Skip to main content Skip to page footer

Was ist bei Photovoltaikanlagen wohnrechtlich zu beachten?

1. Was hat ein Verwalter zu beachten, wenn Solarzellen/Photovoltaikanlage am Dach eines Wohnungseigentumshaus errichtet werden soll? Welcher Beschluss ist hierfür notwendig?

Biley: Die Errichtung einer PV-Anlage gehört zur sogenannten außerordentlichen Verwaltung. Daher muss die Mehrheit der Wohnungseigentümer zustimmen. Die überstimmte Minderheit kann gegen den Beschluss innerhalb einer Frist von drei Monaten gerichtlich vorgehen. 

Die WEG-Novelle 2022 hat zudem gewisse Erleichterungen gebracht: Einzelne Wohnungseigentümer von Reihenhäusern bzw. Einzelgebäuden können die übrigen Wohnungseigentümer über ihre Absicht zur Errichtung einer PV-Anlage auf ihrem Wohnungseigentumsobjekt informieren. Erfolgt innerhalb von zwei Monaten kein Widerspruch, darf eine Anlage auf einem solchen Gebäude auch ohne Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft errichtet werden.

2. Eine Eigentümergemeinschaft möchte Solarzellen/Photovoltaikanlage am Dach eines Wohnungseigentumshaus errichten? Was hat der Verwalter zu beachten?

Biley: Der Verwalter hat wenigstens drei Angebote zur Vorbereitung der Beschlussfassung einzuholen und die Finanzierung der Maßnahmen zu prüfen. Möglich ist die Aufnahme eines Kredits, die Direktzahlung durch die Wohnungseigentümer oder die Deckung aus der Rücklage. Reicht die Rücklage zur Finanzierung des Vorhabens nicht aus, könnten bei der Beschlussfassung überstimmte Wohnungseigentümer den Mehrheitsentscheid gerichtlich anfechten. Die Anfechtung kann durch die beschließende Mehrheit abgewendet werden, wenn sie den nicht gedeckten Teil der Kosten übernimmt.

3. Welcher Beschluss ist nach den Regelungen des WEG hierfür notwendig?

Biley: Neben der bereits bekannten Möglichkeit der einfachen Mehrheit nach Anteilen besteht seit Sommer 2022 auch die Möglichkeit, dass 2/3 der Wohnungseigentümer der Maßnahme zustimmen. Die Zustimmenden müssen zumindest 1/3 aller Miteigentumsanteile repräsentieren.

4. Benötigt eine GBV für die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach ihrer Baulichkeit die Genehmigung nach der Gewerbeordnung?

Stangl: Ob und, wenn ja, welche Bewilligungen die Errichtung und der Betrieb einer Photovoltaikanlage benötigen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst ist zu fragen, welchem Zweck die Photovoltaikanlage dient. Wird der erzeugte Strom in einem Gewerbebetrieb verwendet, bedarf es – abhängig von der Größe und dem Gefährdungspotential – einer Genehmigung oder einer Anzeige nach der Gewerbeordnung, unter Umständen ist die Anlage sogar anzeigefrei. Wird der erzeugte Strom für private Zwecke verwendet (zB bei einer Photovoltaikanlage auf dem Wohnhaus) oder wird der gesamte Strom am Energiemarkt verkauft (sogenannte Volleinspeiseanlage) kann – wiederum je nach Anlagenkapazität – die Errichtung nach dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz oder nach der Bauordnung genehmigungspflichtig sein. Diese Gesetze sind Landesmaterien, sodass die konkreten rechtlichen Vorgaben von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Hier muss man also stets in die einschlägigen Bestimmungen des jeweiligen Standortbundeslandes schauen!

5. Was ist eine Energiegemeinschaft nach dem ElWOG? Warum kann die Errichtung einer solchen Anlage von Interesse sein?

Stangl: Eine Energiegemeinschaft ermöglicht es, gemeinsam grünen Strom zu produzieren und zu verbrauchen. Das Gesetz kennt verschiedene Formen der gemeinschaftlichen Energieproduktion: Für ein Mehrparteienhaus kommt insbesondere die sogenannte Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage in Betracht. Hier werden die einzelnen Wohnungen über eine gemeinsame Erzeugungsanlage – in der Regel eine Photovoltaikanlage am Dach – versorgt. Der nicht verbrauchte Überschuss kann verkauft werden. Für die Etablierung einer Gemeinschaftliche Erzeugungsanlage braucht es lediglich eine vertragliche Vereinbarung der Teilnehmenden. Etwas größerer bürokratischer Aufwand ist die Gründung einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft. Hierfür muss ein Rechtsträger, etwa ein Verein, gegründet werden. Der Vorteil der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft ist, dass sie nicht auf ein Mehrparteienhaus beschränkt ist – es können ganze Nachbarschaften, ja sogar Gemeinden miteinander verbunden werden. Die Mitglieder profitieren dabei nicht nur vom günstigen Gemeinschaftsstrom, sondern auch von reduzierten Netztarifen und verminderten Abgaben. Energiegemeinschaften stellen zweifellos ein Instrument dar, wie sich Bürger und Bürgerinnen, aber auch öffentliche Einrichtungen und KMUs selbst mit Energie versorgen und dadurch „energiekrisenfest“ werden können. 

6. Darf ein Mieter ein Balkonkraftwerk errichten?

Stangl: So wie sich Mieterinnen und Mieter Gartenmöbel oder Blumen auf ihren Balkon stellen dürfen, dürfen sie das auch mit kleinen Photovoltaikanlagen. Für eine feste Montage, etwa an der Balkonbrüstung oder an der Fassade bedarf es hingegen – wenn der Mietvertrag nichts anderes regelt – der Zustimmung des Vermietenden. Im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes wird diese Zustimmung vermutet, wenn der Vermietende der Maßnahme nicht innerhalb von zwei Monaten widerspricht. Die Montage muss jedenfalls fachgerecht und entsprechend dem Stand der Technik ausgeführt werden. Einer behördlichen Genehmigung wird es aufgrund der geringen Kapazität des „Balkonkraftwerks“ in der Regel nicht bedürfen. Bei denkmalgeschützten Gebäuden oder wenn das Ortsbild besonders geschützt ist, kann allerdings anderes gelten: Hier sollte man sich vor dem Kauf der Photovoltaikanlage über eine Bewilligungspflicht informieren. 

Rechtsanwaltsanwärter Gregor Biley und Rechtsanwalt Florian Stangl © NHP

 

Am 16. November 2022 findet ein Seminar mit Florian Stangl zum Thema "Photovoltaik und Wohnrecht – Der Weg zum PV-Kraftwerk" statt. Anmeldungen sind hier möglich: https://gbv-akademie.at/kursangebot/event/19-rechtliche-fachseminar-fit-proper/189-192-photovoltaik-und-wohnrecht-der-weg-zum-pv-kraftwerk 

 

Dr. Florian Stangl ist Rechtsanwalt, Mag. Gregor Biley Rechtsanwaltsanwärter bei der Kanzlei Niederhuber &  Partner (Wien – Salzburg – Graz). Sie sind auf die Umsetzung von Erneuerbare-Energie-Projekten spezialisiert, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf wohn- und immobilienrechtlichen Fragestellungen liegt.