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Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die gemeinnützige Wohnungswirtschaft – ein Stimmungsbild

Die aktuelle Corona-Pandemie hat tiefgreifende Auswirkungen auf das gesamte wirtschaftliche Leben, deren Konturen sich erst nach und nach abzeichnen. Während es vielerorts bereits wieder die ersten Lockerungen im Alltag und im Geschäftsleben gibt, steuern Österreich und das restliche Europa auf eine Rezession zu. Diese Krise geht natürlich auch an gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) nicht ohne Spur vorüber. Welche Herausforderungen, Probleme, aber auch welche Chancen sich für die GBVs in Österreich aktuell ergeben, hat das wohnungswirtschaftliche Referat in einer Kurzumfrage mit 24 GBV-GeschäftsführerInnen erörtert. Die Auswirkungen reichen von praktischen Abläufen beim Mieterwechsel bis hin zu Fragen der wirtschaftlichen Folgen von Mietzinsausfällen.

Baustopps führen nur zu geringen Verzögerungen

Viele Baustellen von GBVs waren kurzfristig zwischen Ende März und Anfang April von Baustopps betroffen. Nach der sozialpartnerschaftlichen Übereinkunft zum Gesundheitsschutz und den Hygienemaßnahmen, konnten die Bauarbeiten auf den meisten Baustellen jedoch stufenweise bereits wieder aufgenommen werden. Eine größere Herausforderung stellen die Verfügbarkeit von Arbeitskräften einerseits und Baumaterialien (z.B. Beton, Fliesen) andererseits dar. Insbesondere in Ostösterreich arbeiten viele Arbeitskräfte aus den angrenzenden Staaten Ungarn, Slowakei und Tschechien am Bau. Aufgrund der derzeitigen Grenzschließungen sind daher vor allem jene Arbeitskräfte betroffen, die aus diesen Ländern zur Arbeit nach Österreich kommen. Grosso modo sind die GBVs allerdings zuversichtlich, dass es auf den aktuellen Baustellen zu keinen gröberen Verzögerungen kommen wird bzw. entstandene Verzögerungen zumindest teilweise wieder aufgeholt werden können.

Herausforderung Neu- und Wiedervermietungen

Aufgrund der eben beschriebenen (kurzfristigen) Baustopps wird es bei einigen Wohnungsübergaben, die für die kommenden Wochen und Monate geplant waren, voraussichtlich zu Verschiebungen um wenige Wochen kommen. Es ist allerdings auch hier mit einer baldigen Rückkehr zum normalen Geschäftsbetrieb zu rechnen. Eine größere Herausforderung stellen anfallende Wohnungsübergaben im Bestand dar. Seitens der GBVs werden diese möglichst kontaktlos organisiert (Schlüsselübergabe postalisch, Vertragsabwicklung und Übergabeprotokoll elektronisch). Darüber hinaus wird bewusst versucht, Übergaben zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, sofern sowohl einziehende, als auch ausziehende MieterInnen einverstanden sind.

Keine Beeinträchtigung bei Notfallreparaturen

Während Notfallsreparaturen anstandslos durchgeführt werden, werden nicht dringliche Arbeiten innerhalb der Wohnungen sowie Brauchbarmachungen oft zurückgestellt. Gerade in der Zeit, in der die größeren Baustellen gestoppt wurden, haben viele Handwerkerbetriebe im Baunebengewerbe weitergearbeitet. Die GBVs konnten durch Aufträge im Instandhaltungs- und Reparaturbereich auch zum wirtschaftlichen Überleben dieser Unternehmen beitragen.

Steigende Anfragen zu Mietstundungen

Etwas schwieriger ist es die finanzielle Situation der MieterInnen und potenzielle Mietrückstände einzuschätzen, da hier die Entwicklung am Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle spielen wird. Etwa ein Viertel der GBV MieterInnen sind bzw. waren in den am stärksten von der Krise betroffenen Branchen – wie etwa Tourismus, Gastronomie, Handel (ohne Lebensmitteleinzelhandel) und Baugewerbe – beschäftigt[1].

Spürbar zugenommen haben daher auch Anfragen bei GBVs hinsichtlich Mietzinsstundungen. Wie dies bereits in den ersten Tagen der Krise öffentlich kommuniziert wurde, sind sich die gemeinnützigen Bauvereinigungen hier ihrer sozialen Verantwortung bewusst und bieten individuelle Lösungen und Mietzinsstundungen für betroffene Haushalte und GeschäftsraummieterInnen an. Darüber hinaus informieren sie umfassend über zusätzliche Unterstützungen (Wohnbeihilfe u.a.) für MieterInnen seitens der Länder.

Die wirtschaftliche Gefährdung für GBVs aufgrund von Mietzinsrückständen bzw. -ausfällen wird von den Unternehmen in der kurz- und mittelfristigen Betrachtung als gering eingestuft. Langfristig werden jedoch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und die Situation am Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle spielen. Im Falle einer weiteren Verschärfung der Krise, einer langfristigen Rezession und daraus resultierend eines Anstiegs der Arbeitslosigkeit und Einkommenseinbußen könnten auch die Auswirkungen auf GBVs stärker zu spüren sein. Für alle Beteiligten bleibt zu hoffen, dass sich die wirtschaftliche Situation möglichst rasch wieder verbessert.

Lernen aus der Krise – Grund für Optimismus

Unsere Umfrage zeigt jedoch auch, dass bereits jetzt einige Lektionen aus der Krise gelernt werden konnten und es Grund für Optimismus gibt. Einige Zitate von GBV-GeschäftsführerInnen sollen dies unterstreichen:

·        Krisenresistenz und Verantwortung „Unsere Branche ist in einer privilegierten Position: Ein großes Schiff, das sicher durch Krisen navigiert werden kann und eine Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Kunden hat.“

·        Vorbildfunktion der GBVs „Wenn Instabilitäten auftreten, zeigt sich, dass das rein profitorientierte System keine Resilienz hat. Unser gemeinnütziges Geschäftsmodell ist ein Musterbeispiel nicht nur für Immobilienbereich, sondern auch für        andere Wirtschaftsbereiche, da es Luft lässt für Risikoabfederung.

·        Die GBVs decken ein Grundbedürfnis der Menschen ab: „Wir bieten eine schöne Dienstleistung am Menschen, wir befriedigen nämlich das Grundbedürfnis nach Wohnen. Dadurch tragen wir, gerade auch in Krisenzeiten, zu sozialem Frieden bei.“

·        Digitalisierungs- und Innovationsschub: „Wir haben neue, effiziente Prozesse und Arbeitsformen gefunden, die auch gut für den Klimaschutz sind

·        GBVs als Wirtschaftsmotoren und antizyklische Investoren: „Wenn wir jetzt die Bauplanung vorziehen, werden wir in der Tief-Phase der Konjunktur Wirtschaftsmotor spielen durch antizyklische Aufträge an die Bauwirtschaft“

·        Wertschätzung für das gemeinnützige Geschäftsmodell: „Wir müssen jetzt die Chance ergreifen, die Gemeinnützigkeit besser herauszustreichen: Sicheres Wohnen, Langfristigkeit; Partner sein für Bewohner, Land, Gemeinden und Mitarbeiter; Insourcen statt Outsourcen.  Jetzt können wir zeigen, was wir über Jahrzehnte aufgebaut und gelernt haben.

Insgesamt zeigt sich in der Branche einen großen Konsens darüber, dass die gemeinnützige Wohnungswirtschaft nicht nur vergleichsweise krisenresistent sei, sondern gerade in herausfordernden Zeiten ihre Stärken ausspielen könne.

 

Quelle: Telefonbefragung von 24 Geschäftsführer/innen gemeinnütziger Bauvereinigungen. GBV, 2020.

 

Von Gerlinde Gutheil und Gerald Kössl



[1] Quelle: GBV-Sonderauswertung des Mikrozensus 2018