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„Genossenschaftlich Wohnen Morgen?“

Gemeinschaftseigentum, Selbstorganisation und Selbsthilfe. Auf diesen Grundsätzen entstanden in Österreich vor über 100 Jahren die ersten Wohngenossenschaften, die zum Teil bis heute bestehen. Die Genossenschaftsbewegung gilt auch als die älteste der drei Wurzeln der österreichischen Wohnungsgemeinnützigkeit, neben dem Werkswohnbau und dem ausgelagerten öffentlichen Wohnbau. Über die Jahrzehnte gerieten die ursprünglichen genossenschaftlichen Ideen jedoch in den Hintergrund: Service und Professionalisierung trat zunehmend an die Stelle von Selbstorganisation; Leistbarkeit und Sicherheit wurden die zentralen Orientierungspunkte vieler Wohngenossenschaften.

Ansätzen zur Neubelebung des Genossenschaftsgedankens im Wohnbau nachzugehen, lautete der Anspruch einer Studie und einer Ausstellung, die Wohnbund:consult eG im Auftrag einer der ältesten Genossenschaften in Wien, der Gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft Altmannsdorf und Hetzendorf, in Kooperation mit der IBA_Neues Soziales Wohnen erarbeiteten.  

Studie und Ausstellung „Genossenschaftlich Wohnen Morgen?“ stellen im Lichte gegenwärtiger Krisen die Frage nach der Aktualität des genossenschaftlichen Gedankens: Welche Bedeutung hat dieser noch für die „Genossenschafter:innen“? Fördern Genossenschaften ein solidarisches Miteinander über das Wohnen hinaus? Was kann genossenschaftliches Wohnen zukünftig bedeuten?

Bauten der Siedlungsgenossenschaft Altmannsdorf-Hetzendorf: die vor 100 Jahren selbsterbaute Altsiedlung Rosenhügel (links) und die in den 2010ern entstandene Photovoltaik-Siedlung Roschegasse (rechts) Quelle: Archiv ah; Foto Harald A. Jahn

Dazu hat die wohnbund:consult eG erstmals die Aktualität des Genossenschaftsgedankens aus Bewohner:innenperspektive mit Fokus auf Wien beleuchtet. Die Arbeit basiert auf einer quantitativen Befragung von über 600 Genossenschafter:innen, vertieft durch qualitative Interviews mit Genossenschafter:innen und Expert:innen. Die Ergebnisse zeigen sowohl Diskrepanzen als auch Gemeinsamkeiten zwischen Anspruch und Realität: Aus Bewohner:innensicht werden bürokratische Hürden auf dem Weg zur Teilhabe bemängelt. Geschätzt wird hingegen, Teil eines großen gemeinschaftlichen Wohngefüges zu sein. 

Um Lösungswege für gegenwärtige gesellschaftlichen Herausforderungen zu finden, liege der Schlüssel für große Genossenschaften darin, das Volumen des Bestandes zu nutzen und mit neuen Teilhabestrukturen der Genossenschaft zu verbinden. Diese Herausforderungen und Potentiale wurden auch in der ausstellungs-begleitenden Podiumsdiskussion mit Gerlinde Gutheil (GBV), Ute Fragner (Die WoGen), Barbara König (Berliner Genossenschaftsforum) und Andrea Breitfuss (Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft Altmannsdorf und Hetzendorf) thematisiert. Hier wurde die Bedeutung des solidarischen Wohneigentums bei Genossenschaften betont: Genossenschafter:innen sind Miteigentümer:innen und Mieter:innen in Personalunion oder anders ausgedrückt: "Prosumer" (Produzenten und Konsumenten) von Wohn- und Lebensraum. Dadurch werden langfristige Maßnahmen erleichtert - wie im Umgang mit Energiekrise oder dem Generationenwechsel. Barbara König vom Berliner „Genossenschaftsforum“ hebt die dortige Bedeutung von Genossenschaften durch zahlreiche Neugründungen hervor, auch im Bestand. Im Gegensatz zu Österreich seien dort die Voraussetzungen dafür wesentlich einfacher. Gerlinde Gutheil verwies auf Parallelen zwischen den heutigen Baugruppen und den Anfängen der Wohnbaugenossenschaften im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Wenngleich sich bisher keine der neuen Baugruppen in Österreich als gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft nach WGG etabliert habe, sind enge Kooperationen zwischen Baugruppen und gemeinnützigen Bauvereinigungen häufig und noch weiter ausbaufähig (siehe u.a. Mehr als nur gute Nachbarschaft und Vier neue Baugruppenprojekte). 

Große Potenziale bei der zukunftsfähigen Weiterentwicklung des Genossenschaftsgedankens wird der Überwindung organisatorisch-kommunikativer Lücken zukommen: Neben den gesetzlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten (wie durch jährliche Generalversammlungen) und dem informellen Engagement einzelner Bewohner:innen sind Maßnahmen zur (Re-)Aktivierung des Dialogs der Genossenschafter:innen untereinander und mit der Führungsebene gefordert. Dadurch können Fragen zu Bewältigung der Energiekrise über nachbarschaftliche Unterstützung bis hin zur gemeinschaftlich organisierten Deckung des Mobilitätsbedarfes abgedeckt werden. Die Wohngenossenschaften haben dazu die historisch und strukturell besten Voraussetzungen, um ihren Gebäudebestand unter Einbeziehung der Bewohner:innen weiterzuentwickeln.

Der Ausstellung zu Grunde liegt eine Publikation mit gleichnamigem Titel im Rahmen der IBA_2022-Reihe sowie aufbereitete Videointerviews, die ebenfalls Teil der Ausstellung sind: https://wohnbund.at/genowo/

Mit freundlicher Unterstützung des GBV - Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen{cwgallery}

Kontakt:
wohnbund:consult eG
Büro für Stadt.Raum.Entwicklung
Lenaugasse 19, 1080 Wien
office@wohnbund.at 
www.wohnbund.at