in Wien und bei 8 bis 10 Euro in den anderen größeren Landeshauptstädten. Am meisten bezahlen im Neubau muss man derzeit in Innsbruck, wo durchschnittlich fast 14 Euro netto pro m2 bezahlt werden müssen. Brutto inklusive Betriebskosten, Heizung und Umsatzsteuer ergibt das eine Wohnkostenbelastung von fast 15 Euro in Wien und 12 bis 14 Euro in anderen Landeshauptstädten. Trotz reduzierter Wohnungsgrößen ergibt das bei 50 bis 70m2 eine Gesamtmonatsbelastung von 750 bis 1050 Euro in Wien und 650 bis 910 Euro in den übrigen Städten.

Das sind Wohnungskosten die für viele Haushalte gar nicht aufbringbar sind und zunehmend auch für mittlere Einkommen eine Belastung darstellen. Die Haushalte mit Einkommen in der Größenordung des  verfügbaren Haushaltsmedianeinkommens (von 36.000 Euro) und darüber können sich diese Wohnungen zwar vielleicht leisten, müssen dafür aber 30% bis 50% des Haushaltseinkommens einsetzen. D.h., dass bei nur relativ geringen Einkommensreduktionen die Haushalte in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Bezogen auf die ökonomische Stabilität kommt also auch der Mittelstand in ähnliche Situationen wie jene österreichischen Haushalte die ihr (Über-)Leben über prekäre Arbeitsverhältnisse bestreiten müssen und dabei oft nur durch Sozialhilfe und Wohnbeihilfen (über)lebensfähig sind. Dazu im Detail:  Ca. 13% der Beschäftigten sind «atypisch » beschäftigt (Leiharbeit, befristete Verträge, <12h pro Monat, freier Dienstvertrag) mit einem Anstieg um 1/3 in den letzten 10 Jahren und zusätzlich 25% in Teilzeit die nach der Dynamik in den letzten Jahren sicher nur teilweise freiwillig ist.

Gemeinnützige bleiben stabiler Partner

In den Jahren 2010 bis 2019 hat der gemeinützige Wohnungssektor unter gleichen Bedingungen beim Grundstückserwerb und bei der Vergabe von Bauleistungen wie der Investorenmarkt 157.000 Wohnungen errichtet. Die auf Langfristigkeit ausgerichteten gemeinnützigen Unternehmen vermieten ihre Wohnungen zu Nettomieten von nur 5 Euro bis 7 Euro je m2 und Monat im Österreich-Durchschnitt und um maximal 8 Euro in Graz und Innsbruck Dies ergibt sich aus dem Prinzip der Kostendeckung. D.h., dass die Miete Gemeinnütziger nur so hoch sein darf wie die Rückzahlung der aufgenommenen Finanzierungen zuzüglich der Mittel für die ordnungsgemäße Erhaltung der Gebäude.

Im Ergebnis wohnen Mieterinnen und Mieter neuer gemeinnützig errichteter Objekte im Schnitt in fast 10m2 größeren Wohnungen und zahlen dafür auch noch 150 Euro weniger als für eine wesentlich kleinere Wohnung am gewerblichen Markt.

Neben diesem deutlichen Belastungsunterschied für die Haushalte ist es auch selbstverständliche Kultur der Gemeinützigen unbefristete Mietverträge abzuschließen und dadurch ein stabiler Partner zu sein, der im Falle finanzieller Notsituationen auch bereit und wirtschaftlich in der Lage ist seinen Bewohnerinnen und Bewohnern mit Mietstundungen zu helfen.

Aus wohnungspolitischer Sicht hat das zur Folge, dass diese Wohnungen für Alle wirtschaftlich zugänglich sind und die Haushalte mit niedrigeren Einkommen über Wohnbeihilfen ihre Lebenssituation stabilisieren können und der Mittelstand durch die Möglichkeit finanzielle Ressourcen aufzubauen einen gewissen Spielraum hat auch wirtschaftliche Krisensituationen zu bewältigen.

Vermietungsprobleme durch sinkende Einkommen

Im internationalen Vergleich leistet der über 30%ige Marktanteil der 660.000 gemeinnützigen Mietwohnungen auch für den gewinnorientierten Wohnungsmarkt einen Stabilisierungsbeitrag. Bei Wohnkosten zwischen durchschnittlich Euro 10 bis Euro 15 je m2 und Monat kann ein wirtschaftlicher Einbruch mit sinkenden Haushaltseinkommen sehr rasch zu Vermietungsproblemen und Leerstandskosten führen die die Immobilieninvestoren in Schwierigkeiten bringen. Vergleicht man mit größenmäßig ählichen Wohnungsmärkten in München oder Brüssel so sieht man, dass das Mietniveau aufgrund des Fehlens eines ausreichend großen kostendeckend kalkulierenden Wohnungsangebotes um weitere 2 bis 4 Euro je m2 über jenem in Wien liegt. Dies führt in der Folge zu noch höheren Leerstandsrisiken. Das in Österreich durch das große Angebot an kostendeckend kalkulierten Wohnungen bedingte niedrigere Mietniveau auch auf dem gewinnorientierten Markt trägt damit, bei zwar geringeren Gewinnen, zur Stabilität der gewerblichen Wohnungsanbieter bei und bewahrt so auch den Kapitalmarkt vor zu großen Kreditrisiken. Gleichzeitig dämpft ein funktionierender und leistbarer Mietwohnungsmarkt, wie schon der internationale Währungsfonds in einer internationalen Studie gezeigt hat, wirtschaftliche Risiken am Wohnungseigentumsmarkt.

Zahl der Wohnbeihilfeberechtigten steigt schlagartig

Als wesentlicher weiterer Effekt reduziert das günstige Wohnungsangebot der Gemeinnützigen die Ausgaben des Staates für Wohnbeihilfen. Dies einerseits unmittelbar durch die niedrigen Mieten des Sektors aber mindestens genauso wichtig durch die Dämpfung des allgemeinen Mietniveaus. Auch ohne krisenhafte Entwicklung betragen die Ausgaben für Wohnbeihilfen in Österreich nur 5% des gesamten Mietaufkommens im Vergleich zu Deutschland mit einem Wert von etwa 9%. Im EU-Durchschnitt werden sogar 18% aller Mieten vom Staat (i.e. den unterschiedlichen Staaten) im Form von Wohnbeihilfe bezahlt. In einer Phase sinkender Einkommen durch rasant ansteigende Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit kann die Zahl der Wohnbeihilfenberechtigten schlagartig ansteigen, mit langfristigen negativen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte. Ein niedrigeres Mietniveau wirkt sich hier unmittelbar entlastend auf den Staat aus. Zieht man den Vergleich zu Deutschland – dort wirkt noch der positive Effekt der Gemeinnützigkeit die 1990 aufgehoben wurde nach – so beträgt die Entlastung der öffentlichen Hand ca. 500 Mio. Euro. Zieht man den Vergleich mit der EU mit 18% Wohnzuschüssen zum Mietwohnungsmarkt, würde also die öffentliche Hand in Österreich statt der aktuell 5% dann 18% in Form von Wohnzuschüssen zahlen müssen, so liegt die Ersparnis sogar bei nahezu 1,5 Mrd. Euro.

Nicht zuletzt trägt ein Angebot an leistbaren und sicheren Wohnverhältnissen zur Deckung eines der fundamentalen Grundbedürnisse der Menschen bei und hat weitreichende positive Folgewirkungen auf Gesundheit, Wohlbefinden und das gesellschaftliche Zusammenleben. Eine Bewältigung von Krisensituationen wie der aktuellen ist leichter wenn die Sorge um die nächste (zu hohe) Monatsmiete nicht da ist oder wenn man weiß, dass der Mietvertrag nicht in den kommenden Monaten schon wieder endet. Wie man aktuell sieht entstehen gerade in funktionierenden Nachbarschaften mit stabilen Wohnverhältnissen derzeit neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Solidarität.

Im Fokus steht die Wohnsicherheit

Der Beitrag des gemeinnützigen Wohnungssektors zur Stabilität und um das aktuell häufig verwendete Wort der Resilienz zu verwenden, beschränkt sich also nicht nur auf die in Österreich lebenden Menschen sondern wirkt auch positiv auf Staat und Wirtschaft. Aktuell in Zeiten von Corona steht die Wohnsicherheit für die Bewohnerinnen und Bewohner im Fokus. Es wäre schön wenn das Wissen um die Wirkung wohnungspolitischer Instrumente wie unter anderem der Wohnungsgemeinnützigkeit auch bei den zukünftigen wohnungspolitischen Entwicklungen präsent bleibt.

Ihr

DI Dr. Bernd Rießland