Energiearmut als zunehmendes Thema
Angesichts der aktuell stark steigenden Energiekosten (+15,2% zwischen Aug. 2020 und Aug. 20211) und den sinkenden Außentemperaturen sehen sich viele Haushalte mit der Frage konfrontiert, wie sie ihre Wohnung oder ihr Haus auch im Winter angemessen heizen können. In den vergangenen Wochen ist das Thema der Energiepreise aber auch im Zusammenhang mit der geplanten CO2 Besteuerung im Rahmen der ökosozialen Steuerreform in den Fokus gerückt. Es verwundert daher nicht sonderlich, dass immer öfter die Rede von Energiearmut ist. Doch was ist Energiearmut? Und inwiefern betrifft dies auch Mieterinnen und Mieter bei gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV)?
Was ist Energiearmut?
Obwohl Energiekonsum sich natürlich nicht auf das Beheizen (und zunehmend auch das Kühlen) der Wohnung alleine beschränkt geht es bei Energiearmut primär um die Kosten für Heizenergie. International und auch in Österreich gibt es derzeit zwei Zugänge wie Energiearmut definiert wird, und zwar einen der auf den konkreten Ausgaben für Energie und Einkommen basiert und einen anderen, der auf der persönlichen Einschätzung der Leistbarkeit der Energiekosten beruht. Laut erster Definition gilt ein Haushalt dann als energiearm, wenn dessen Energiekosten überdurchschnittliche hoch sind und gleichzeitig das Einkommen unterdurchschnittlich niedrig ist.2 Der zweite Zugang definiert jene Haushalte als energiearm die es sich nicht leisten können, die gesamte Wohnung angemessen warm zu halten (auf Basis der europaweit durchgeführten EU-SILC Befragung). Beide Definitionen haben ihre Legitimation und ermöglichen aufgrund der unterschiedlichen Datenlage einen etwas anderen Blick auf das Phänomen Energiearmut. Ungeachtet der Definition sind die drei wichtigsten Einflussfaktoren auf Energiearmut:
- die Energiekosten,
- die Energieeffizienz der Wohnung (des Gebäudes)
- und nicht zuletzt natürlich das Einkommen.
Wer ist davon betroffen?
Den vorangegangenen zwei Definitionen zufolge gelten in Österreich zwischen 94.000 und 115.500 Haushalte als energiearm. Das entspricht rund 2,4% bzw. 3,0% aller Haushalte. Folgende Grafik gibt einen Überblick über die zwei unterschiedlichen Definitionen und Datengrundlagen der Statistik Austria zu Energiearmut in Österreich:
Abbildung 1: Die zwei Ansätze von Energiearmut in Österreich
Quelle: Statistik Austria/E-Control (2021), S. 9.
Entsprechend der drei Hauptfaktoren – die Energiekosten, die Energieeffizienz der Wohnung und das Einkommen - sind laut Statistik Austria einige Haushalte bzw. Wohnungstypen stärker von Energiearmut betroffen als andere. Überdurchschnittlich häufig tritt Energiearmut in folgenden Haushalten auf:
- Personen-Haushalte: dieser Faktor ist stark bedingt durch das geringere Haushaltseinkommen von 1 Personen Haushalten und der dadurch überdurchschnittlichen pro-Kopf Ausgaben für Energie.
- Ältere Haushalte: 55-74 jährige und 75+ jährige sind überproportional betroffen. Bei dieser Gruppe sind vor allem die gesundheitlichen Folgen von schlecht beheizten Wohnungen relevant.
- Haushalte in älteren Gebäuden: Haushalte in Gebäuden, die vor 1960 errichtet wurden, sind stärker betroffen als Haushalte in neueren Gebäuden. Dies lässt sich in erster Linie auf die schlechtere bauliche und energietechnische Qualität der Gebäude und der daraus resultierenden höheren Energiekosten zurückführen.
Wie stark sind GBV-Mieterinnen und Mieter von Energiearmut betroffen?
Obwohl es seitens Statistik Austria keine Aufschlüsselung der energiearmen Haushalte nach Rechtsform gibt, lässt sich eine grobe Schätzung für den gemeinnützigen Bestand vornehmen. Nachfolgende Auswertungen zeigen, dass GBV Haushalte zwar einerseits in Wohnungen mit unterdurchschnittlichen Energiekosten leben (ein Ergebnis des bereits hohen energetischen Standards), die Haushaltseinkommen aber unter dem nationalen Durchschnitt liegen. Dies lässt darauf schließen, dass der Anteil an energiearmen GBV-Hauhalten in etwa dem nationalen Durchschnitt entspricht und somit zwischen 2%-3% aller GBV-Mieterhaushalte betroffen sind. In absoluten Zahlen ausgedrückt ist anzunehmen, dass in etwa zwischen 13.000 und 20.000 GBV-Mieterhaushalte als energiearm gelten.
Energieeffizienz, Wohnungsgröße und Haushaltseinkommen als Faktoren
Bei den Faktoren Energiekosten, Energieeffizienz und Haushaltseinkommen zeigen sich noch ein paar weitere erwähnenswerte Punkte im Zusammenhang mit Energiearmut. Die Gesamtenergiekosten von GBV-Mieterhaushalten liegen mit etwa 1.250 Euro pro Jahr insgesamt deutlich unter dem Durchschnitt aller österreichischen Haushalte von 1.620 Euro. Innerhalb der GBV-Mieterinnen und Mieter zeigen sich zwar in absoluten Zahlen keine großen Schwankungen nach Gebäudealter (Abbildung 2), allerdings sehr wohl, wenn man die Wohnungsgröße berücksichtigt. Ältere GBV-Wohnungen sind im Schnitt etwas kleiner und weisen höhere Gesamtenergiekosten pro Quadratmeter auf als neuere Wohnungen (Abbildung 3), was sich durch die höhere Energieeffizienz der Gebäude erklären lässt. Gleichzeitig leben im GBV-Altbestand tendenziell Haushalte mit geringeren Einkommen, was wiederum bedeutet, dass der Anteil der Energiekosten am Haushaltseinkommen bei diesen Haushalten höher ist als in neueren Gebäuden (Abbildung 3). Es ist also davon auszugehen, dass im GBV-Bestand Haushalte in älteren Gebäuden stärker von Energiearmut betroffen sind als in neuen Gebäuden. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit den bereits erwähnten Faktoren hinsichtlich Energiearmut (i.e. kleinere Wohnungen, ältere Gebäude).
Abbildung 2: Gesamtenergiekosten in Euro (pro Jahr), Gesamtenergiekosten pro m2 in Euro (pro Monat) und Wohnfläche
Quelle: Statistik Austria, EU-SILC 2019
Energiekosten als neuer Armutsfaktor?
Das Thema Energiearmut nimmt sowohl im Zusammenhang mit dem europäischen Green Deal als auch der nationalen Politik eine immer wichtigere Rolle ein. Gleichzeitig gibt es auch klare Bestrebungen zur Reduktion der CO2-Emissionen, sowohl national als auch auf EU-Ebene. Wie in der kürzlich von der österreichischen Regierung angekündigten ökosozialen Steuerreform zeigen alle Zeichen auf eine schrittweise Erhöhung der CO2-Preise, um die Klimaziele erreichen zu können. Dies bedeutet unweigerlich auch höhere Energiekosten für private Haushalte, insbesondere für jene, die klimaschädlichere Energiequellen verwenden. Auch seitens der EU zeichnen sich konkretere Schritte in Richtung einer CO2-Bepreisung ab, wie u.a. im Rahmen der angekündigten Ausweitung des Emissionshandelssystems (ETS) auf Gebäude und Verkehr.
Obwohl untere Einkommen durchschnittlich einen geringeren Energieverbrauch (und somit einen geringeren CO2-Ausstoß) haben als höhere Einkommen, können Energiepreiserhöhungen gerade für Haushalte mit geringerem Einkommen zur Energiearmut führen. Deshalb richten sich auch Instrumente wie der soziale Klimafonds der EU speziell an von Energiearmut bedrohte Haushalte, um etwaige Preisanstiege abfedern zu können. Nichtsdestotrotz kommt aber auch auf die nationalen politischen Entscheidungsträger die große Herausforderung zu, die Energiewende auch sozial gerecht und verträglich zu gestalten.
Eine ausführlichere Darstellung zum Thema Energiearmut und Energiekosten finden Sie hier Research Brief_Energiearmut und Energiekosten im GBV Bestand_Nov2021.
Gerald Kössl, Wohnwirtschaftliches Referat
1 https://www.energyagency.at/fakten-service/energiepreise/httpswwwenergyagencyatepi.html
2 Diese Definition von Energiearmut setzt das Haushaltseinkommen in Relation zu den Heizenergiekosten. „Energiearme Haushalte mit hohen Kosten sind dem folgend Haushalte, deren äquivalisiertes Haushaltseinkommen im Einkommensjahr 2018 unter 15.437 Euro (weniger als 60% des Medians) lag und die gleichzeitig äquivalisierte Energiekosten von über 1.720 Euro (mehr als 140% des Medians) zu begleichen hatten“ (Statistik Austria und E-Control 2021, S. 14).
Quellen:
Statistik Austria/E-Control (2021): Erweiterte Betrachtung der Energiearmut in Österreich. Hohe Energiekosten bzw. Nicht-Leistbarkeit von Energie für Wohnen. Link: https://www.statistik.at/web_de/services/publikationen/6/index.html?includePage=detailedView§ionName=Soziales&pubId=800