Interviews mit erfolgreichen Frauen an der Spitze von GBVs
Die Baubranche ist bis heute männlich dominiert, das trifft auch noch auf Teile des GBV-Sektors zu. Aber bei den GBVs ist dieses Thema nicht nur angekommen, sondern es wurden und werden auch Maßnahmen gesetzt, Frauen vor allem auch in Führungspositionen bei den Gemeinnützigen zu fördern. Dies wurde nicht zuletzt im für alle größeren GBVS verpflichtenden Corporate Governance Kodex für GBVs fest verankert. Wir haben den heutigen Weltfrauentag zum Anlassen genommen, 3 Geschäftsführerinnen von GBVs 3 Fragen zu stellen, um herauszufinden, was die großen Herausforderungen sind und was verbessert werden muss, dass wir in Zukunft mehr Frauen in GBV-Führungspositionen finden.
Dr. Petra Neuherz, Vorständin Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft der Arbeiter und Angestellten Köflach und Geschäftsführung VOBIS © Kump
Wenn man das Thema Gleichberechtigung als Bauprojekt betrachtet, wo stehen wir heute?
Ich würde sagen, der Rohbau steht und jetzt geht es um den Ausbau. Die Vorstellung einer weiblichen Fachkraft in der Bauwirtschaft ist heute keine utopische Vorstellung mehr. Mittlerweile ist es auch völlig normal, dass Frauen Unternehmen leiten und sich parallel um Familie und Privatleben kümmern. In unserem Unternehmen liegt der Frauenanteil sogar bei 67 %, darauf sind wir stolz!
Ihr Unternehmen ist seit langer Zeit bereits in weiblicher Hand, Sie haben die Geschäftsführung auch von einer Frau übernommen. Wirkt sich diese Tatsache im Unternehmen aus?
Das war für mich mit Sicherheit ein Vorteil. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren es bereits gewohnt, dass sie in den letzten 12 Jahren eine Frau als Chefin hatten und der Betrieb dennoch gut gelaufen ist. Außerdem stärken Frauen in Führungspositionen andere Frauen, die diese Ziele auch erreichen können und wollen.
Aber das Geheimrezept liegt, glaube ich darin, dass ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst nehme – mitunter ein Grund, warum auch ich als Vorgesetzte von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst und wahrgenommen werden. Das motiviert auf beiden Seiten.
Was braucht es, dass wir in 10 Jahren mehr Frauen in Führungspositionen bei GBVs haben.
Bis es eines Tages ganz normal ist, dass Männer und Frauen sich gleichberechtigt Stellen in Führungspositionen in GBVs teilen, wird es noch einige Zeit dauern. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Es gibt genügend Frauen, die bereit sind, hart, ausdauernd und mit großem Engagement zu arbeiten. Doch im Bereich der technischen Berufe haben wir hier noch sehr viel Aufholbedarf, was die Ausbildung von Frauen betrifft. Frauen arbeiten in der Bauwirtschaft eher in den kaufmännischen Berufen. Auch ich bin für den kaufmännischen Part zuständig – mein Kollege kümmert sich um die technischen Angelegenheiten. Das ist eigentlich die perfekte Mischung.
ppa Alexandra Schalegg, Geschäftsstellenleitung Feldkirch Alpenländische © Alpenländische
Was hat Sie damals dazu inspiriert, eine Karriere in einer eher männerdominierten Branche zu starten und welche Tipps haben Sie für andere Frauen, die in derselben Branche wie Sie durchstarten möchten?
Beim Start ins Berufsleben, Mitte der 1980er Jahre, war für mich bereits klar, dass ich in keinen typischen Frauenberuf wählen werde. Es ergab sich dann die Möglichkeit für die Ausbildung zur Bautechnikerin. Ich habe dann nach meiner Ausbildung 20 Jahre in verschiedenen Architekturbüros in Linz und Vorarlberg gearbeitet, bis ich im September 2005 bei der Alpenländischen in der Geschäftsstelle in Feldkirch in der Technischen Objektverwaltung begonnen und dann in die Abteilung Technik Neubau gewechselt habe. Mit dem Pensionsantritt des vormaligen Geschäftsführers zum 01.01.2019 konnte ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrung im Gemeinnützigen Wohnbau und der entsprechenden Qualifikation die Geschäftsstelle in Vorarlberg als Geschäftsstellenleiterin übernehmen.
Sehen Frauen andere Bedürfnisse beim Thema Wohnbau?
Von der planerischen Sicht ist das Sicherheitsbedürfnis sicher ein Thema, das Frauen möglicherweise anders sehen; helle Garagen und Stiegenhäuser, helle Außenbeleuchtung in der Nacht, keine verwinkelte Planung mit Nischen, etc. Bei der Außenraumgestaltung liegt der Fokus bei vielfältigen Spielmöglichkeiten für Kinder jeden Alters und eine hohe Aufenthaltsqualität (Treffpunkte, Sitzmöglichkeiten, schöne Durchwegung, etc.). Ganz wichtig ist, dass der Wohnbau leistbar bleibt. Die momentane Preisentwicklung bei den Mieten stellt viele Alleinerzieherinnen vor große Herausforderungen.
Was braucht es, dass wir in 10 Jahren mehr Frauen in Führungspositionen bei GBVs haben?
Von Seiten der Frauen Mut und Entschlossenheit ihren Weg zu gehen. Leicht gesagt...oft scheitert es sicher an Kinderbetreuungsmöglichkeiten und den damit zusammenhängenden Unterbrechungen im Arbeitsleben, wodurch Chancen nicht wahrgenommen werden können.
Mag. Isabella Stickler CSE, Obfrau ALPENLAND © Marius Höfinger
Sie sind Vorsitzende der Plattform NETZWERT: Was waren für Sie die wichtigsten Schritte, die gesetzt wurden und was wünschen Sie sich für NETZWERT in Zukunft?
Als NETZWERT im September 2016 von der ARGE EIGENHEIM initiiert wurde, war sicherlich der wichtigste Schritt, dass die Geschäftsführungen der GBVs Frauen nominiert, aktiv gefördert und zeitlich und organisatorisch unterstützt haben.
Das bewusste Bekenntnis und die klare Entscheidung der Unternehmen, Frauen zu fördern und dadurch sichtbar zu machen, kombiniert mit der Möglichkeit, sich formell und informell zu vernetzen, trägt Früchte.
Durch die verstärkte Präsenz der NETZWERT-Mitglieder in den Unternehmen und Auftreten bei Veranstaltungen der Branche hat sich mittlerweile einiges bewegt und sind mehrere Frauen - bspw. bei Alpenland, WSG, GWS, Heimat Österreich, ÖVW, GEDESAG - ins Topmanagement bestellt worden. Die stetig steigende Mitgliederzahl zeigt das große Interesse der Frauen an NETZWERT und die Sinnhaftigkeit und Auswirkung auf den eigenen Job, den fachlichen Austausch und die berufliche Entwicklung.
Durch die öffentliche Präsenz von NETZWERT sind auch Frauen aus dem Nahbereich des Wohnens auf uns aufmerksam geworden und mittlerweile fixe Mitglieder. Ich wünsche mir, dass unser Netzwerk stetig weiterwächst und sich viele Frauen in ihren Unternehmen ambitioniert und engagiert präsentieren und so die gläserne Decke durchstoßen.
Wie sieht Frauenförderung bei Alpenland aus?
Als ich 2014 vom Vorstand mit den Agenden Personal und Organisation betraut wurde, war ein wichtiger erster Schritt die Bewusstseinsschaffung und strategische Verankerung von Frauenförderung und Chancengleichheit in der obersten Führungsebene. Wir haben uns neben vielen internen Maßnahmen auch extern prüfen lassen. So haben wir bspw. in den Jahren 2017 bis 2019 am ESF-Pilotprojekt Equal Pay teilgenommen und alle Gehälter auf faire und geschlechterunabhängige Gehaltstruktur und gleichstellungsorientierte Personenarbeit prüfen lassen.
Wir ermöglichen Führungspositionen auch in Teilzeit, fördern aktiv eine schnelle Wiedereingliederung bzw. Aufstockung der Stunden. Wir besetzen Führungspositionen geschlechteratypisch und leben Chancengleichheit durch die Vorbilder im eigenen Unternehmen. Gleitzeit, Homeoffice und individuelle Arbeitszeitmodelle ermöglichen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Alpenland wurde 2021 als einziges Unternehmen österreichweit mit zwei ersten Plätzen mit dem Gütesiegel „EqualitA“ für Frauenförderung und Chancengleichheit ausgezeichnet. Es war ein langer, aber erfolgreicher Weg und ich bin überzeugt, dass Diversität in allen Gremien ein entscheidender Faktor für unseren Unternehmenserfolg ist.
Ich bin der Meinung, dass gemischte Führungsteams erfolgreicher sind und dass die Gleichstellung von Frauen letztendlich kein Frauenthema, sondern eine wirtschaftliche, unternehmerische und gesellschaftliche Notwendigkeit ist.
Unsere Branche kann auf das Potential von Frauen nicht verzichten. Ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen ist nicht nur wichtig für unseren Wirtschaftsstandort, sondern auch für die nächsten Generationen.
Was braucht es, dass wir in 10 Jahren mehr Frauen in Führungspositionen bei GBVs haben?
Es braucht eine bewusste Unternehmensstrategie zur diversen Besetzung in allen Gremien, und eine strategische Zielvorgabe, bis wann wie viele Positionen mit Frauen besetzt sein sollen. Das beginnt bei den Gremien des Verbandes selbst und geht bis zu den Leitungsfunktionen in den einzelnen GBVs.
Die Organisationen müssen offener denken: Führungspositionen in Teilzeit, flexible Arbeitszeitgestaltung, Sitzungs- und Besprechungstermine zu familienfreundlichen Zeiten. Verfügbarkeit ist leider noch immer ein zentraler Karrierefaktor. Es bedarf einer Veränderung der Leistungskultur und Führungskultur, denn „Verfügbarkeit ist keine Leistung“. Neben diesen weiblichen Role-Models sollten mehr Männer zu diesem Thema öffentlich Stellung beziehen, um das Potential von Frauen für die Wirtschaft aufzuzeigen.
Mein Rat an alle Frauen: „Traut euch mehr zu, ergreift Chancen und geht aktiv nach vorne. Vernetzt euch und seid sichtbar!“