Konjunkturturbo mit Schattenseite: Die Entwicklung der Baukosten 2021
Die österreichische Wirtschaft und insbesondere die Bauwirtschaft befinden sich mittlerweile wieder auf einem Höhenflug. Die starke Bautätigkeit der Gemeinnützigen in Österreich mit der langjährigen Rekordzahl an Fertigstellungen haben dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet. Allerdings kommt es vor allem seit Beginn des Jahres zu verstärkten Problemen in der Verfügbarkeit von Materialien und Arbeitskräften. Die Entwicklung der Baukosten wurde zu einem zunehmenden Problem auch für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen in diesem Zusammenhang.
1. Der wirtschaftliche Aufschwung zeigt sich in der Bauwirtschaft besonders deutlich
Die österreichische Wirtschaft hat sich seit dem Abschwung, der durch die Corona Pandemie bedingt war, weitgehend erholt und wieder das Vorkrisenniveau (Jahresdurchschnitt 2019) erreicht. Auch in naher Zukunft soll dieser Aufschwung aufrecht bleiben, wenngleich sich die Wachstumsraten einbremsen dürften. Für das Jahr 2021 wird vom Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) ein BIP-Wachstum von 6,5% prognostiziert (WIFO-Konjunkturprognose Juni 2021). Allein vom ersten zum zweiten Quartal 2021 ist nach WIFO-Schätzung die österreichische Wirtschaftsleistung um 4,3 % gewachsen. Der Bausektor trug zu dieser positiven Konjunkturentwicklung deutlich bei: im Mai 2021 wurde ein Plus von 0,9% zum Vormonat im Euro-Raum verzeichnet. Des Weiteren leistete er einen Beitrag zur Senkung der Arbeitslosenquote. Der Produktionsindex stieg im Mai 2021 im Baugewerbe um 21% gegenüber April an.
Auch im Konjunkturtest1 des WIFO zeigt sich ein optimistisches Gesamtbild: Der „gesamtwirtschaftliche Lageindex“, der die Einschätzung der österreichischen Unternehmen zur aktuellen wirtschaftlichen Situation und zur Erwartung in den kommenden Monaten widerspiegelt, liegt seit April des Jahres deutlich im positiven Bereich. Auch hier weicht die Bauwirtschaft noch einmal nach oben ab: Mit einem Lageindex von 37,1 Punkten und einem Erwartungsindex von 41,8 Punkten (dies ist ein Jahrzehnte-Rekordwert) liegt die Bauwirtschaft im äußerst optimistischen Bereich und verzeichnet deutlich bessere Erwartungswerte als die Sachgütererzeugung oder der Einzelhandel (WIFO, Konjunkturtest 9/2021).
Abbildung: WIFO-Konjunkturklimaindizes. Quelle: WIFO
Die Kehrseite der positiven Konjunkturentwicklung sind jedoch die massiv gestiegenen Kosten und Preise, was im folgenden Abschnitt beleuchtet wird.
2. Die Baukosten sind seit Beginn des Jahres stark gestiegen
Der Baukostenindex beobachtet die Entwicklung der Kosten, die den Bauunternehmern bei der Ausführung von Bauleistungen durch Veränderung der Kostengrundlagen (Material und Arbeit) entstehen. Der Blick auf den Baukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau für das Jahr 2021 zeigt die enorme Preisdynamik seit Jahresbeginn 2021, mit einem Rekordwert von 3,4% im Mai 2021 gegenüber dem Vormonat. Die Durchschnittskosten für Bauleistungen liegen im August 2021 um 14 Prozent über dem Jahresdurchschnitt 2020. Zum Vergleich: Der Verbraucherpreisindex ist im gleichen Zeitraum lediglich um drei Prozent gestiegen.
Abbildung: Gegenüberstellung von Verbraucherpreisindex und Baukostenindex
Ursache für den starken Preisanstieg sind v.a. die Lieferengpässe bei bestimmten Baumaterialien: Die stärksten Kostentreiber im Wohnbau sind die Materialien Holz, Polystyrol und Schaumstoffplatten, aber auch Stahlprodukte. Analog dazu sind bei den Leistungsgruppen des Baupreisindex (dieser gibt Auskunft über die Veränderung der tatsächlichen Preise, die der Bauherr für Bauarbeiten bezahlen muss) die Schwarzdeckerarbeiten (+ 11,7 im 1. Quartal 2021 gegenüber Ø 2020), die vorgehängten Fassaden (+12,1%) und die Zimmermeisterarbeiten (+14,1%) am stärksten gestiegen. Damit sind für Bauträger sowohl der Neubau, als auch die Sanierung stark von den Preisanstiegen betroffen.
Aufgrund der engen Verknüpfung von internationalen Lieferketten zeigen sich ähnliche Trends auch in anderen Ländern. Die Weltmarktpreise der Rohstoffe entwickelten sich seit Beginn des Jahres stark nach oben. So kam es etwa bei Holz und Zellstoff in den ersten beiden Quartalen 2021 zu einer Verdopplung (+100%) der Preise. Die Weltmarktpreise für Eisenerz und Stahlschrott stiegen um etwa 80% im Vergleichszeitraum an. Bei Holz zeigt sich mittlerweile wieder eine leichte Entspannung2. Die ÖNB weist auch darauf hin, dass die Nachfragesteigerung nach Baumaterialein auch von Renovierungsprojekten von privaten Haushalten während der Corona-Lockdowns bzw. von öffentlichen Investitionen ausgelöst wurden. 3
3. Hauptprobleme liegen im Materialmangel und in Kapazitätsengpässen
Während bis Ende 2020 vor allem der Corona-bedingte Nachfrageeinbruch aufgrund der Lockdowns ein primäres Hemmnis für die Gesamtwirtschaft war, so zeichnet sich seit Beginn des Jahres 2021 eine neue Problemlage auf. Die beiden größten Herausforderungen sind nun die Material- und Kapazitätsengpässe sowie der Mangel an Arbeitskräften. Auch in der Bauwirtschaft stellen diese zwei Faktoren aktuell die größte Herausforderung dar, sie ändern aber nichts an der sehr positiven wirtschaftlichen Erwartungshaltung der Branche, wie oben erklärt. In der quartalsweise durchgeführten Konjunkturindikator-Befragung des WIFO zeigen sich die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr deutlich.
Abbildung: Hemmnisse der wirtschaftlichen Entwicklung (Bauwirtschaft). Quelle: WIFO
4. Auswirkungen auf GBV
Obwohl die gemeinnützigen Bauvereinigungen selbst durch ihre Bau- und Sanierungstätigkeit zum Wirtschaftsaufschwung beitragen, stellt doch der mit der hohen Nachfrage nach Bauleistungen zusammenhängende Preisauftrieb im Bauwesen für die GBV als Auftraggeberinnen eine sehr große Herausforderung dar. Dies wurde auch schon bei der Umfrage unter GBV-GeschäftsführerInnen im Frühjahr 2021 bestätigt. Sofern die Preise mit den ausführenden Unternehmen nicht schon langfristig vertraglich gesichert wurden, sind die GBV unmittelbar mit den stark gestiegenen Angebotspreisen am Bau konfrontiert.
Gemeinnützige Bauvereinigungen sind gemäß WGG ans Kostendeckungsprinzip gebunden. Grundsätzlich könnten sie gestiegene Baukosten daher auch 1:1 in höhere Mieten und Verkaufspreise umlegen. Dem sind jedoch Schranken gesetzt: Zum einen lassen die Baukostenobergrenzen in den Wohnbauförderungsbestimmungen mehrerer Bundesländer eine Umlegung der Mehrkosten im geförderten Wohnbau nicht zu. Zum anderen wären die spürbar höheren Mieten im Neubau für immer weniger Menschen leistbar, was am „Mission statement“ der Gemeinnützigen vorbeigehen würde.
Wie reagieren daher GBVs auf die erschwerten Rahmenbedingungen? Je nach Bundesland und Einzelfall wird folgendes berichtet:
- Vorübergehender Planungs- und Auftragsstopp im Fall von nicht annehmbaren Angeboten – dies könnte in den kommenden 1-3 Jahren auch zu Verzögerungen bei den Fertigstellungen führen
- Nachverhandlungen und Umplanungen von Bauprojekten, welche auch eine Anpassung der Qualitätsstandards umfassen können
- Gespräche mit den Förderdienststellen der Bundesländer, um Anpassungen bei den Förderrichtlinien zu erreichen, die sich jedoch nicht in einer bloßen Erhöhung der Baukostenobergrenzen niederschlagen sollten.
- Verlängerung der Finanzierungszeiträume und, wo möglich, Erhöhung des Eigenmitteleinsatzes
Die gemeinnützigen Bauvereinigungen setzen innerhalb ihrer gesetzlichen Möglichkeiten alle unternehmerische Kreativität ein, um auch zu den aktuell deutlich erschwerten Bedingungen ihrem Auftrag nachzukommen, leistbare Wohnungen zu errichten und zu sanieren. Gerade was die Verfügbarkeit und die Preise von Rohstoffen angeht, sind der Anpassungsfähigkeit aufgrund der Abhängigkeit von internationalen Lieferketten und -preisen aber auch Grenzen gesetzt. Es wird sich zeigen, inwiefern es also nicht nur in Österreich, sondern auch international zu einer Entspannung auf den Rohstoffmärkten kommt.
GBV-Wohnwirtschaftliches Referat (G. Gutheil, G. Kössl) unter Mitarbeit von T. Birkfellner
1 Der Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung österreichischer Unternehmen zu ihrer wirtschaftlichen Lage und deren Entwicklung in den nächsten Monaten.
2 ÖNB (2021): Immobilien Aktuell – International. Q3/21, Seite 20.
3 ÖNB (2021): Immobilien Aktuell – International. Q3/21, Seite 20.
Quellen:
ÖNB (2021): Immobilien Aktuell – International. Q3/21
Glocker, C. (2021): Aufschwung der heimischen Wirtschaft hält an, Dynamik erreicht jedoch bald Plafond. In: WIFO-Monatsberichte 08/2021
Hölzl, W., Bierbaumer, J., Klien, M., Kügler, A. (2021): WIFO-Konjunkturtest 9/2021
Hölzl, W., Klien, M., Kügler, A. (2021): Konjunktureinschätzungen verbessern sich weiter, Lieferengpässe und Arbeitskräftemangel hemmen die Produktion. Ergebnisse der Quartalsbefragung des WIFO-Konjunkturtests vom Juli 2021. In: WIFO-Monatsberichte 08/2021