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Am Weg zur Umsetzung einer Bodenstrategie

Zur Kernaufgabe der Raumplanung, Vorsorge für eine nachhaltige Nutzung des Bodens zu treffen, wurde in den 2020/21er Jahren mehr geredet, geforscht, geschrieben, untersucht und auch beschlossen als in den Jahren zuvor. Zahlreiche Fachveranstaltungen und Bürger:innenforen widmeten sich dem Thema. Bodensparen, Flächenverbrauch, Versiegelung und Zersiedelung füllten in Medien nicht nur wie sonst manches Sommerloch, sondern waren kontinuierlich präsent. LandLuft, der Verein zur Förderung der Baukultur, hat unter dem Titel „Boden g’scheit nutzen“ Erfolge im Bodensparen vor den Vorhang geholt: belebte Ortskerne, Nachverdichten im Bestand, Siedlungsgrenzen, die halten, Rückwidmen, aktive Bodenpolitik und Leerstandsmanagement. Mit dem neuen Österreichischen Raumentwicklungskonzept ÖREK 20301 hat die Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK), in der Bund, Länder, Städte und Gemeinden vertreten sind, „Flächenverbrauch und Bodenversiegelung reduzieren“ als ein prioritäres Thema beschlossen. Der erste ÖREK-Umsetzungspakt zur Bodenstrategie2 für Österreich hat zum Ziel, die Zunahme der Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen und das Ausmaß neu versiegelter Flächen bis 2030 zu verringern. Versiegelte Flächen sollen, wenn möglich, wieder entsiegelt werden.

 

In Wiesing hat die Wohnungseigentum den Ortskern wiederbelebt. © Wohnungseigentum

Der Flächenverbrauch in Österreich ist im internationalen Vergleich hoch, auch wenn die Zunahme in den letzten Jahren zurückgeht. Um das Jahr 2010 bezifferte das Umweltbundesamt die Flächeninanspruchnahme3 noch mit rund 90 km² pro Jahr. Dieser Wert hat sich mittlerweile mehr als halbiert, bedeutet aber immer noch, dass Österreich pro Tag rund 11 ha produktive Böden verliert. Wenn diese Entwicklung nicht deutlich gebremst wird, werden wir bereits innerhalb der nächsten 7-8 Jahren eine Fläche in der Größe des Neusiedler Sees für neue Siedlungen, Verkehr, Gewerbe, Abbauflächen, Deponien, Kraftwerke, Sportanlagen etc. beansprucht haben. Zum Vergleich: Wenn wir die Flächeninanspruchnahme in Deutschland (52 ha pro Tag)4 auf das kleine Land Österreich herunterrechnen, ergäbe sich ein Wert von rund 6 ha pro Tag. Auch dies wäre noch weit entfernt vom Ziel den Flächenverbrauchs auf 2,5 ha/Tag bzw. 9 km²/Jahr bis 2030 zu reduzieren, wie es bereits 2002 in der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie und im aktuellen Regierungsprogramm formuliert und nun im ÖREK aufgegriffen wurde. 

Rund 30-40 % der Flächeninanspruchnahme machen versiegelte Flächen aus. Aktuell sind lt. ÖROK-Atlas5 in Österreich 209 m² pro Einwohnerin und Einwohner versiegelt. Flächenversiegelung bedeutet, dass der Boden mit einer wasserundurchlässigen Schicht abgedeckt ist und bewirkt überhitzte Stadt- und Ortsgebiete, verstärkt die Überschwemmungsgefahr und belastet in Trockenperioden unsere Wasservorräte. Erforderliche Gegenmaßnahmen zur Entsiegelung und Begrünung etwa von Stadt- und Dorfplätzen, Parkplätzen und überbreiten Straßen in bestehenden Siedlungsgebieten sind in Österreich derzeit noch selten anzutreffen. Erste Förderungsprogramme sind in manchen Bundesländern angelaufen. 

Bodensparend und klimafit zu bauen, braucht kompaktere Bauweisen und mehr und vielfältige Durchgrünung im öffentlichen und im privaten Raum: Ein- und Durchgrünung von Gewerbegebieten, Begrünung und Baumpflanzungen auf Gemeinschaftsflächen von Wohnanlagen und eine naturnahe Gestaltung von Hausgärten. Einfamilienhausgebiete haben pro Einwohnerin und Einwohner einen überproportional hohen Anteil an überbauter Fläche und versiegelten Erschließungsflächen. Gärten und Höfe mit sauber vom Mähroboter geschorene Rasenflächen und einigen pflegeleichten Koniferen weisen eine geringe biologische Funktionsfähigkeit auf - trotz vermeintlich viel grüner Fläche.

Wo und wie bodensparend gebaut werden kann, kann maßgeblich von Festlegungen der Raumplanung bestimmt werden. Regionale Siedlungsgrenzen fehlen jedoch in weiten Landesteilen. Selbst die besten und für die Versorgungssicherheit unverzichtbaren Böden sind nicht unter Schutz gestellt. Hier fehlt der politische Steuerungswille. Zugleich erhalten die Gemeinden zu wenig Unterstützung in der Bodenpolitik, die ihnen Bodenerwerb, Bodentausch, die Nutzung bestehender Baulandreserven, Rückwidmung, Raumordnungsverträge und damit langfristige Flächenvorsorge erleichtern. Oft fehlt es aber auch an örtlichem Verständnis und Kompetenz, um der Forderung nach neuen Baulandausweisungen und dem Druck der Bodenspekulation und der Salamitaktik – etwa zur Umgehung der UVP-Pflicht im Schotterabbau, bei Freiland-PV-Anlagen und Chaletdörfern - entgegenzutreten. 

Dennoch: In den letzten 10 Jahren ist das Bauland auch in Österreich pro Einwohnerin und Einwohner leicht gesunken. Trotz gestiegener Bevölkerungszahl hat sich der Trend zu neuen Baulandwidmungen, verbunden mit einem besseren Ausnützen des bestehenden Baulandes durch Nachverdichtung und Revitalisierung verlangsamt. Die Spielräume für die großen Flächenverbraucher – Straßen, großflächige Einkaufszentren und Gewerbeagglomerationen mit ausgedehnten Parkplätzen und zersiedelnde Einfamilienhausbebauungen sind enger geworden.

Sibylla Zech, Professorin für Regionalplanung und Regionalentwicklung an der TU Wien

 

1 https://www.oerok.gv.at/fileadmin/user_upload/publikationen/Schriftenreihe/210/OEREK-2030.pdf 

2 https://www.oerok.gv.at/fileadmin/user_upload/Bilder/2.Reiter-Raum_u._Region/6._OEREK_Umsetzungspakte/Beschluss_UP_Bodenstrategie_fuer_Oesterreich_20-10-2021.pdf 

3 https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/boden/flaecheninanspruchnahme 

4 https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/flaechensparen-boeden-landschaften-erhalten#flachenverbrauch-in-deutschland-und-strategien-zum-flachensparen 

5 https://www.oerok-atlas.at/#indicator/61