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Zahlungsrückstände bei Mieten und Energiekosten

Hohe Energiekosten werden zu einem zunehmenden Problem für Österreichs Haushalte. Viele stellen sich diesen Winter die Frage wie sie ihre Wohnung heizen und wie sie finanziell über die Runden kommen sollen. Energiearmut ist von einem Randthema zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit geworden. Während medial viel von den persönlichen Auswirkungen der aktuellen Preissteigerungen berichtet wird, versucht dieser Beitrag einen Überblick über die tatsächliche finanzielle und soziale Situation der österreichischen Haushalte zu geben. Grundlage bildet die soziale Krisenfolgenbefragung der Statistik Austria mit dem Titel „So geht’s uns heute“. 

Von der Wohnungskrise zur Krise der Lebenshaltungskosten
Hohe Wohnkosten waren bereits vor der aktuell hohen Inflation eine der größten Herausforderungen hinsichtlich der Leistbarkeit des alltäglichen Lebens. Vor allem die gestiegenen Wohnkosten im privaten Mietsektor, in Kombination mit befristeten und somit unsicheren Wohnverhältnissen, haben viele Haushalte vor große finanzielle und soziale Herausforderungen gestellt. Private Mieten sind zwischen 2011 und 2021 um 38% gestiegen, in Österreichs Großstädten gar um 40%. Betroffen sind vor allem jene Haushalte, die Mietverträge neu abgeschlossen haben (bzw. deren Mietvertrag erneuert werden musste, wo eine Erhöhung ebenfalls möglich ist). Im Vergleich dazu sind die Mieten im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau um 24% bzw. 28% gestiegen. Was sich im 2. Quartal 2022 auch bereits abzuzeichnen scheint, ist eine neue Dynamik im privaten Mietsektor, wo es mit April 2022 aufgrund der Erhöhung der Richtwerte und Kategoriemieten nach einem Abflachen der Anstiege zum Höhepunkt der Pandemie wieder zu einem merkbaren Anstieg gekommen ist (+1,8% bei privaten Mieten vs. 0,8% Mieten gesamt). 

 

Abbildung 1: Bruttomiete inkl. Betriebskosten nach Rechtsform, 2010-Q2/2022
Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus 2010-2022

Die aktuellen Preissteigerungen verschärfen die teils prekäre Lage von vielen Haushalten, insbesondere die Preissteigerungen bei den Energiekosten. Wirft man einen Blick auf die verschiedenen Komponenten, die in die Inflationsberechnung einfließen, so fällt auf, dass die Steigerungen bei den Mieten lange Zeit deutlich über der allgemeinen Inflationsrate lagen und die Preissteigerungen bei der Energie gering ausfielen und über mehrere Jahre entweder deutlich unter dem Verbraucherpreisindex gestiegen sind oder teils sogar rückläufig waren. Eine schlagartige Änderung dieser Situation ist seit Beginn des Jahres 2022 zu verzeichnen. Im September 2022 kletterten die Preissteigerungen der Energiekosten gar auf +64% im Vergleich zum Vorjahr. In den letzten verfügbaren Daten (Okt. 2022) zeigt sich zumindest eine Trendwende bei den Preisanstiegen im Bereich Energie, jedoch weiterhin auf sehr hohem Niveau (+59% von Okt. 2021-Okt. 2022). Was darüber hinaus bei der Betrachtung der Komponente Miete auch auffällt, ist dass nach der Stagnation bzw. dem sogar leichten Rückgang der Mieten zu Beginn des Jahres 2022 seit Mitte 2022 wieder eine Dynamik nach oben zu beobachten. Als Ursache kann die bereits erwähnte Koppelung von Mieten an die Inflation gesehen werden, die seit dem zweiten Quartal 2022 in manchen Mietverträgen zur Anwendung kommt. 

 

Abbildung 2: Verbraucherpreisindex (VPI) und COICOP Subkomponenten Miete und Energie, Index und Veränderung zum Vorjahr (%), 2011 – Okt. 2022
Quelle: Statistik Austria, Verbraucherpreisindex, Index: 2010=100


Zahlungsverzüge bei Mieten Die Kombination aus bereits bestehenden Leistbarkeitsproblemen bei den Wohnkosten und den gestiegenen Energiekosten (und anderen Lebenshaltungskosten) führen zunehmend zu finanziellen Engpässen bei den Haushalten. In letzter Konsequenz bedeuten diese finanziellen Engpässe auch manchmal Zahlungsrückstände. Die mittlerweile zum dritten Mal durchgeführte Umfrage „So geht’s uns heute“ von der Statistik Austria gibt Einblicke, wie sich die multiplen Krisen auf die finanzielle und soziale Situation der Österreichischen Bevölkerung im Alter von 16-64 Jahren auswirkt. Laut dieser Umfrage waren im 2. Quartal 20221 rund eine Viertel Million Mieterinnen und Mieter (9,4%) mit ihrer Mietzahlung im Verzug. Im Vergleich zur Erhebung, die ein halbes Jahr davor durchgeführt wurde (Q4/2021) bedeutete dies bereits einen Anstieg von rd 50,000 zusätzlichen Personen bzw. von 1,8 Prozentpunkten. Während bei Mieterinnen und Mietern im gemeinnützigen Sektor der Anteil immer noch etwas unter dem nationalen Durchschnitt liegt, zeigt sich auch hier ein markanter Anstieg bei den Zahlungsverzügen bei Mietzahlungen, und zwar von 3,8% auf 8,7% zwischen Q4/2021 und Q2/2022. Das ist auch insofern erstaunlich, da frühere Erhebung im Rahmen von Eurostat zeigen, dass GBV-Mieterinnen und Mieter nicht zuletzt aufgrund der gegebenen Leistbarkeit nur einen sehr geringen Anteil an Mietrückständen aufweisen (rd. 3% im Jahr 2021 lt. EU-SILC 2021). 

 

Abbildung 3: Anteil der Haushalte mit Zahlungsverzug bei Miete
Frage: Konnte Ihr Haushalt aufgrund finanzieller Engpässe eine Miete im [Vorquartal] nicht pünktlich bezahlen?
Quelle: Statistik Austria, So geht's uns heute Umfrage

Deutlich zu erkennen sind die finanziellen Probleme auch bei der Frage nach den Zahlungsrückständen bei Wohnnebenkosten. Der Anteil der Personen mit Zahlungsverzug stieg vom 4. Quartal 2021 bis zum 2. Quartal 2022 von 3% auf 4,8% Bei dieser Frage wurden die Bewohnerinnen und Bewohner in allen Rechtsverhältnissen befragt. Die 4,8% entsprechen etwa 300.000 Personen, die im Verzug mit der Zahlung ihrer Wohnnebenkosten sind. Die Wohnnebenkosten setzten sich in erster Linie aus Kosten für Heizung- und Warmwasser zusammen. Während Mieterinnen und Mieter insgesamt stärker von finanziellen Engpässen betroffen sind als Eigentümerinnen und Eigentümer, zeigt sich auch hier wieder eine leicht abweichende Entwicklung zwischen den unterschiedlichen Mietsektoren. Obwohl der Anteil der GBV-Mieterinnen und Mieter mit Zahlungsrückständen bei Wohnnebenkosten weiterhin geringer ist als bei Mietern im privaten und kommunalen Sektor, gibt es auch im gemeinnützigen Sektor einen deutlichen Trend nach oben (von 3,5% im Q4/2021 auf 7,4% im Q2/2022). 

 

Abbildung 4: Anteil der Haushalte mit Zahlungsverzug bei Wohnnebenkosten 
Frage: Konnte Ihr Haushalt aufgrund finanzieller Engpässe Wohnnebenkosten (Strom, Gas, Fernwärme, Reparaturen) nicht pünktlich bezahlen? Frage bezieht sich auf das jeweilige Vorquartal
Quelle: Statistik Austria, So geht's uns heute Umfrage

Neues Instrument Wohnschirm versucht Abhilfe zu leisten
Diverse Maßnahmen der Bundesregierung wie unter anderem der Energiekostengutschein, der Klimabonus oder die Herabsetzung der Einkommenssteuer versuchen angesichts der Teuerung unmittelbare Abhilfe zu leisten. Wie der Beitrag jedoch gezeigt hat, bleiben Leistbarkeitsprobleme bei Wohnen, Energie und Lebenshaltung weiter bestehen bzw. haben sich sogar noch zugespitzt. Von besonderer Bedeutung in der aktuellen Situation ist natürlich die Vermeidung des Verlusts der Wohnung. Ein Wohnungsverlust hat nicht nur dramatische Auswirkungen auf die Lebenssituation der betroffenen Haushalte, sondern ist auch volkswirtschaftlich viel teurer als eine sinnvolle Prävention. Ein Instrument, das im Rahmen der Covid-19 Pandemie geschaffen wurde und nun für jegliche Mietrückstände, die seit März 2020 entstanden sind angewendet werden kann, ist der sogenannte „Wohnschirm“ des Sozialministeriums. Die Sicherung bestehender Wohnverhältnisse, die Schaffung von Wohnperspektiven bzw. die Vermeidung von Obdachlosigkeit ist daher explizites Ziel dieses Instruments. 28 Beratungsstellen in den neun Bundesländern bieten Beratung und Unterstützung für betroffene Haushalte. Neben der Beratung können Haushalte im Rahmen des Wohnschirms eine einmalige Übernahme von Mietzinsrückständen beantragen bzw. werden beim Umzug in eine passendere (leistbarere) Wohnung finanziell unterstützt. 

Details zum Wohnschirm findet man unter: www.wohnschirm.at

Eine umfassendere Darstellung der Ergebnisse, sowie aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Mieten und Immobilienpreise finden Sie in diesem Research Brief.

Gerald Kössl

Wohnwirtschaftliches Referat

1 Die Befragung zu Zahlungsrückständen bezieht sich immer auf Rückstände im Vorquartal. Die Befragung vom Q2/2022 bildet also die tatsächlich existierenden Zahlungsrückstände im Q1/2022 ab.