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Kooperation TU Wien -GBV zum Thema Leistbares Wohnen, leistbare Stadt

Aufgrund der anhaltend hohen Preissteigerungen in allen Lebensbereichen stellt sich zunehmend nicht nur die Frage der Leistbarkeit des Wohnens, sondern vielmehr der Leistbarkeit des alltäglichen Lebens. In einer Forschungskooperation mit der TU Wien (Forschungsbereich Soziologie und Research Center for New Social Housing, future.lab) wurde das Thema der Leistbarkeit und mögliche Lösungsansätze in einer Vielzahl von Facetten beleuchtet. Im Rahmen von zwei Workshops, einer Lehrveranstaltung (Seminar Armut, Prekarisierung und soziale Ungleichheit in Wien im WS2022/23) und eines im Jänner 2023 stattgefundenen Symposiums mit Studierenden und Stakeholdern aus Verwaltung, Sozialorganisationen und gemeinnütziger Wohnungswirtschaft wurde der Bogen vom leistbaren Wohnen zur leistbaren Stadt gespannt. Für das Symposium haben die Studierenden fünf Posterpräsentationen zu unterschiedlichen Themen der Leistbarkeit entworfen, die auch für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft hohe Relevanz haben. Die fünf Themen waren:

  1. Lebenslagenkonzept – Was kostet den Wiener:innen (ausdifferenziert nach Gruppen, auch selbst als Studierende) der Haushalt? Wie steigen die Preise an?
  2. Kommunale Leistbarkeitspolitik – Wie organisiert eine Kommune Infrastrukturen, die leistbar sind (Reparaturbonus, kommunale Grundsicherung-Barcelona)?
  3. Leistbarkeit durch Commons – Welche Güter können jenseits vom Markt bereitgestellt werden – wer wird davon erreicht?
  4. Wohnkostenbelastung in Wien – Wo sind besonders viele Leute (welche?) in Wien durch Wohnkosten belastet?
  5. Institutionen und Leistbarkeit – Was passiert, wenn ich mir meine Miete (warm) nicht mehr kann?

Einige besonders anschauliche Grafiken aus den Posterpräsentationen werden im Folgenden punktuell dargestellt.

Wien / Österreich steht bei Wohnkosten im internationalen Vergleich (immer noch) gut da
Eine internationale Vergleichsstudie zeigt, dass die durchschnittlichen Wohnkosten in Wien deutlich unter jenen von anderen europäischen Hauptstädten liegen. Während in Wien laut der Studie durchschnittlich knapp unter 600 Euro pro Monat für Miete zu zahlen sind, liegt der Wert in London fast doppelt so hoch. Auch die Durchschnittsmieten in Berlin, Hamburg und Paris liegen deutlich über jener von Wien. Dies ist nicht zuletzt ein Ergebnis des höheren Anteils an kommunalen und gemeinnützigen Mietwohnungen, die sowohl den Durchschnitt senken als auch eine preisdämpfende Wirkung auf den privaten Markt ausüben.


Grafik: Sophie Hauller, Stine Janning, Emilia Mehergans, Vanessa Kobras; Quelle Daten: Baron et al. 2021, Berechnung nach SOEP V35 und SILC 2017. 

Nichtsdestotrotz stellen hohe Wohnkosten für viele Haushalte eine große Belastung dar
Laut einer Umfrage der Statistik Austria vom zweiten Quartal 2022 stellen Wohnkosten bzw. Wohnnebenkosten für Energie und Instandhaltung für mehr als 1 von 6 (18%) Haushalten in Österreich eine schwere finanzielle Belastung dar. Im dritten Quartal 2022 stieg der Anteil sogar auf mehr als 1 von 5 (22%) Haushalten. Die stark gestiegenen Energiekosten im zweiten Halbjahr 2022 spielten dabei sicherlich eine Hauptrolle. Neben der wohnungsbezogenen Teuerung bedeuten aber auch befristete Mietverträge einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor. Insbesondere im privaten Mietsektor sind Befristungen ein Problem (u.a. auch deshalb, weil Mieten nach Ablauf einer Befristung neu/höher festgesetzt werden können). 


Grafik: Eileen Stephan, Nina Lobnig, Oliver Schöckigt; Quellen Daten: Volkshilfe Wien; Neunerhaus; Mietrechtsgesetz - MRG; BMSGPK (2022): So gehts uns heute. Die sozialen Krisenfolgen im 1. Quartal 2022

Leistbarkeit muss jedoch über das Wohnen hinaus neu gedacht werden
Leistbarkeit hat viele Facetten, nicht nur Wohnen. Eine Betrachtung der Haushaltsausgaben zeigt, dass der größte Ausgabeposten für Österreichs und Wiens Haushalte der Bereich Wohnen und Energie ist. 791 Euro monatlich wurden laut Konsumerhebung 2019/2020 durchschnittlich dafür ausgegeben. Das entspricht rund einem Viertel (24%) der durchschnittlichen Haushaltsausgaben. Als unabdingbare Grundbedürfnisse stellen Wohnen und Energie vor allem für untere Einkommensgruppen einen großen Teil (30%-40%) ihrer Gesamtausgaben aus, während es für obere Einkommensgruppen nur knapp 20% sind. Erwähnenswert ist auch noch der zweitgrößte Posten bei Haushaltsausgaben, nämlich Verkehr. Beim Bereich Verkehr zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Stadt und Land. In dieser Hinsicht haben Städte die Nase vorn: die geringere PKW-Dichte und die bessere öffentliche Infrastruktur in Städten machen das Leben merkbar leistbarer!

Ausgaben der Haushalte (absolut)


Grafik: Philine Louc Niemeier, Jakob Fechler, Neele Feil; Quelle Daten: Konsumerhebung 2019/2020, Statistik Austria 2022, Wirtschaftslage und Prognose Inflation, Wirtschaftskammer Österreich 2022. 

Auf kommunaler und nationaler Ebene gibt es ein weitmaschiges Netz an öffentlichen und gemeinnützigen Organisationen, die Haushalte unterstützen
Wien hat ein gut etabliertes Netz an Einrichtungen und Organisationen, die auf städtischer Ebene zur Leistbarkeit der Daseinsvorsorge beitragen. Dies umfasst neben öffentlichen Einrichtungen der Stadt Wien auch eine Vielzahl an gemeinnützigen Organisationen und Vereinen, wie etwa das Neunerhaus, die Volkshilfe, die Caritas und das Hilfswerk. Die Finanzierung dieser Einrichtungen erfolgt jedoch nicht nur aus kommunalen Mitteln, sondern auch aus nationalen und europäischen Geldern. Eines der wichtigsten kommunalen Instrumente im Bereich Wohnen ist sicherlich die Wohnbauförderung, die sowohl den Bau von geförderten Wohnungen finanziert als auch Wohnbeihilfen. Parallel dazu stellen der gemeinnützige und der kommunale Wohnbau wichtige Bestandteile der „Infrastruktur des alltäglichen Lebens“ dar und leisten nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Leistbarkeit, sondern auch zur sozialen und ökonomischen Integration der Bevölkerung. 

 
Grafik: Eileen Stephan, Nina Lobnig, Oliver Schöckigt

Leistbarkeit auf gemeinschaftlicher und nachbarschaftlicher Ebene (Leistbarkeit durch Commons)
Neben staatlichen und gemeinnützigen Organisationen gibt es zivilgesellschaftliche und nachbarschaftliche Initiativen, die die Leistbarkeit verbessern können. Leistbarkeit kann also über sogenannte „Commons“ erzielt werden. Als Common versteht man eine gemeinschaftlich genutzte Ressource, die der Allgemeinheit zur Verfügung steht, jedoch niemandem per se gehört. Als Konzept soll diese Ressource durch eben die Akteurinnen und Akteure eigenverwaltet werden, die jene auch nutzen. Ein Beispiel aus Wien ist etwa die Leila Bibliothek der Dinge. Hier können Gegenstände (z.B. Werkzeuge) gegen einen Unkostenbeitrag ausgeborgt werden, ohne dass man diese kaufen muss. In diesem Bereich gibt es international bereits eine Vielzahl an erfolgreichen Beispielen von denen viel gelernt werden kann. 

 
Grafik:  Jasmin Kunze, Mathis Lepel

Weitere Informationen zum Workshop und die Posterpräsentationen gibt es hier

 

AutorInnen: Gerald Kössl, Judith M. Lehner und Simon Güntner