Zur aktuellen Situation im Wohnungsneubau
Der Wohnbau in Österreich boomt. Die Baubewilligungen (Neubauten + Zubauten) sind in den beiden Jahren 2015 und 2016 auf über 60.000 pro Jahr geklettert, für das Jahr 2017 fehlt noch die letzte Quartalsmeldung, es zeichnet sich dafür aber ein neuerlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren ab.
Ähnlich hohe Produktionsziffern hat es im Neubaugeschehen der letzten Jahrzehnte in den 1960er und 1970er-Jahren gegeben, auch in den 1990er Jahren war eine Spitze auf dem Niveau von rd. 60.000 jährlichen Fertigstellungen zu vermerken.
Die absolute Höhe der Neubauleistung ist aber fast die einzige Gemeinsamkeit der angesprochenen Hochphasen im Wohnbau. Ansonsten ist das aktuelle Baugeschehen durch „historische Neuerscheinungen“ geprägt:
- Während in früheren Jahren der geförderte Wohnbau das Gros der Bauleistung abdeckte, bzw. auch als „Zugpferd“ der Leistungssteigerung fungierte, geht das aktuelle Leistungshoch vom freifinanzierten Wohnbau aus;
- die hohe Bauleistung vergangener Jahrzehnte war auch immer mit einem Übergewicht an Eigentum verbunden (Haus- und Wohnungseigentum) – in den Neubauwohnungen der letzten Jahre haben aber vermietete Wohnungen fast einen 50%-Anteil;
- das mag zwar angesichts der im freifinanzierten Geschosswohnungsbau anzunehmenden Dominanz des Wohneigentums widersprechen (durch statistische Daten ist dies ohnehin nicht belegbar), ist aber der hohen Vermietungsquote in diesem Segment zuzuschreiben;
- während die Neubauleistung der 1960er und 1970er Jahre im Zeichen einer Verbesserung der Wohnverhältnisse stand, was Ausstattung und Wohnungsgröße anbelangte, ist der aktuelle Bauboom eine Reaktion auf die steigende Nachfrage aufgrund des Haushaltszuwachses infolge der hohen Zuwanderung v.a. aus dem EU-Raum.
Damit lässt sich zusammenfassend auch festhalten, dass das Verhältnis zwischen gefördertem bzw. gemeinnützigem Wohnbau und Bedarf noch nie so ungünstig war wie heute. Das erklärt auch den starken Mietenanstieg, die steigende Belastung durch Wohnungskosten v.a. bei jüngeren Haushalten, aber auch die Zunahme von Wohngemeinschaften jüngerer Personen.
Die Neubautätigkeit zeigt auch eine starke Focussierung auf den städtischen Raum und damit den Mehrgeschoßbau. Das Eigenheim im Stadt-Umland bzw. in ländlichen Regionen scheint v.a. als Hauptwohnsitz an Attraktivität zu verlieren. Im Vergleich aller Wohnformen hat es in den letzten Jahren an Anteilen abgebaut - während die Miete relativ stark zugelegt hat und die Wohnungseigentumsanteile stagnieren (alles bezogen auf Hauptwohnsitze). Diese Entwicklung ist wohl der Bedarfssituation der jungen und mobilen Haushalte geschuldet, liegt aber natürlich auch an deren finanzieller Leistungskraft. Es zeigt sich aber auch, dass der „Umstieg“ älterer Haushalte auf Eigenheim bzw. Eigentumswohnung nicht mehr so stark ausgeprägt ist wie in früheren Jahren.
Die Wohnbauleistung unterscheidet sich an Abhängigkeit von Bedarf stark zwischen den Bundesländern und Regionen. Am stärksten ausgeprägt ist der Boom der letzten Jahre in Wien – was aber nicht gleichbedeutend ist mit einer entsprechenden Deckung des Bedarfs. Im Gegenteil: In Relation zum Haushaltszuwachs zeigt sich in Wien ebenso wie in den beiden westlichsten Bundesländern – ebenfalls Regionen mit einem starken Haushaltsplus – eine vergleichsweise niedrige Bauleistung, auch wenn diese durch einen starken Anstieg gegenüber früheren Jahren geprägt ist. Relativ günstig ist die Situation hingegen in den beiden südlichen Bundesländern.
Der gemeinnützige Wohnbau hat bei der Ausweitung der Bautätigkeit mit einem schwierigen Umfeld zu kämpfen. Wegen der starken Nachfrage v.a. im städtischen Raum wird der Druck auf die Baulandpreise immer stärker, seit etwa drei Jahren – also parallel mit der steigenden Bautätigkeit – befinden sich auch die ohnehin steigenden Baukosten im Höhenflug. Die Bereitschaft der Wohnbauförderung, diesem Druck nachzugeben bzw. die Intensität der Förderung zu erhöhen, ist dagegen nicht so stark ausgeprägt. Trotz eines sich dennoch abzeichnenden Anstiegs der gemeinnützigen Bautätigkeit bleibt beim Angebot an günstigem Wohnraum noch deutlich Luft nach oben, v.a. in den Wachstumsregionen.
Während hier die Entwicklungen v.a. anhand der Baubewilligungen und der Entwicklung der Hauptwohnsitzwohnungen im Lichte der Erhebungen des Mikrozensus diskutiert wurden, werden im Diagramm auch die – geschätzten – Fertigstellungen gezeigt.
Neubauleistungen ÖSterreich 1991 ff © GBV Wohnrechtliches Referat
Mag. Eva Bauer - Leiterin des Wohnwirtschaftlichen Referates