Baustein gegen Klimawandel: Bodenversiegelung eindämmen
Österreich ist Europameister. Leider ist das diesmal keine positive Nachricht, denn wir sind Europameister im Bodenverbrauch (Österreich liegt mit 1,67 m² Supermarktfläche pro Kopf und 15 Meter Straßen pro Kopf an der Spitze). In Österreich wurden laut Umweltbundesamt in den Jahren 2016-2018 durchschnittlich 11,8 ha Boden pro Tag neu für Bau-, Betriebs-, Abbau- Erholungs- und Verkehrsflächen in Anspruch genommen (Umweltbundesamt, 2019). Aufs Jahr gerechnet entspricht das ungefähr der Fläche von Wels – oder 0,5% unserer Acker- und Grünlandflächen, die dadurch verloren gehen.
Etwa 41% der für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommenen Fläche ist versiegelt.
Unter Versiegelung des Bodens versteht man die Abdeckung des Bodens mit einer wasserundurchlässigen Schicht, etwa Beton, Asphalt oder Pflastersteinen. Dadurch verliert der Boden seine natürlichen Funktionen. Die Auswirkungen werden durch das veränderte Klima immer deutlicher spürbar: Bei Unwettern kann der versiegelte Boden kein Wasser mehr aufnehmen – es kommt zu Überschwemmungen, in den Städten (auch den kleinen) verliert er seine kühlende Wirkung, sodass es immer heißer wird. Auch die Staubbindungsfunktion des Bodens geht zurück. Dieser Prozess ist schwer rückgängig zu machen, kostspielig und zeitaufwendig. So dauert die Neubildung von 1 cm Humus 100 bis 200 Jahre. Den größten Anteil an der bisherigen Versiegelung haben Verkehrsflächen, gefolgt von Bauflächen und Betriebsflächen. Immobilienunternehmen sind daher zunehmend gefragt, sich diesem Problem zu stellen und möglichst flächensparende Projekte zu realisieren.
Das Thema Bodenversiegelung war auch Thema beim internationalen Symposium „Bodenschutz durch Raumplanung“ von BOKU Wien gemeinsam mit der Österreichischen Hagelversicherung im Juni 2019. Dort präsentierten hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die aktuellen Entwicklungen zum Thema Bodenschutz durch eine geordnete Raumentwicklung (Nachlese LINK). Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung und Vorsitzender des Universitätsrats der BOKU Wien, betonte bei der Veranstaltung die Wichtigkeit der Nachverdichtung: „Gerade die Sanierung des Leerstands unter dem Motto ‚Lieber sanieren statt Wiesen und Äcker neu zubetonieren‘, schont die Umwelt und schafft tausende Arbeitsplätze Ein perfektes Beispiel, bei dem sich Ökologie und Ökonomie ergänzen und das kluge Volkswirtschaften und Unternehmen bereits erkannt haben.“
GBVs als Vorreiter
Die GBVs waren durch den burgenländischen Landesgruppenobmann Alfred Kollar von der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG) vertreten, der Best-practice Beispiele aus dem Burgenland präsentierte. Die Initiative der OSG, gezielt leerstehende Immobilien wie z.B. Gasthäuser oder Gewerbeimmobilien im Ortskern aufzukaufen und zu revitalisieren, wurde hervorgehoben. „Wir können alle etwas dazu beitragen, Boden zu erhalten", bringt es Alfred Kollar auf den Punkt. „Wir wollen Herausforderungen wie der Zersiedelung entgegentreten. Im Wesentlichen geht es uns darum, dass Reserven bebaut und Ortskerne belebt werden und darum, eine positive Entwicklung der Gemeinden und der Wirtschaft zu ermöglichen und gleichzeitig wertvolle Grünräume zu schützen.“
© Österreichische Hagelversicherung
Nachverdichtung auf Supermärkten
Aber auch viele andere Projekte der GBVs zeigen, dass die gemeinnützige Wohnungswirtschaft ein Vorreiter in Sachen verantwortungsvoller Bodennutzung ist. So hat die WBV-GPA am Dach des Penzinger Shoppingkomplex "Auhof Center" in Wien 71 geförderte Wohnungen errichtet. Zusätzlicher Boden wurde dabei keiner verbraucht. Auch die Wohnbau-Genossenschaft Bergland hat im Salzburgischen Saalbach-Hinterglemm und in Grödig neue Wege beschritten und Mietwohnungen auf der Dachfläche eines Supermarktes errichtet (Projektbeschreibung LINK).
Kein zusätzlicher Bodenverbrauch beim Reconstructing
Die Reconstructing-Beispiele unter den Südtiroler Siedlungen in Tirol und Kärnten zeigen, dass moderne neue Wohnungen keine neue Siedlungsfläche in Anspruch nehmen müssen und meist auch keinen neuen Boden verbrauchen. Bei vielen alten und sanierungsbedürftigen Wohnhäusern der Landeswohnbau Kärnten (LWBK) setzt man bewusst auf Reconstructing. (LINK).
Auch die Wohnbaugenossenschaft FORTSCHRITT ist in Kärnten in dem Bereich aktiv. Bei einem der derzeit größten, sozialen Bauprojekte in Klagenfurt werden in der Bauzeit von rund viereinhalb Jahren eine bestehende alte Wohnanlage im Reconstructing-Verfahren abgerissen und Zug um Zug in drei Bauphasen neu errichtet (LINK). Alles ohne zusätzlichen Bodenverbrauch. In Tirol ist die Neue Heimat Tirol ebenfalls bis 2022 daran, die Südtiroler Siedlung aus den 1940er Jahren zu erneuern und ohne zusätzlichen Bodenverbrauch neuen Wohnraum zu schaffen. Alleine in der Südtiroler Siedlung in Zams wurden so 117 neue Wohnungen errichtet (LINK).
Die Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen für Bauland und Infrastruktur und der Klimawandel sind miteinander verwobene Umweltprobleme. Der Raumplanung kommt in diesem Zusammenhang zunehmend eine wesentliche Steuerungsfunktion zu und die gemeinnützigen Bauvereinigungen werden in diesem Prozess weiterhin gefordert sein.