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Ein Festival für den sozialen Wohnbau in Europa

Von 4.-8. Juni 2019 fand in Lyon (F) das zweite „International Social Housing Festival“ statt, das von der Stadt Lyon, zwei französischen Wohnbauverbänden sowie dem europäischen Branchendachverband Housing Europe organisiert wurde.

Hunderte Repräsentantinnen und Repräsentanten der sozialen und gemeinnützigen Wohnungswirtschaft aus ganz Europa trafen sich mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie Bewohnerinnen und Bewohnern in der Metropole am Zusammenfluss von Rhône und Saône. Das vielfältige Programm umfasste etwa 100 Events, darunter Konferenzen, Workshops und Ausstellungen zum Thema leistbares und nachhaltiges Wohnen.

Ehrung für GBVs  
Ein spezieller Programmpunkt war die Ehrung der Wohnbauvereinigungen, die seit mehr als 100 Jahren aktiv sind. Aus Österreich durften Alexander Gluttig (für die Baugenossenschaft EBG, gegründet 1910) sowie Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald (GBV, stellvertretend für unsere 21 nicht anwesenden Mitgliedsunternehmen, die 1919 oder früher gegründet wurden) die Ehrung entgegennehmen. An diesem Abend wurde aber nicht nur in die Vergangenheit geblickt. Auf die Frage nach der Vision für die Zukunft wurde mehrmals die „Fitness für den Klimawandel“ und der aktive Beitrag zur Lösung des Leistbarkeitsproblems in den Städten genannt. Ein Vertreter einer spanischen Genossenschaft meinte, der Schlüssel sei, junge Menschen für die Arbeit im und für den genossenschaftlichen Wohnbau zu begeistern.
In einem weiteren Festakt wurden die „European Responsible Housing Awards“ (Preise für verantwortungsbewussten Wohnbau) in fünf Kategorien verliehen. Prof. Herbert Ludl (Vorstandsvorsitzender der Sozialbau AG bis 2016) war Teil der internationalen Jury und präsentierte den Sonderpreis für Innovation, der an die Wohnbaugenossenschaft „Habitatge La Borda SCCL“ aus Barcelona ging.

Konferenz zu Bodenpolitik
Housing Europe veranstaltete im Rahmen des Festivals eine Konferenz mit dem Titel "This Land is … whose Land" (dieses Land ist … wessen Land), die sich der Bodenfrage und Bodenpolitik als Voraussetzung für leistbaren Wohnbau widmete. Die Keynote hielt die bekannte Stadtsoziologin Saskia Sassen. Sie schilderte eindrucksvoll die Übernahme und Umformung ganzer Stadtviertel durch „high finance“, also globale Finanzorganisationen. „Was wir als leerstehende Gebäude wahrnehmen, ist für sie ein abstraktes Bündel an Assets“, das der reinen Profitmaximierung unterliegt und nicht dem Ziel der Wohnraumversorgung. Zahlreich und innovativ sind aber auch die Lösungsansätze, die in den verschiedenen Regionen Europas umgesetzt werden: Von Community land trusts (solidarische Bauland-Genossenschaften) in Frankreich über die Umnutzung obsoleter Industrieareale für den Wohnbau in Brüssel (BE) bis hin zu Baurechtsmodellen und eine 30%-Quote für leistbaren Wohnbau bei privaten Projektentwicklungen in Barcelona (ES).

Erfolgreiche Ausstellungen
Große Aufmerksamkeit wurde auch der Ausstellung „Le logement social en Europe par l‘Image“ (Der soziale Wohnbau in Europa im Bild) zuteil, die in der Eingangslobby des Veranstaltungsgebäudes, der katholischen Universität Lyon, prominent aufgestellt war. Mehrere Fotos von Gebäuden österreichischer GBVs fanden Eingang in diese Ausstellung, die auch online zu betrachten ist. Auch bei der Sonderausstellung der Stadt Wien zum „Wiener Modell des sozialen Wohnbaus“ war der gemeinnützige Wohnbau in Wort und Bild vertreten.

Internationaler Austausch
Am Rande der Konferenz wurde das GBV-Team von einer Delegation aus Zypern zu einem bilateralen Austauschgespräch eingeladen – auch dies ein Zeichen dafür, dass die österreichische Wohnungsgemeinnützigkeit reges internationales Interesse weckt.
Den strategischen Höhepunkt fand das Festival schließlich mit dem von UNECE (der United Nations Economic Commission for Europe), Housing Europe und dem Europäischen Ausschuss der Regionen organisierten politischen runden Tisch. Dabei wurde u.a. ein starkes Bekenntnis der europäischen Kommission – vertreten durch Kerstin Jorna, der stellvertretenden Generaldirektorin für Finanzen – zur Unterstützung der Wohnungsfrage abgegeben, welches durch eine neue Verbindungsstelle innerhalb der Kommission zum Ausdruck gebracht werden soll.

In der Abschlussfeier des Festivals wurde der Austragungsort des nächsten International Social Housing Festivals bekanntgegeben: Es wird 2021 in Helsinki (Finnland) stattfinden, der Stadt, die sich durch ihre erfolgreiche Politik zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit einen Namen gemacht hat.
Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald, GBV, wohnwirtschaftliches Referat

Weitere Informationen (auf Englisch) und Fotos
- Ehrung der über 100-jährigen Bauvereinigungen
- Verleihung der European Responsible Housing Awards
- Konferenz “This land is whose land”
- European High-level Roundtable on Housing
- Virtuelle Ausstellung zur Geschichte des sozialen Wohnbaus in Europa
- Webseite des ISHF