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Chancen von Reconstructing

Die neue Studie „Reconstructing in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft“ von WH consulting engineers hat sich den Ersatzneubau bei GBVs näher angesehen. Denn das Potenzial dafür ist im gemeinnützigen Sektor sehr hoch: Berücksichtigt man neben dem Bestand aus der Zeit vor 1945 auch Gebäude aus den 1950er bis in die frühen 1970er Jahre, so kann man davon ausgehen, dass sich in den nächsten 10 bis 20 Jahren für rund ein Drittel des gemeinnützigen Wohnungsbestands die Frage von Reconstructing ernsthaft stellen wird. Denn neben einer Steigerung der Wohnqualität kann Nachverdichtung auch zu einem Mehr an Wohnraum führen. Auf Basis bisher umgesetzter Reconstructing-Projekte und der absehbaren zukünftig noch steigenden Bedeutung von Reconstructing sollen hier einige Erkenntnisse der Studie skizziert werden.

Reconstructing als Konsensmodell
Die GBVs haben in den letzten Jahren viel Erfahrung aufgebaut und Prozesse entwickelt, wie Reconstructing weitgehend im Konsens umgesetzt werden kann. Die Unternehmen verfügen über ein breites Instrumentarium, um die Mieterinnen und Mieter schon frühzeitig zu informieren und bei der Planung einzubeziehen, um den Mieterinnen und Mietern z.B. mit einer Unterstützung für die Übersiedlung entgegenzukommen oder die Einrichtung eines Sozialfonds für einkommensschwache Haushalte. 

Es besteht weitgehend Übereinstimmung, dass gesetzlich normierte Zwangsmaßnahmen (wie z.B. ein Recht auf Kündigung wegen Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung) in der praktischen Umsetzung wohl lange Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen würden und so mögliche Widerstände gegen ein Projekt auslösen oder vergrößern könnten.

Ausgehend von Reconstructing als Konsensmodell empfiehlt die Studie zu überlegen, wie Verfahrenserleichterungen geschaffen werden könnten, wenn beispielsweise mit annähernd 100% der Mieterinnen und Mieter eine Übereinkunft erzielt werden konnte und nur ein oder zwei der weiteren Umsetzung eines Projekts entgegenstehen.

Mit einem moderierten Beteiligungsverfahren, Übersiedlungshilfen (praktisch oder finanziell) oder einem Sozialfonds entstehen jedoch Kosten für die GBVs, deren Verrechenbarkeit im WGG nicht ausdrücklich geregelt ist. Zuschüsse zu einem Projekt aus dem Vermögen des Unternehmens sind im WGG nicht vorgesehen und würden letztlich die Substanz der Unternehmen schmälern. Aus Unternehmenssicht können diesen Kosten jedoch jene Kosten gegenübergestellt werden, die in einem alternativen Szenario gegebenenfalls deutlich höher ausfallen würden (Leerstand, Mietausfälle etc). 

Restbuchwerte und Abbruchkosten
Die Abschreibungsdauer spielt auch in das Thema der Restbuchwerte hinein: Wird eine Immobilie abgebrochen, die in der Buchhaltung noch nicht vollständig abgeschrieben ist, so müssen die Restbuchwerte für das betreffende Objekt vom Unternehmen abgeschrieben werden, was letztlich eine Belastung für die Unternehmensbilanz bedeutet. Ebenso entsteht mit den Abbruchkosten eine finanzielle Belastung für die GBV, die zunächst nicht unmittelbar verrechenbar ist.

Im Rahmen eines Reconstructing-Projekts erscheint es für den Studienautor angemessen, dass diese Kosten als notwendige und nützliche Aufwendungen für den Ersatz-Neubau angesehen werden, wenngleich es bis dato keine ausdrückliche rechtliche Regelung dafür gibt. Im Sinn der Rechtssicherheit für die Unternehmen wäre laut Studie daher zu überlegen, diesbezüglich eine positiv-rechtliche Regelung im WGG zu schaffen.

Kalkulation der Grundstückskosten
Im Rahmen des WGG ist grundsätzlich die Kalkulation der Grundstückskosten auf Basis der ursprünglichen Anschaffungskosten bzw. ausgehend vom Verkehrswert zum Zeitpunkt der Anschaffung vorgesehen. Dieser Ansatz ist jedoch nicht unmittelbar auf ein Reconstructing-Projekt anwendbar. Daher wäre es laut Studie zu überlegen, dass im Fall von Abbruch und Neubau gewissermaßen ein „fiktiver Neuanschaffungswert“ konstruiert werden kann, um auf einen realistischen Ansatz für die Grundstückskalkulation zu kommen. Als wesentliche Randbedingung wäre dabei zu berücksichtigen, dass auch die Mieten in den neu errichteten Objekten – insbesondere für jene Mieterinnen und Mieter, die aus dem Altbestand in die neu errichteten Objekte übersiedeln – in einer sozial verträglichen Höhe bleiben. Im WGG ist dazu derzeit kein Mechanismus vorgesehen, wie die Bauvereinigung mit diesen Kostendifferenzen umgehen kann. Im konkreten Fall könnte die Bauvereinigung wiederum nur wirtschaftlich argumentieren im Vergleich zu Kosten in einem Alternativszenario, wenn etwa kein Reconstructing durchgeführt wird und im Zuge dessen andere erhebliche Kostenpositionen anfallen (z.B. durch Leerstand, Mietausfälle).

Anhand von umgesetzten Projekten zeigt die Studie auch das enorme Potential für Nachverdichtung durch Reconstructing auf, das im Durchschnitt rund 50% beträgt. Die in der Studie dokumentierten Beispiele aus mehreren Bundesländern umfassen rund 5.000 Wohneinheiten, nach Umsetzung der Projekte befinden sich auf den Standorten insgesamt rund 8.000 Wohneinheiten.

Damit gehen mehrere positive Effekte einher, wie die Eindämmung des Bodenverbrauchs für den Neubau, die bessere Nutzung vorhandener Infrastruktur sowie Impulse für die Aufwertung von vorhandenen Siedlungsstrukturen und zentrumsnahen Lagen.

Darüber hinaus hat sich auch gezeigt, dass – je nach Ausgangssituation und entsprechend der soziografischen und städtebaulichen Gegebenheiten am jeweiligen Standort – auch eine Kombination von Reconstructing und umfassender Sanierung sinnvoll sein kann. Dahingehend erscheint es sinnvoll, die bislang rein technisch-wirtschaftlichen Beurteilungskriterien für Reconstructing zu ergänzen in Richtung architektonisch-städtebaulicher und ökologischer Kriterien. 

Studie: Reconstructing in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Endbericht. 

Auftraggeber: Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. BMDW – V/7 Wohnungs- und Siedlungspolitik. 

Autor: WH consulting engineers Ingenieurbüro für Energie- und Umwelttechnik, Dipl.-Ing. Walter Hüttler