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Die Wurzeln des gemeinnützigen Wohnungswesens in Österreich

Heute wohnt fast jeder fünfte Haushalt in einer Wohnung einer „Gemeinnützigen“. Der Verwaltungsbestand der GBV ist von etwa 45.000 nach Ende des 2. Weltkrieges auf heute rund 900.000 Miet- und Eigentumswohnungen gestiegen. Reguliert werden die gemeinnützigen Bauvereinigungen durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG). Doch was sind die Ursprünge dieses so bedeutenden Marktsegments? 

Das gemeinnützige Wohnungswesen in Österreich kann sich auf drei Wurzeln berufen: Die erste ist die Genossenschaftsbewegung im Wohnbau, die ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Sie umfasst Zweckgemeinschaften zur Schaffung von Siedlungshäusern ebenso wie gemeinschaftliche Wohnformen mit unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Hintergründen. Prägend für den genossenschaftlichen Gedanken sind die gemeinschaftliche Selbstorganisation sowie die Leistungserbringung abseits von marktwirtschaftlichem Gewinnstreben und von staatlichem Versorgungsdenken. Heute zählen wir in Österreich 98 aktive gemeinnützige Wohnungsgenossenschaften, die im Eigentum ihrer rund 500.000 Mitglieder stehen. 

Die zweite Wurzel ist der Werkswohnbau, der lange Zeit die Basis der Wohnversorgung in traditionellen Industrieregionen der Steiermark, Niederösterreichs und Oberösterreichs darstellte. Um 1980 gab es etwa 75.000 Dienstnehmerwohnungen im GBV-Bestand.  Mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel ist diese Sparte stark zurückgegangen; der Zugang zu den ehemaligen Werkswohnungen ist heute meist nicht mehr an ein Dienstverhältnis gebunden.

Schließlich ist der ausgelagerte öffentliche Wohnbau als dritte Wurzel zu nennen: Gemeinnützige Gesellschaften, die im überwiegenden Eigentum von Gebietskörperschaften stehen, übernehmen in vielen Gemeinden die Aufgaben des sozialen Wohnbaus.  

Eine Triebfeder des gemeinnützigen Wohnbaus war und ist die Wohnbauförderung – angefangen von den ersten Wohnungsfonds in der Monarchie bis zu den heutigen Förderungsmodellen der Länder. Diese spiegeln auch stets die aktuellen politischen Ziele wider: Wohnungsgrundversorgung, Eigentumsbildung oder Mietwohnungsförderung, Verbesserung der Wohnqualität und klimapolitische Ziele – jüngst rücken die Forderungen nach der Ankurbelung des Wohnbaus und der Senkung der Baukosten in den Vordergrund. Dies scheint angesichts des aktuellen Defizits an leistbaren Wohnungen notwendiger denn je – näheres dazu hier

Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald

Ausführlichere Darstellungen zur Geschichte der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft: 
A. Streimelweger, 2016: Die Entwicklung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Wurzeln – Struktur – Eigentümer. In: 70 Jahre Österreichischer Verband gemeinnütziger Wohnbauvereinigungen – Revisionsverband.  
E. Bauer, 2006: Wohnbau für 2 Millionen Österreicher. Besser Wohnen, November 2006

Siedlung Am Rosenhügel (Wien), 1921. Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft Altmannsdorf und Hetzendorf.

Linz, Voesthof I (1955). Ehemaliger Werkswohnbau, GIWOG. Foto: Geschichteclub Stahl

Innsbruck, Bau der „Sternhochhäuser“ der Neuen Heimat Tirol, 1968, im Rahmen der städtischen Wohnbauprogramme. Foto: Richard Frischauf. Aus: Klaus Lugger, Wohnbau sozial. Innsbruck von 1900 bis heute. Innsbruck: Haymon, 1993