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Was hat Leistbarkeit mit sozialem Zusammenhalt zu tun? Ein Blick nach Europa gibt Antworten.

Die Krisen der letzten Jahre und die weiterhin hohe Inflation haben zu finanziellen Problemen bei vielen Haushalten in Europa geführt. Finanzielle Schwierigkeiten und zunehmende soziale Schieflagen wirken sich jedoch nicht nur auf die finanzielle Situation der Haushalte aus, sondern stellen auch eine große Herausforderung für den sozialen Zusammenhalt dar. Mangelnde ökonomische Ressourcen führen oft zu einem Rückzug aus dem sozialen Leben. Die Leistbarkeitsfrage ist also auch eine Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ein neuer Bericht von Eurofound gibt Auskunft über die Auswirkungen der Krise der Lebenshaltungskosten auf die finanzielle und soziale Situation der Haushalte in Europa. Dabei lassen sich einige interessante Schlüsse für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft in Österreich ziehen. 

Die finanzielle Lage der Haushalte in Europa und Österreich hat sich deutlich verschlechtert
Laut einer aktueller Eurofound Befragung gaben im Jahr 2022 ein Viertel (25%) aller Personen in Österreich und 29% aller Personen in der EU an, dass sie nur sehr schwer oder schwer mit ihrem Einkommen über die Runden kommen. Sowohl für Österreich als auch in der gesamten EU sind das langjährige Höchstwerte an Personen, die ernsthafte Leistbarkeitsprobleme haben. Bis zum Jahr 2016 lag der Wert in Österreich noch zwischen 4% und 7%. Auch in der EU hat sich der Anteil der Personen, die nur (sehr) schwer mit ihrem Einkommen auskommen, deutlich erhöht, wenngleich die Anteile in der gesamten EU bereits in den vergangenen Jahren deutlich höher lagen als etwa in Österreich. 


Abbildung 1: Auskommen mit dem Einkommen in Österreich und der EU

Wie zu erwarten ist, sind Personen mit geringeren Einkommen besonders stark von finanziellen Problemen betroffen. Während 60% aller Personen mit ersten Einkommensquintil schwere Leistbarkeitsprobleme haben, sind es im obersten Quintil 7%. Unterschiede in den Betroffenheitslagen gibt es auch entlang der Kategorien Alter (Personen im erwerbstätigen Alter sind stärker betroffen als Personen im Ruhestand), Geschlecht (Frauen sind stärker betroffen als Männer) und Erwerbsstatus (Arbeitslose und Personen, die wegen einer Krankheit keiner Beschäftigung nachgehen können, sind stärker betroffen). 

Der soziale Zusammenhalt leidet unter der ökonomischen Krise
Die finanzielle und materielle Lage hat auch Auswirkungen auf die soziale Situation der Haushalte. In der Sozialwissenschaft spricht man hier von materieller und sozialer Deprivation. Beim Blick in die Daten zeigen sich, die krisenhaften Entwicklungen der vergangenen Jahre nun auch deutlich in den Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt. 23% aller Personen in der EU und 20% aller Personen in Österreich fühlen sich sozial ausgegrenzt. Diese Werte stellen eine deutliche Zunahme gegenüber 2016 dar, als die Vergleichswerte bei 10% in der EU bzw. bei 7% in Österreich lagen. Auch der Anteil der Personen, die Vereinsamung erleben, hat sich im gleichen Zeitraum deutlich erhöht und liegt aktuell bei 27% in der EU und 24% in Österreich.


Abbildungen 2 und 3: Soziale Ausgrenzung und Einsamkeit in Österreich und der EU

Leistbarer Wohnraum als Inklusionsmotor
Diese Erkenntnisse sind auch für den Bereich Wohnen von großer Bedeutung. Leistbare und sichere Wohnverhältnisse tragen nicht nur zur ökonomischen und sozialen Stabilität bei, sondern stärken auch den sozialen Zusammenhalt. Es zeigt sich nämlich, dass die Personen, die in leistbaren und sicheren Wohnverhältnissen leben, sich deutlich stärker als Teil der Gesellschaft sehen als jene die in prekären Wohnverhältnissen leben. Während 45% aller Personen in Europa, die in prekären Wohnverhältnissen leben, sich sozial ausgegrenzt fühlen, ist der Anteil bei jenen deren Wohnsituation leistbar bzw. stabil ist deutlich geringer. Auch das finanzielle Auslangen mit dem Einkommen hat einen entscheidenden Einfluss auf den sozialen Zusammenhalt. Finanzielle Problemlagen wirken sich darüber hinaus auch auf die körperliche und mentale Gesundheit aus. Wie der Eurofound Bericht darlegt, steigen Gesundheitsprobleme und das Risiko für Depressionen bei Personen in schwierigen finanziellen Lagen um einen Faktor von 3 bis 4 im Vergleich zu Personen die leichter über die Runden kommen.


Abbildung 4: Anteil der Personen in der EU die sich sozial ausgegrenzt fühlen nach finanzieller Lage und Leistbarkeit/Sicherheit des Wohnverhältnisses 

Erkenntnisse für Die Gemeinnützigen

Die Schlüsse für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft in Österreich und für den Wohnbau in Europa liegen auf der Hand. Leistbare und stabile Wohnverhältnisse wirken sich nicht nur positiv auf die finanzielle Situation der Haushalte aus, sondern haben auch eine starke integrative Funktion. Gleichzeitig muss man in diesem Zusammenhang aber auch darauf hinweisen, dass die rein spekulative Verwertung von Wohnraum, die sich durch hohe Preise und befristete Mietverträge kennzeichnet, diese Funktion nicht erfüllt. Auch wenn der Wohnungsmarkt nur ein Baustein von vielen ist, kann die Bereitstellung von leistbaren und sicheren Wohnungen einen entscheidenden Beitrag zum sozialen Zusammenhalt und zum psychischen und gesundheitlichen Wohlbefinden in Europa und Österreich leisten. 

Weitere Informationen zum Eurofound Bericht hier, sowie unter folgendem Link.

Ein Research Brief mit einer ausführlicheren Darstellung steht hier zur Verfügung.